Sehnsucht und Hoffnung
„Lohengrin“steht als zweite szenische Produktion der Osterfestspiele auf dem Programm, jedoch nicht die Oper von Richard Wagner, sondern die Kammeroper von Salvatore Sciarrino.
Dieser „Lohengrin“ist eine ganz andere Erzählung als jene, die man aus der gleichnamigen Oper von Richard Wagner kennt. Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino hat 1982/1984 eine Kammeroper mit demselben Titel geschrieben, die sich jedoch nicht auf Wagners Überlieferung des Lohengrin-Stoffs bezieht, sondern auf eine Vorlage des symbolistischen Dichters Jules Laforgue (1860–1887). Sciarrino entfernt sich wiederum von diesem Text, indem er ihn aus seiner zeitlichen Verbundenheit mit dem Fin de Siècle herauslöst und in eine Art Zeitlosigkeit transferiert.
„Unsichtbare Handlung für Solistin, Instrumente und Stimmen“, bezeichnet Sciarrino sein Werk im Untertitel. Und in der Tat entwickelt sich die Handlung oder gar eine ganze Welt „aus dem Geiste der Stimme“der Hauptfigur Elsa, wie der Komponist erläutert. „Ihr Mund ist das Zentrum, in welchem wir sitzen. Die Struktur der Oper wird von Elsa selbst entwickelt.“
Auch in diesem „Lohengrin“wird beziehungsweise wurde Elsa von Lohengrin verlassen, jedoch deshalb, weil sie ihm nicht gefiel, und nicht – wie bei Wagner –, weil sie ihm die verbotene Frage nach seinem Namen gestellt hatte. Aber sollen wir diese Erklärung Elsas glauben, ist dies tatsächlich geschehen? Oder existiert diese Vergangenheit nur in ihrer Fantasie? Voller Sehnsucht und Hoffnung hält Elsa Zwiesprache mit sich selbst sowie mit dem abwesenden Lohengrin.
Für Michael Sturminger, einen der renommiertesten österreichischen Regisseure und Autoren, der dieses intime, intensive Werk bei den Osterfestspielen inszeniert, erschafft Elsa für sich „eine Fantasie oder noch eher eine Projektion. Es ist ihr Versuch, ihre Wirklichkeit zu bündeln, ihr Versuch, ihren Zustand irgendwo herzuleiten. Und dieser leitet sich möglicherweise von einer Mischung aus Sehnsucht, Tradition und Erziehung her, aus diesem seltsamen Amalgam, aus dem wir alle sind“, erläutert Sturminger.
Wann und wo verortet der Regisseur das Stück? „Zeitlosigkeit bedeutet für mich immer Gegenwart. Wenn ich keine besondere Zeit in einem Werk spüre, ist es für mich immer ,heute‘. Ich habe auch fast ausschließlich Inszenierungen ,heute‘ inszeniert, weil ich grundsätzlich versuche, ein Stück direkt wirken zu lassen oder einen Weg zu finden, wie man es direkt erleben kann“, legt Michael Sturminger seinen Ansatz dar. Das Bühnenbildmodell erinnert an ein altes, leeres Hotel oder Sanatorium. „Es ist ein verlassener Raum, eine Zuflucht in einen Raum, der seine Funktion verloren hat, der nicht mehr benützt wird. Es gibt Balkontüren nach außen, daher ist die Assoziation eines Hotels möglich. Draußen liegt das Meer, aber es ist ein verlassenes Meer. Die Saison ist vorbei.“
Die Spielstätte Große Universitätsaula kennt Michael Sturminger seit 2006, als er ebendort bei den Salzburger Festspielen Mozarts Frühwerk „Il sogno di Scipione“inszenierte. Für den notwendigen Fokus auf das Geschehen wird diesmal wie damals ein eingebauter Guckkasten sorgen (Bühne und Kostüme: donmartin supersets alias Renate Martin und Andreas Donhauser). Die Sopranistin Sarah Maria Sun verkörpert die Hauptfigur Elsa. Sun hat sich insbesondere als ausdrucksstarke Interpretin von Musik des 20. und 21. Jahrhunderts einen Namen gemacht. Der deutsche Dirigent Peter Tilling leitet die Kammeroper musikalisch, auch er gilt als ausgewiesener Spezialist der Neuen Musik. Es spielt das in Salzburg beheimatete und weitum geschätzte oenm . österreichisches ensemble für neue musik.