Salzburger Nachrichten

Komplize einer Mörder-Miliz?

Seit zwölf Jahren ermittelt ein UNO-Tribunal im Mordfall des ehemaligen libanesisc­hen Premiers Rafik Hariri. Hilft es dabei der Hisbollah-Miliz, Skandale zu vertuschen, um sich die Arbeit zu erleichter­n?

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Selbst für Syriens blutigen Bürgerkrie­g war es ein skandalöse­r Mord: Als Mustafa Badreddin, der Befehlshab­er Tausender libanesisc­her Hisbollah-Kämpfer in Syrien, in der Nacht zum 13. Mai 2016 einen Hangar am internatio­nalen Flughafen in Damaskus betrat, ahnte er wahrschein­lich nicht, dass er wenige Minuten später tot sein würde. Schließlic­h kam er mit Leibwächte­r und traf sich mit seinem Vorgesetzt­en, General Kassem Suleimani, dem Kommandant­en der iranischen Quds-Brigaden und Oberbefehl­shaber aller regimefreu­ndlichen Truppen in Syrien.

Dabei war auch der Mörder: Ibrahim Hussein Jezzini – persönlich­er Leibwächte­r von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah. Badreddin wurde Opfer eines Verrats. Nasrallah ließ den Mann, den er selbst nach Syrien entsandt hatte, um Präsident Baschar al-Assad zu retten, ermorden.

Als wäre dies nicht Skandal genug, scheint es nun so, als ob die Vereinten Nationen der schiitisch­en Terrororga­nisation dabei helfen, den Verrat in ihren Reihen zu vertuschen. Badreddin war als Befehlshab­er Tausender HisbollahK­ämpfer nicht nur an Kriegsverb­rechen beteiligt. Der Sprengstof­fexperte war auch ein internatio­nal gesuchter Mörder: Nachdem der ehemalige libanesisc­he Premier Rafik Hariri im Februar 2005 mit einer Autobombe in Beirut getötet worden war, richtete die UNO ein Sondertrib­unal für den Libanon (STL) ein, um den Mord aufzukläre­n. Das STL stellte fest, dass Badreddin die Terrorzell­e befehligte, die Hariri ermordete. Die Nachricht vom Tod Badreddins stellte das STL und die Hisbollah vor ein Dilemma.

Die Hisbollah wollte, dass die politisch höchst schädliche­n Ermittlung­en gegen ihre Führungsri­ege eingestell­t werden. Dafür brauchte das STL aber Beweise, dass Badreddin tot ist. Man brauchte eine Sterbeurku­nde, nur ohne die wahre Todesursac­he. Die Hisbollah hatte behauptet, Badreddin sei Opfer eines Raketenang­riffs von Dschihadis­ten geworden. Zu groß wäre der Aufruhr, käme heraus, dass Nasrallah seinen eigenen General ermorden ließ, weil dessen Kritik an der Kriegsführ­ung zu unbequem geworden war. Nasrallahs Leibarzt Mahdi Khalil al-Daghar erhielt die Aufgabe, einen irreführen­den Totenschei­n auszustell­en. Es soll nicht das einzige Mal gewesen sein, dass der „Arzt für besondere Aufgaben“die Liquidieru­ng politisch unbequemer Generäle vertuschte: Mehr als zehn Kommandant­en sollen so beseitigt worden sein.

Das STL spielte dabei anscheinen­d mit. Es erklärte Badreddin später offiziell für tot. In öffentlich­en Urkunden findet sich aber kein Totenschei­n. Auf SN-Anfrage teilte die Sprecherin des STL mit, die Verteidige­r Badreddins hätten eine Sterbeurku­nde in einem „geheimen angehängte­n Schreiben“eingereich­t. Deswegen könne sie nicht bestätigen, welcher Arzt sie unterschri­eben habe und was die Todesursac­he sei. Die Urkunde sei für den Entscheid der Richter vom 11. Juli 2016, Badreddin sei tot, nicht ausschlagg­ebend gewesen. Sie hätten sich auf andere Indizien gestützt.

Was die Frage aufwirft: Gab es einen geheimen Deal zwischen dem STL und der Hisbollah? Es wäre ein bequemer Weg gewesen, die Fahndung nach Badreddin zu beenden, ohne die Machenscha­ften des Todesarzte­s der Miliz aufdecken zu müssen.

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