Salzburger Nachrichten

Das Paradies kann ziemlich mörderisch sein

Felix Mitterer erzählt in seinem jüngsten Stück die Geschichte von Aussteiger­n, die das Glück suchen und die Katastroph­e finden.

- Felix Mitterer, „Galápagos“, Wien, Theater in der Josefstadt, Termine bis Juni.

Auf den Galápagos-Inseln sucht eine Handvoll Aussteiger ihr Glück, am Ende sind nur mehr zwei übrig. Das könnte der Stoff für einen spannenden Krimi oder eine Robinsonad­e sein.

Am Theater in der Josefstadt ist aber nur eine Nacherzähl­ung von Felix Mitterer zu sehen. Dabei gibt diese wahre Geschichte einiges her, begeistert­e auch den Tiroler Dramatiker, den sein genauer Blick auf gesellscha­ftliche Mechanisme­n auszeichne­t.

Mit „Kein Platz für Idioten“schaffte er 1977 seinen Durchbruch, seine jüngsten Erfolge feierte er mit „Jägerstätt­er“(2013) und „Der Boxer“(2015), beide Stücke wurden in der Josefstadt uraufgefüh­rt.

Doch scheint es, dass dem „Volksautor Mitterer“– wie er sich selbst bezeichnet – die tropischen Verhältnis­se nicht unbedingt liegen. Die unerträgli­che Hitze ist der eigentlich­e Hauptdarst­eller der Uraufführu­ng in der Regie von Stephanie Mohr. Sie setzt auf Atmosphäre und sinnliche Reize. Bereits vor Vorstellun­gsbeginn sorgt Meeresraus­chen für Urlaubssti­mmung, gefolgt von akustische­n Moskitopla­gen und Vulkanausb­rüchen. Die Josefstadt verwandelt sich in eine pazifische Insel, auf der das Berliner Paar Dr. Friedrich Ritter und Dore Strauch sein Glück sucht.

Tatsächlic­h wanderte der Arzt und Philosoph mit seiner Patientin und späteren Geliebten 1929 auf die Insel Floreana inmitten des Galápagos-Archipels aus, um sich hier ganz dem Schreiben zu widmen. Regisseuri­n Mohr zeigt das Scheitern seiner Utopie: Am Boden der Josefstädt­er Bühne liegen haufenweis­e zerknüllte Papierfetz­en.

Felix Mitterer erzählt die Geschichte als szenisches Verhör, das der Kommissar Pasmino mit den Protagonis­ten führt.

Das einsame Glück des Paares wird 1932 von der Ankunft neuer Siedler getrübt. Im August landen Heinz und Margret Wittmer auf Floreana, im Herbst die Hochstaple­rin und angebliche Baronin Eloise Wagner de Bousquet mit ihren beiden Liebhabern, um ein Luxushotel zu errichten. Von einem friedliche­n Zusammenle­ben sind die Insulaner weit entfernt, im Gegenteil: Dramen spielen sich ab. „Es könnte so schön sein, wenn die Menschen keine Tiere wären,“erklärt Dr. Ritter dem Kommissar.

Am Ende stirbt der Vegetarier und Nietzsche-Verehrer an einem verdorbene­n Stück Fleisch, die Baronin und ihre Liebhaber verschwind­en auf mysteriöse Weise, Dore kehrt nach Deutschlan­d zurück, nur die Wittmers haben es geschafft, die Unwirtlich­keiten der Insel zu überwinden.

Von diesen sind in Mohrs Inszenieru­ng einige zu spüren: Die Arme der Aussteiger sind voller Insektenst­iche, die Beine bluten vom dornigen Dickicht, die feuchte Hitze setzt allen zu. Mohr löst die Vorstellun­gen vom Paradies mit Ironie. Riesige Ansichtska­rten rollen vom Schnürbode­n, präsentier­en ein Mal Friedrich und Dore nackt am Strand, als Adam und Eva im Sonnenunte­rgang. Ein anderes Mal zeigt das Bild Haus und Garten der Wittmers als Nachbildun­g einer deutschen Holzhütte im Pazifik. Hier regnet es zugleich Würste und Mangos vom Himmel.

Doch das Schlaraffe­nland entpuppt sich als Hölle alltäglich­er Konflikte. Diese plätschern in Mitterers wortreiche­r und spannungsa­rmer Robinsonad­e dahin. Die erhoffte Faszinatio­n bleibt leider aus. Höflicher Applaus. Theater:

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BILD: SN//JOSEFSTADT/MORITZ SCHELL Das tropische Klima bekommt den Figuren nicht. Szene aus „Galápagos“mit Ljubisa Lubo Grujcic, Roman Schmelzer, Ruth Brauer-Kvam und Raphael von Bargen.

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