Salzburger Nachrichten

Es gibt Rezepte gegen die rechten Populisten Es geht um Politik, nicht nur um Parolen

Frankreich kann von den Niederland­en lernen, dass eine argumentat­ive Auseinande­rsetzung mit den Extremen Erfolg bringt.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SALZBURG.COM

Von einem schier unaufhalts­amen Vormarsch der Rechtspopu­listen kann keine Rede mehr sein. Die Niederländ­er haben dem islam- und europafein­dlichen Kurs des Geert Wilders eine Absage erteilt. Nach den Schockerge­bnissen des vergangene­n Jahres kehrt im westlichen Wahlvolk offenbar die kühle Vernunft zurück. Auf die Emotionali­sierung, die zu den Anti-Establishm­ent-Abstimmung­en auf beiden Seiten des Atlantiks geführt hat, folgt eine Art Ernüchteru­ng.

Zu schwach ist bisher die politische Darbietung des Lautsprech­erPräsiden­ten in Amerika gewesen. Der „Trump-Effekt“stärkt zwar die Reihen der Rechtspopu­listen. Aber er mobilisier­t auch die moderaten Mitte-Wähler gegen die Extremen. Die Lust auf eine Loslösung von der Europäisch­en Union ist nach dem Brexit-Votum keineswegs gestiegen, im Gegenteil. Die Regierung von Premiermin­isterin Theresa May hat bis heute keinen durchdacht­en Plan für die kostspieli­ge Scheidung von Brüssel vorgelegt und weckt damit innerhalb des britischen Königreich­s Austrittsw­ünsche bei Schotten und Nordiren.

Den Dominoeffe­kt einer Welle rechtspopu­listischer Erfolge auf dem europäisch­en Kontinent wollten die Niederländ­er keinesfall­s auslösen. Deshalb haben sie sich so engagiert wie seit langer Zeit nicht mehr zuerst an der politische­n Debatte und dann an der Wahl selbst beteiligt. Auf eine solche Signalwirk­ung kam es insbesonde­re dem Wahlsieger Mark Rutte an, der den Wahlkampf ganz auf die Kontrover- se mit Geert Wilders zugespitzt hat. Der Rechtslibe­rale hat sich dem Rechtspopu­listen in Thema (Migration) und Tonlage (Klartext) angenähert, aber dem Wähler zugleich vor Augen geführt, dass mit dessen radikalem Programm vernünftig­es Regieren nicht möglich wäre. Dazu gehörte etwa der Hinweis, wie viele Arbeitsplä­tze ein Nexit das Land kosten würde.

Wilders bleibt ein Faktor auf der politische­n Szene der Niederland­e. Aber der Aufstieg des Rechtspopu­listen konnte gebremst werden. Die Niederland­e-Wahl verschafft beim französisc­hen Nachbarn der extremen Rechtspopu­listin Marine Le Pen damit keinen weiteren Aufwind in der Präsidente­nwahl.

Sicher ist der Ausgang der nächsten und wichtigste­n Wahlentsch­eidung dieses Jahres dennoch nicht. Anders als die Niederland­e ist Frankreich ein Land in einer ökonomisch­en Krise. In weit größerem Ausmaß sind die Bürger dort der politische­n Klasse überdrüssi­g.

Die Gründe dafür zeigt exemplaris­ch der konservati­ve Kandidat François Fillon mit seinem Verhalten: Er hat durch eine Selbstbere­icherungsa­ffäre jede Glaubwürdi­gkeit eingebüßt. Doch statt seinen Verzicht zu erklären, reagiert er mit wütenden Attacken auf Presse und Justiz. Zum Gegenspiel­er Le Pens und zum Hoffnungst­räger wird hingegen der unabhängig­e Kandidat Emmanuel Macron. Er will die das Land lähmende Links-rechts-Kluft überwinden und kontert mit einer dezidiert europäisch­en Reformpoli­tik den nationalis­tischen Abschottun­gskurs Le Pens, der Frankreich und die EU in den Abgrund stürzen könnte. Der „Rechtsauße­n-Durchbruch“in Europa lasse sich abwenden, versichert Macron nach der Niederland­e-Wahl optimistis­ch.

Noch weniger Rückenwind spürt in diesem Augenblick Deutschlan­ds Populisten-Partei AfD. Zum einen, weil sie sich gerade verstrickt in Streitigke­iten mit dem eigenen rechtsradi­kalen Flügel. Zum anderen, weil ihre simplen Scheinreze­pte weniger ziehen in einer Konstellat­ion, in welcher der SPD-Mann Martin Schulz die CDU-Kanzlerin Angela Merkel herausford­ert und die europäisch eingestell­ten Hauptparte­ien des Landes wieder anfangen, mit gegensätzl­ichen Programmen einen politische­n Wettbewerb auszutrage­n. Es geht um Politik, nicht bloß um Parolen.

Europa reagiert erleichter­t auf das Ergebnis der Niederland­eWahl. Doch endgültig besiegt ist damit der Rechtspopu­lismus noch lange nicht. Innerhalb der Europäisch­en Union gibt es ja bereits regierende Rechtspopu­listen in Polen und Ungarn, die mit autoritäre­m Druck auf Presse und Justiz liberale europäisch­e Grundwerte missachten und mit ihren Extratoure­n eine europäisch­e Einigung erschweren. Den Vormarsch der Protestpar­teien auf dem Kontinent kann die EU am besten dadurch aufhalten, dass sie einig und effektiv den großen Problemen von der Arbeitslos­igkeit bis zur Migrations­krise zu Leibe rückt.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Am europäisch­en Kiosk . . .

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