Das Paradies kann ziemlich mörderisch sein
Felix Mitterer erzählt in seinem jüngsten Stück die Geschichte von Aussteigern, die das Glück suchen und die Katastrophe finden.
Auf den Galápagos-Inseln sucht eine Handvoll Aussteiger ihr Glück, am Ende sind nur mehr zwei übrig. Das könnte der Stoff für einen spannenden Krimi oder eine Robinsonade sein.
Am Theater in der Josefstadt ist aber nur eine Nacherzählung von Felix Mitterer zu sehen. Dabei gibt diese wahre Geschichte einiges her, begeisterte auch den Tiroler Dramatiker, den sein genauer Blick auf gesellschaftliche Mechanismen auszeichnet.
Mit „Kein Platz für Idioten“schaffte er 1977 seinen Durchbruch, seine jüngsten Erfolge feierte er mit „Jägerstätter“(2013) und „Der Boxer“(2015), beide Stücke wurden in der Josefstadt uraufgeführt.
Doch scheint es, dass dem „Volksautor Mitterer“– wie er sich selbst bezeichnet – die tropischen Verhältnisse nicht unbedingt liegen. Die unerträgliche Hitze ist der eigentliche Hauptdarsteller der Uraufführung in der Regie von Stephanie Mohr. Sie setzt auf Atmosphäre und sinnliche Reize. Bereits vor Vorstellungsbeginn sorgt Meeresrauschen für Urlaubsstimmung, gefolgt von akustischen Moskitoplagen und Vulkanausbrüchen. Die Josefstadt verwandelt sich in eine pazifische Insel, auf der das Berliner Paar Dr. Friedrich Ritter und Dore Strauch sein Glück sucht.
Tatsächlich wanderte der Arzt und Philosoph mit seiner Patientin und späteren Geliebten 1929 auf die Insel Floreana inmitten des Galápagos-Archipels aus, um sich hier ganz dem Schreiben zu widmen. Regisseurin Mohr zeigt das Scheitern seiner Utopie: Am Boden der Josefstädter Bühne liegen haufenweise zerknüllte Papierfetzen.
Felix Mitterer erzählt die Geschichte als szenisches Verhör, das der Kommissar Pasmino mit den Protagonisten führt.
Das einsame Glück des Paares wird 1932 von der Ankunft neuer Siedler getrübt. Im August landen Heinz und Margret Wittmer auf Floreana, im Herbst die Hochstaplerin und angebliche Baronin Eloise Wagner de Bousquet mit ihren beiden Liebhabern, um ein Luxushotel zu errichten. Von einem friedlichen Zusammenleben sind die Insulaner weit entfernt, im Gegenteil: Dramen spielen sich ab. „Es könnte so schön sein, wenn die Menschen keine Tiere wären,“erklärt Dr. Ritter dem Kommissar.
Am Ende stirbt der Vegetarier und Nietzsche-Verehrer an einem verdorbenen Stück Fleisch, die Baronin und ihre Liebhaber verschwinden auf mysteriöse Weise, Dore kehrt nach Deutschland zurück, nur die Wittmers haben es geschafft, die Unwirtlichkeiten der Insel zu überwinden.
Von diesen sind in Mohrs Inszenierung einige zu spüren: Die Arme der Aussteiger sind voller Insektenstiche, die Beine bluten vom dornigen Dickicht, die feuchte Hitze setzt allen zu. Mohr löst die Vorstellungen vom Paradies mit Ironie. Riesige Ansichtskarten rollen vom Schnürboden, präsentieren ein Mal Friedrich und Dore nackt am Strand, als Adam und Eva im Sonnenuntergang. Ein anderes Mal zeigt das Bild Haus und Garten der Wittmers als Nachbildung einer deutschen Holzhütte im Pazifik. Hier regnet es zugleich Würste und Mangos vom Himmel.
Doch das Schlaraffenland entpuppt sich als Hölle alltäglicher Konflikte. Diese plätschern in Mitterers wortreicher und spannungsarmer Robinsonade dahin. Die erhoffte Faszination bleibt leider aus. Höflicher Applaus. Theater: