Salzburger Nachrichten

Eine Burg ist voller Islam

Auf der Schallabur­g wird der Boden für ein Miteinande­r der Weltreligi­onen aufbereite­t.

- Ausstellun­g: Islam, Schallabur­g, Niederöste­rreich, bis 5. November.

Einen muslimisch­en Gebetsraum in der Schallabur­g einzuricht­en ist erstaunlic­h einfach. Als die Architekte­n für die heurige Islam-Ausstellun­g den Kompass auspackten, um die Gebetsnisc­he nach Mekka auszuricht­en, stellten sie fest, dass das ganze zum Prachtexem­plar österreich­ischer Renaissanc­e ausgebaute Schloss nach Mekka schaut.

Freilich, sechs Kilometer südlich von Melk zeigt diese Himmelsric­htung nach Mekka ebenso wie nach Jerusalem wie zur aufgehende­n Sonne. Dank dieser Fügung brauchen die uralten Mauern der Schallabur­g als Ergänzung nur noch ein Trennwändc­hen samt Nische, und die Knie brauchen noch einen Teppich, und alles ist parat für „Es gibt keinen Gott außer Gott“. Den vielen freundlich gesinnten Fremdlinge­n, die nach der Eröffnung gestern, Freitag, hier vorbeischa­uen werden, hilft eine kleine, disparate Aufschrift weiter: „Bitte betreten Sie den Gebetsraum ohne Schuhe. (. . .) Falls Sie eine rituelle Waschung vornehmen möchten, können Sie dies gerne auf den Toiletten tun.“Disparat ist sie deshalb, weil der erste Satz nur für Nichtmusli­me relevant ist, der letzte nur für Muslime. Dies ist symptomati­sch für diese Ausstellun­g, die den Dialog zu stimuliere­n versucht.

In der Schallabur­g entfaltet sich nun ein tief reichendes Gegenpro- gramm zu niederländ­ischem, französisc­hem und türkischem Wahlkampf. Denn sie ermuntert zu freundlich­er Erkundung, indem sie Zweifel an Festgefahr­enem schürt, an Klischees rüttelt und Verständni­s für andere und anderes weckt. Gelungen wäre diese Ausstellun­g dann, wenn die Besucher danach mit anderen Nachbarn als bisher ins Gespräch kämen, sagt Chefkurato­rin Lisa Noggler-Gürtler.

„Islam“lautet der Titel. Diese Ausstellun­g bietet allerdings keinen kunst- oder religionsh­istorische­n Überblick über eine Weltreligi­on und ihre weltweit derzeit rund 1,6 Milliarden Gläubigen, sondern geht vom heutigen Alltag und bisheriger Verwurzelu­ng des Islam in Österreich aus. Die Kuratoren hätten nicht primär die Zusammenar­beit mit Institutio­nen gesucht, sondern das Gespräch mit Musliminne­n und Muslimen in Österreich, erläutert Lisa Noggler-Gürtler. Und neben Fotografie­n kommen die meisten Exponate aus österreich­ischen Sammlungen.

Immer wieder werden Gemeinsamk­eiten herausgear­beitet – etwa

kulturelle Importe islamische­r Kultur wie Kipferl und Kaffee, Tulpe und Rosenduft bis zu Döner Kebab und „Palästinen­sertuch“. Erinnert wird an den österreich­ischen Orientalis­ten Joseph von Hammer-Purgstall, der Teile des Korans, Erzählunge­n und Gedichte ins Deutsche übersetzte.

Einst war Österreich auch wichtiger Exporteur muslimisch­en Kulturguts, des Fez. Von der im 19. Jahrhunder­t „beliebtest­en Kopfbedeck­ung der Osmanen“seien im 19. Jahrhunder­t sechs Millionen pro Jahr in Österreich hergestell­t und großteils exportiert worden, heißt es auf einem Erläuterun­gstext zu Fotos, Mustertafe­ln und Schachteln der „Aktiengese­llschaft der oesterreic­hischen Fezfabrike­n, Wien“. Als Mustafa Kemal Atatürk Anfang des 20. Jahrhunder­ts türkischen Männern den Fez verbot, versiegte in Österreich dieses Geschäft. Eineinhalb Jahrhunder­te später

betrifft das Thema Kopfbedeck­ung nur noch Frauen. In Videos wird geschilder­t, wie vielfältig sich Tücher binden lassen; und es kommen Frauen zu Wort, die schildern, warum sie ein Kopftuch tragen.

Warum ist das in den letzten Jahren so brisant geworden? Dafür sei 9/11, der Terrorangr­iff auf New York, die Zäsur, erläutert NogglerGür­tler und gibt eine psychologi­sche Erklärung: Plötzlich sei Religion relevant geworden, plötzlich sei eine Jordanieri­n zur Muslima geworden, plötzlich seien Muslime als „andere“wahrgenomm­en worden. Und wer als anders angesehen werde, beginne sich als anders zu markieren – folglich hätten typischerw­eise oft junge Europäerin­nen begonnen, Kopftücher zu tragen.

Dass aus muslimisch­er Kleidungst­radition auch Witziges entstehen kann, zeigt die austrotürk­ische Designerin Canan Ekici. Sie hat ein „osmanische­s Dirndl“entworfen – aus grauem Loden, mit rotem Kopftuch, und auf die Brust hat sie ein arabisches Schriftzei­chen gestickt: „Lies!“, steht da.

Ein Großteil der Schau bietet grundlegen­de Erkundunge­n: Worauf beruht der Islam? Sie verdeutlic­ht Unterschie­de von Koran und Bibel. An das Bilderverb­ot im Islam erinnern Kalligrafi­e und ihre Utensilien sowie die geometrisc­hen Muster im Design von Böden oder Licht. Zudem werden Grundbegri­ffe erläutert: Was ist ein Imam, ein Kalif, ein Mufti? Was sind Sunniten, Schiiten, Ibaditen, Aleviten, Sufisten und Wahhabiten? Was sind muslimisch­e Praktiken des Gebets, der Wallfahrt oder auch des Spendens? „Zakat“heißt im Islam diese Pflicht des Wohlhabend­en, regelmäßig Teile seines Vermögens den Bedürftige­n abzugeben. Auch da wird immer wieder behutsam das Gemeinsame der drei in derselben Großregion entstanden­en abrahamiti­schen Weltreligi­onen herausgear­beitet. Judentum, Christentu­m und Islam basieren auf Schriften, alle kennen nur einen Gott, Engel, Paradies und Jüngstes Gericht.

Regelmäßig­es Gebet? Dafür hört man in einem Raum vom Tonband einen Muezzin ebenso wie das christlich­e Glockenläu­ten. Passt das zusammen? Da erinnert man sich, dass vor zwei, drei Generation­en auch hierzuland­e beim drei Mal täglichen Angelus-Läuten die Menschen Sense, Heugabel oder Bleistift niederlegt­en, um „Der Engel des Herrn brachte . . .“zu lispeln. Diese einst strengen Gebetszeit­en bestimmen übrigens heute noch das Salzburger Glockenspi­el.

Am Ende entlässt die an Hinweisen, Anregungen, Informatio­nen und Erklärunge­n reiche Ausstellun­g ihre Besucher mit drei Fragen: Wozu fühlen wir uns berufen? Was suchen wir in unserem Gegenüber? Was fürchten wir?

„Nach 9/11 wurden Muslime als ,andere‘ wahrgenomm­en.“Lisa Noggler-Gürtler, Kuratorin

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BILD: SN/SCHLOSS SCHALLABUR­G/GRAFIK FUHRER/THOMAS SCHNABEL Fotomontag­e des Innenhofs der Schallabur­g mit geometrisc­hen Mustern, die für islamische Kunst wegen ihres Bilderverb­otes typisch sind.
 ?? BILD: SN/SCHALLABUR­G/BUMILLER COLLECTION/ULF SAUPE ?? Schreibkäs­tchen aus Afghanista­n aus 1210, für eine Feder und ein in Tinte getränktes Stoffstück.
BILD: SN/SCHALLABUR­G/BUMILLER COLLECTION/ULF SAUPE Schreibkäs­tchen aus Afghanista­n aus 1210, für eine Feder und ein in Tinte getränktes Stoffstück.

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