Es gibt Rezepte gegen die rechten Populisten Es geht um Politik, nicht nur um Parolen
Frankreich kann von den Niederlanden lernen, dass eine argumentative Auseinandersetzung mit den Extremen Erfolg bringt.
Von einem schier unaufhaltsamen Vormarsch der Rechtspopulisten kann keine Rede mehr sein. Die Niederländer haben dem islam- und europafeindlichen Kurs des Geert Wilders eine Absage erteilt. Nach den Schockergebnissen des vergangenen Jahres kehrt im westlichen Wahlvolk offenbar die kühle Vernunft zurück. Auf die Emotionalisierung, die zu den Anti-Establishment-Abstimmungen auf beiden Seiten des Atlantiks geführt hat, folgt eine Art Ernüchterung.
Zu schwach ist bisher die politische Darbietung des LautsprecherPräsidenten in Amerika gewesen. Der „Trump-Effekt“stärkt zwar die Reihen der Rechtspopulisten. Aber er mobilisiert auch die moderaten Mitte-Wähler gegen die Extremen. Die Lust auf eine Loslösung von der Europäischen Union ist nach dem Brexit-Votum keineswegs gestiegen, im Gegenteil. Die Regierung von Premierministerin Theresa May hat bis heute keinen durchdachten Plan für die kostspielige Scheidung von Brüssel vorgelegt und weckt damit innerhalb des britischen Königreichs Austrittswünsche bei Schotten und Nordiren.
Den Dominoeffekt einer Welle rechtspopulistischer Erfolge auf dem europäischen Kontinent wollten die Niederländer keinesfalls auslösen. Deshalb haben sie sich so engagiert wie seit langer Zeit nicht mehr zuerst an der politischen Debatte und dann an der Wahl selbst beteiligt. Auf eine solche Signalwirkung kam es insbesondere dem Wahlsieger Mark Rutte an, der den Wahlkampf ganz auf die Kontrover- se mit Geert Wilders zugespitzt hat. Der Rechtsliberale hat sich dem Rechtspopulisten in Thema (Migration) und Tonlage (Klartext) angenähert, aber dem Wähler zugleich vor Augen geführt, dass mit dessen radikalem Programm vernünftiges Regieren nicht möglich wäre. Dazu gehörte etwa der Hinweis, wie viele Arbeitsplätze ein Nexit das Land kosten würde.
Wilders bleibt ein Faktor auf der politischen Szene der Niederlande. Aber der Aufstieg des Rechtspopulisten konnte gebremst werden. Die Niederlande-Wahl verschafft beim französischen Nachbarn der extremen Rechtspopulistin Marine Le Pen damit keinen weiteren Aufwind in der Präsidentenwahl.
Sicher ist der Ausgang der nächsten und wichtigsten Wahlentscheidung dieses Jahres dennoch nicht. Anders als die Niederlande ist Frankreich ein Land in einer ökonomischen Krise. In weit größerem Ausmaß sind die Bürger dort der politischen Klasse überdrüssig.
Die Gründe dafür zeigt exemplarisch der konservative Kandidat François Fillon mit seinem Verhalten: Er hat durch eine Selbstbereicherungsaffäre jede Glaubwürdigkeit eingebüßt. Doch statt seinen Verzicht zu erklären, reagiert er mit wütenden Attacken auf Presse und Justiz. Zum Gegenspieler Le Pens und zum Hoffnungsträger wird hingegen der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron. Er will die das Land lähmende Links-rechts-Kluft überwinden und kontert mit einer dezidiert europäischen Reformpolitik den nationalistischen Abschottungskurs Le Pens, der Frankreich und die EU in den Abgrund stürzen könnte. Der „Rechtsaußen-Durchbruch“in Europa lasse sich abwenden, versichert Macron nach der Niederlande-Wahl optimistisch.
Noch weniger Rückenwind spürt in diesem Augenblick Deutschlands Populisten-Partei AfD. Zum einen, weil sie sich gerade verstrickt in Streitigkeiten mit dem eigenen rechtsradikalen Flügel. Zum anderen, weil ihre simplen Scheinrezepte weniger ziehen in einer Konstellation, in welcher der SPD-Mann Martin Schulz die CDU-Kanzlerin Angela Merkel herausfordert und die europäisch eingestellten Hauptparteien des Landes wieder anfangen, mit gegensätzlichen Programmen einen politischen Wettbewerb auszutragen. Es geht um Politik, nicht bloß um Parolen.
Europa reagiert erleichtert auf das Ergebnis der NiederlandeWahl. Doch endgültig besiegt ist damit der Rechtspopulismus noch lange nicht. Innerhalb der Europäischen Union gibt es ja bereits regierende Rechtspopulisten in Polen und Ungarn, die mit autoritärem Druck auf Presse und Justiz liberale europäische Grundwerte missachten und mit ihren Extratouren eine europäische Einigung erschweren. Den Vormarsch der Protestparteien auf dem Kontinent kann die EU am besten dadurch aufhalten, dass sie einig und effektiv den großen Problemen von der Arbeitslosigkeit bis zur Migrationskrise zu Leibe rückt.