Eine Burg ist voller Islam
Auf der Schallaburg wird der Boden für ein Miteinander der Weltreligionen aufbereitet.
Einen muslimischen Gebetsraum in der Schallaburg einzurichten ist erstaunlich einfach. Als die Architekten für die heurige Islam-Ausstellung den Kompass auspackten, um die Gebetsnische nach Mekka auszurichten, stellten sie fest, dass das ganze zum Prachtexemplar österreichischer Renaissance ausgebaute Schloss nach Mekka schaut.
Freilich, sechs Kilometer südlich von Melk zeigt diese Himmelsrichtung nach Mekka ebenso wie nach Jerusalem wie zur aufgehenden Sonne. Dank dieser Fügung brauchen die uralten Mauern der Schallaburg als Ergänzung nur noch ein Trennwändchen samt Nische, und die Knie brauchen noch einen Teppich, und alles ist parat für „Es gibt keinen Gott außer Gott“. Den vielen freundlich gesinnten Fremdlingen, die nach der Eröffnung gestern, Freitag, hier vorbeischauen werden, hilft eine kleine, disparate Aufschrift weiter: „Bitte betreten Sie den Gebetsraum ohne Schuhe. (. . .) Falls Sie eine rituelle Waschung vornehmen möchten, können Sie dies gerne auf den Toiletten tun.“Disparat ist sie deshalb, weil der erste Satz nur für Nichtmuslime relevant ist, der letzte nur für Muslime. Dies ist symptomatisch für diese Ausstellung, die den Dialog zu stimulieren versucht.
In der Schallaburg entfaltet sich nun ein tief reichendes Gegenpro- gramm zu niederländischem, französischem und türkischem Wahlkampf. Denn sie ermuntert zu freundlicher Erkundung, indem sie Zweifel an Festgefahrenem schürt, an Klischees rüttelt und Verständnis für andere und anderes weckt. Gelungen wäre diese Ausstellung dann, wenn die Besucher danach mit anderen Nachbarn als bisher ins Gespräch kämen, sagt Chefkuratorin Lisa Noggler-Gürtler.
„Islam“lautet der Titel. Diese Ausstellung bietet allerdings keinen kunst- oder religionshistorischen Überblick über eine Weltreligion und ihre weltweit derzeit rund 1,6 Milliarden Gläubigen, sondern geht vom heutigen Alltag und bisheriger Verwurzelung des Islam in Österreich aus. Die Kuratoren hätten nicht primär die Zusammenarbeit mit Institutionen gesucht, sondern das Gespräch mit Musliminnen und Muslimen in Österreich, erläutert Lisa Noggler-Gürtler. Und neben Fotografien kommen die meisten Exponate aus österreichischen Sammlungen.
Immer wieder werden Gemeinsamkeiten herausgearbeitet – etwa
kulturelle Importe islamischer Kultur wie Kipferl und Kaffee, Tulpe und Rosenduft bis zu Döner Kebab und „Palästinensertuch“. Erinnert wird an den österreichischen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, der Teile des Korans, Erzählungen und Gedichte ins Deutsche übersetzte.
Einst war Österreich auch wichtiger Exporteur muslimischen Kulturguts, des Fez. Von der im 19. Jahrhundert „beliebtesten Kopfbedeckung der Osmanen“seien im 19. Jahrhundert sechs Millionen pro Jahr in Österreich hergestellt und großteils exportiert worden, heißt es auf einem Erläuterungstext zu Fotos, Mustertafeln und Schachteln der „Aktiengesellschaft der oesterreichischen Fezfabriken, Wien“. Als Mustafa Kemal Atatürk Anfang des 20. Jahrhunderts türkischen Männern den Fez verbot, versiegte in Österreich dieses Geschäft. Eineinhalb Jahrhunderte später
betrifft das Thema Kopfbedeckung nur noch Frauen. In Videos wird geschildert, wie vielfältig sich Tücher binden lassen; und es kommen Frauen zu Wort, die schildern, warum sie ein Kopftuch tragen.
Warum ist das in den letzten Jahren so brisant geworden? Dafür sei 9/11, der Terrorangriff auf New York, die Zäsur, erläutert NogglerGürtler und gibt eine psychologische Erklärung: Plötzlich sei Religion relevant geworden, plötzlich sei eine Jordanierin zur Muslima geworden, plötzlich seien Muslime als „andere“wahrgenommen worden. Und wer als anders angesehen werde, beginne sich als anders zu markieren – folglich hätten typischerweise oft junge Europäerinnen begonnen, Kopftücher zu tragen.
Dass aus muslimischer Kleidungstradition auch Witziges entstehen kann, zeigt die austrotürkische Designerin Canan Ekici. Sie hat ein „osmanisches Dirndl“entworfen – aus grauem Loden, mit rotem Kopftuch, und auf die Brust hat sie ein arabisches Schriftzeichen gestickt: „Lies!“, steht da.
Ein Großteil der Schau bietet grundlegende Erkundungen: Worauf beruht der Islam? Sie verdeutlicht Unterschiede von Koran und Bibel. An das Bilderverbot im Islam erinnern Kalligrafie und ihre Utensilien sowie die geometrischen Muster im Design von Böden oder Licht. Zudem werden Grundbegriffe erläutert: Was ist ein Imam, ein Kalif, ein Mufti? Was sind Sunniten, Schiiten, Ibaditen, Aleviten, Sufisten und Wahhabiten? Was sind muslimische Praktiken des Gebets, der Wallfahrt oder auch des Spendens? „Zakat“heißt im Islam diese Pflicht des Wohlhabenden, regelmäßig Teile seines Vermögens den Bedürftigen abzugeben. Auch da wird immer wieder behutsam das Gemeinsame der drei in derselben Großregion entstandenen abrahamitischen Weltreligionen herausgearbeitet. Judentum, Christentum und Islam basieren auf Schriften, alle kennen nur einen Gott, Engel, Paradies und Jüngstes Gericht.
Regelmäßiges Gebet? Dafür hört man in einem Raum vom Tonband einen Muezzin ebenso wie das christliche Glockenläuten. Passt das zusammen? Da erinnert man sich, dass vor zwei, drei Generationen auch hierzulande beim drei Mal täglichen Angelus-Läuten die Menschen Sense, Heugabel oder Bleistift niederlegten, um „Der Engel des Herrn brachte . . .“zu lispeln. Diese einst strengen Gebetszeiten bestimmen übrigens heute noch das Salzburger Glockenspiel.
Am Ende entlässt die an Hinweisen, Anregungen, Informationen und Erklärungen reiche Ausstellung ihre Besucher mit drei Fragen: Wozu fühlen wir uns berufen? Was suchen wir in unserem Gegenüber? Was fürchten wir?
„Nach 9/11 wurden Muslime als ,andere‘ wahrgenommen.“Lisa Noggler-Gürtler, Kuratorin