Österreich rückt nach rechts
Die Wahl in den Niederlanden brachte den Rechtspopulisten nicht den erhofften Erfolg. Ein Grund: Andere Parteien machen inzwischen eine ähnliche Politik. Ganz wie in Österreich.
WIEN. Millionen von Menschen, die unkontrolliert durch das Land strömten. Terrorattacken in Europa. Eine steigende Arbeitslosigkeit, für die auch die starke Zuwanderung verantwortlich ist. Weil die Regierung diese Probleme schönredete, wandten sich in vielen Ländern Europas immer mehr Bürgerinnen und Bürger rechten Parteien zu.
Um diesen Trend zu stoppen, begannen immer mehr Regierungen, rechte Politik zu machen. In den Niederlanden, so sagen Analysten, habe dies dazu beigetragen, dass Geert Wilders bei der Parlamentswahl nicht den Erfolg hatte, den er sich eigentlich erwartet hatte. In Österreich agiert die Regierung ähnlich. In den vergangenen Monaten wurde eine Reihe von Gesetzen beschlossen oder angekündigt, die Österreich nach rechts rücken. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vertritt heute Positionen, für die sein Vorgänger Werner Faymann am 1. Mai des vergangenen Jahres von seinen Genossen noch ausgepfiffen wurde. In der ÖVP geben zunehmend Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka den Ton an. Ob die Mitte-Parteien mit diesem Rechtsruck die FPÖ von Platz eins in der Wählergunst, den sie in Umfragen innehat, verdrängen können, werden die kommenden Nationalratswahlen zeigen. In der Folge die Liste der Gesetzesverschärfungen.
1. Ein härteres Asyl- und Fremdenrecht
Die Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts wurde erst vor Kurzem im Ministerrat beschlossen. Das neue Paket bringt höhere Strafen für Asylmissbrauch. Zentrale Elemente sind härtere Sanktionen für Asylbewerber, die ihre Identität verschleiern. Es ist eine Strafe von bis zu 5000 Euro oder drei Wochen Ersatzhaft vorgesehen. Sollten Asylbewerber keine Dokumente haben, können sie die Identität mittels eines DNA-Tests nachweisen. Für jene, die das Land trotz gültigen Ausreisebescheids nicht verlassen, kann eine Strafe von 5000 bis zu 15.000 Euro bzw. sechs Wochen Ersatzhaft verhängt werden. Auch die Dauer der erlaubten Schubhaft wird verlängert, und zwar von zehn auf 18 Monate. Wenn ein Flüchtling, der Österreich verlassen muss, dieser Aufforderung nicht nachkommt, kann ihm die komplette Grundversorgung gestrichen werden. Weiters kann der Asylstatus von straffällig gewordenen Flüchtlingen schneller aberkannt werden. Arbeitslose Asylberechtigte werden zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet. Dadurch sollen sie besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bezahlt werden sie wie Zivildiener.
2. Schärfere Kontrolle an den Grenzen
Die Reisefreiheit im Schengenraum ohne Grenzkontrollen gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften
Europas. 22 der 28 EU-Staaten gehören Schengen an. Doch seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 ist alles anders. Deutschland hatte im September 2015 als erstes Land Kontrollen an der Grenze Bayerns zu Österreich eingeführt. Staus auf dem Walserberg sind seither Alltag. Es folgten Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen mit eigenen Kontrollen an ihren Grenzen im Schengenraum, in dem zuvor ungehindertes Reisen möglich war.
Zuletzt hat die EU-Kommission die Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengenraum für weitere drei Monate bis Mitte Mai gebilligt. Die Genehmigung gilt für Österreich, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen. Österreich darf weiter an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien kontrollieren, nicht aber auf dem Brenner.
Die Hürden fallen mitunter auch den dafür verantwortlichen Politikern auf den Kopf. So hat Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der heuer einen Privatjetflug auf der Kurzstrecke von Wien nach Budapest rechtfertigen musste, erklärt: Wegen der strengen Grenzkontrollen wäre sich eine Anreise mit dem Auto nicht ausgegangen.
Die Grenzsicherung geht noch weiter. An vielen Grenzstationen wurden bauliche Maßnahmen gegen einen allfälligen neuen Ansturm von Migranten gesetzt. Diese können innerhalb weniger Tage aufgebaut werden.
3. Mehr Geld für Heer und Polizei
Nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise wurde massiv in Polizei und Bundesheer investiert. In den kommenden Jahren werden 1,1 Milliarden Euro zusätzlich für das Innenressort zur Verfügung gestellt. 1500 Polizisten sollen neu aufgenommen werden, die Hälfte davon soll nach sechsmonatiger Ausbildung direkt in den Grenzeinsatz gehen. Dazu kommen 500 Mitarbeiter für das Bundesamt für Fremdenwesen, die für eine rasche Abwicklung der Asylverfahren sorgen sollen.
Das Heer erhält 1,3 Mrd. Euro. Es darf zusätzliches Personal aufnehmen, um seine Kaderpräsenzeinheiten (jenen Teil der Truppe, der direkt in Einsätze geschickt werden kann) von 2200 auf 6000 Mann aufzustocken. Zusätzlich gibt es ein Investitionspaket für Schutzanzüge, gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber
4. Einschränkung des Demonstrationsrechts
„Modernisierung“des 150 Jahre alten Versammlungsrechts oder Eingriff in Grundfreiheiten? Das neue Demonstrationsrecht ist noch nicht beschlossen und koalitionsintern umstritten. Einig ist die Regierung nur im Ziel, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zu unterbinden. Vor allem Innenminister Wolfgang Sobotka drängt darüber hinaus auf wegen „der heutigen politischen Situation äußerst notwendige“ Verschärfungen. Er verwies wiederholt auf Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden bei Demonstrationen im Vorjahr. Diese hätten gezeigt, dass rechtzeitige Anmeldung – 72 Stunden vor Beginn – und die Einrichtung von Schutzzonen „absolut erforderlich“seien. Per Verordnung sollen bestimmte Straßen und Plätze für Demonstrationen – befristet – tabu sein. „Spaßkundgebungen“sollen nicht mehr unter das Versammlungsrecht fallen. Zwischen zwei Demos – also etwa Demonstranten und Gegendemonstranten – soll es einen „Sicherheitsabstand“geben.
5. Kürzen bei der Mindestsicherung
Die Mindestsicherung wurde in vielen Bundesländern neu geregelt. Vorreiter waren Oberösterreich und Niederösterreich. Im Land ob der Enns gibt es seit 1. Juli 2016 für anerkannte Flüchtlinge nur mehr 365 Euro Mindestsicherung plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 Euro. In Summe 520 Euro statt wie bisher mehr als 900 Euro. In Niederösterreich wurde die Mindestsicherung zu Jahresbeginn bei 1500 Euro pro Haushaltsbzw. Wohngemeinschaft gedeckelt. Ausnahmen gibt es für Personen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder dauernd arbeitsunfähig sind. Für den vollen Anspruch auf Mindestsicherung gibt es zudem eine Wartefrist. Neu eingeführt wurde eine „BMS light“für Personen, die in den vergangenen sechs Jahren weniger als fünf Jahre ihren Hauptwohnsitz bzw. rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich hatten: Sie beträgt inklusive Integrationsbonus 572,50 Euro.
6. Und dann: „Austria first“
Um die Arbeitslosigkeit zu senken, will die Regierung die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit enger definieren. Beim Arbeitsmarktservice gemeldete Personen ohne Beschäftigung sollen bei der Jobsuche bevorzugt werden. Dafür wurde der sogenannte Beschäftigungsbonus erfunden. Firmen, die einen neuen Arbeitsplatz schaffen und ihn mit einem Arbeitslosen bzw. einer Person, die ihre Ausbildung gerade abgeschlossen hat, besetzen, bekommen für drei Jahre die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte ersetzt. Das Geld gibt es ausdrücklich nicht für Menschen, die gerade neu auf den österreichischen Arbeitsmarkt drängen. Zwei Milliarden Euro will die Regierung für den Beschäftigungsbonus ausgeben. Dies auch, weil die hohe Arbeitslosigkeit zu einem großen Teil durch die Zuwanderung von Arbeitskräften aus anderen EU-Staaten befeuert wird. So hat das Sozialministerium Zahlen veröffentlicht, die zeigen, dass seit dem Jahr 2011 genauso viele Arbeitsplätze neu geschaffen wurden, wie Bürger aus anderen Staaten der Europäischen Union nach Österreich zugewandert sind.
7. Strengeres Strafrecht, mehr Überwachung
Die steigende Kriminalität führt zu Verschärfungen im Strafrecht. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Anzeigen um 3,8 Prozent auf insgesamt 537.792 gestiegen. 50,9 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen waren Fremde (2015: 49,1 Prozent). Die Zahl der Anzeigen gegen Asylbewerber stieg von 6494 auf 9441 (+45,3 Prozent). Insgesamt sind 8,6 Prozent der registrierten Beschuldigten Asylbewerber, was einem Vielfachen ihres Anteils an der Bevölkerung entspricht.
In Wien stieg die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen um 8,5 Prozent auf 343 Taten. Von Jänner bis September 2016 wurden in ganz Österreich bei 677 Vergewaltigungen 594 Verdächtige ausgeforscht, davon 91 Asylbewerber, also fast ein Sechstel. Zuletzt verschärfte die Regierung das Sexualstrafrecht, so sind seit 1. Jänner 2016 auch „körperliche Belästigungen im Bereich der sexuellen Sphäre“– Stichwort Köln – strafbar.
Härter will die Regierung auch gegen „Staatsverweigerer“vorgehen. Außerdem wird nach ihren Plänen die Überwachung verstärkt. So sollen Personen, die mit Terroristen sympathisieren, eine Fußfessel tragen müssen, falls es die Justiz anordnet. Käufer von Wertkartenhandys sollen sich künftig ausweisen müssen. Die Polizei wird vermehrt Zugriff auf Überwachungsanlagen bekommen.