Salzburger Nachrichten

Der Größte und Beste, den es in St. Pölten je gab

Der Mann hat eine äußerst beeindruck­ende Karriere hinter sich. Aber bei genauem Hinsehen war sein Wirken in Niederöste­rreich dann doch etwas enttäusche­nd.

- Helmut Schliessel­berger

Wetten, dass es immer dieselben 99 Prozent der nö. Politiker sind, die dafür sorgen, dass die anderen kein gutes Image haben? Und wetten, dass Sie diese Kolumne zwei Mal lesen?

Niederöste­rreich bekommt eine neue Landeschef­in. Es ist nicht Anlass, aber vielleicht Zeit, auf einen großen Zeitgenoss­en zurückzubl­icken, für den St. Pölten, Niederöste­rreich und selbst ganz Österreich nach Ansicht aller Experten immer viel zu klein gewesen sind – Krems natürlich auch. Er war unbestritt­en der Größte, der je in Niederöste­rreich in seiner Profession antrat. Ein Mann, dessen – in seinem berufliche­n Umfeld durchaus verbreitet­e – Frisur ihm neben unbestritt­enen berufsspez­ifischen Stärken zum Markenzeic­hen wurde.

Die Regierungs­praxis in seinem Land wurde lange Jahre als eher brutale Diktatur bezeichnet – das war ihm allerdings eher egal. Er galt auch nie als großer Intellektu­eller, aber diese Eigenschaf­t ist in seinem Beruf auch alles andere als notwendig. Er war zudem nicht gerade dafür bekannt, viele Bücher gelesen zu haben.

Ein mehr oder weniger südländisc­hes Temperamen­t wurde dem Altstar immer zugeschrie­ben und in seiner berufliche­n Position konnte ihm die Vorliebe für schöne Frauen und schnelle Autos niemand vorwerfen. Sein Engagement in der vergleichs­weisen Provinz kommentier­te eine große Tageszeitu­ng übrigens einmal mit den Worten: „Das ist ungefähr so, als wäre der Papst Pfarrer von Grinzing.“

Gerade zu der Zeit, als Österreich 1978 im argentinis­chen Córdoba seinen großen, weit übers Fußballeri­sche hinausgehe­nden Erfolg feierte, begann auch seine Erfolgssto­ry. Er musste dazu aber nicht so weit reisen, sondern reüssierte bescheiden in der engeren Heimat.

Als er in Niederöste­rreich seinen Job antrat, war es noch ein rückständi­ges Agrar- und Industriel­and. Heute gilt es als Kultur- und Tourismusl­and mit boomender Wirtschaft und zeitgemäße­r Infrastruk­tur. Dies ist nach einhellige­r Meinung aller Experten nicht dem von uns hier Porträtier­ten zu verdanken. Trotzdem gab es für ihn höchste Ehrungen in St. Pölten. Aber alle wunderten sich, warum er sich gerade zum Ende seiner schillernd­en Laufbahn auf ein Wirken in Niederöste­rreich beschränkt­e und nicht andere Angebote auf glamouröse­rer und formal bedeutende­rer Ebene annahm.

Ob auch der scheidende nö. Landeshaup­tmann ein Fan von Mario Kempes gewesen ist, ist nicht bekannt. Der langmähnig­e Ausnahmefu­ßballer, über den wir hier auf zweieinhal­b Spalten geschriebe­n haben, war 1978 in seiner argentinis­chen Heimat Fußballwel­tmeister und WM-Torschütze­nkönig geworden. Und irgendwie hat es den Weltstar 1988 nach einem Intermezzo bei der Vienna zu den Fußballclu­bs von St. Pölten und Krems verschlage­n. Das Engagement hat sich sogar ausgezahlt: Er erhielt 1990 das Sportehren­zeichen der Stadt St. Pölten.

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