Verkauft er seinen Anteil an VW?
Europas größter Autobauer ohne Ferdinand Piëch – das war lange völlig unvorstellbar. Nun aber deutet sich der vollständige Bruch mit seinem Lebenswerk an. Der 79-Jährige verhandelt über den Verkauf seiner Anteile an Volkswagen.
Machtkampf im Familienclan
WOLFSBURG, SALZBURG. War es eine Retourkutsche für fortgesetzte Kränkungen, hat der einst mächtigste Mann bei Volkswagen aufgegeben oder will er den Familienclan nochmals unter Druck setzen?
Es könnte mehrere Motive geben, aber fix ist: Der in Salzburg lebende Ferdinand Piëch will zumindest einen bedeutenden Teil seiner Anteile am größten Autokonzern der Welt verkaufen, der nach der Dieselaffäre um manipulierte Abgaswerte gleichzeitig in seiner größten Krise steckt. Die laufenden Verhandlungen bestätigte am Freitagnachmittag die Beteiligungsgesellschaft der Familien Porsche und Piëch, die Porsche Automobil Holding SE mit Sitz in Stuttgart. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“als Erstes über die Ausstiegspläne des einstigen VWPatriarchen berichtet. „Wir führen diese Verhandlungen nicht selbst“, sagte ein Porsche-SE-Sprecher den SN. Man sei auch nicht informiert, seit wann die Familien diese Gespräche führen. Sie verfügen über gegenseitige Vorkaufsrechte.
Die Familien Porsche und Piëch sind zu knapp einem Drittel an Volkswagen beteiligt, haben beim Autokonzern mit 217 Milliarden Euro Umsatz im Vorjahr (Gewinn: 5,1 Mrd. Euro) aber dank der Mehrheit der Stimmrechte – gemeinsam mit dem Land Niedersachsen – das Sagen (siehe Kasten). Gebündelt sind die Anteile der Familien in der Porsche SE, auf Piëch entfallen laut „Spiegel“14,7 Prozent der Anteile. Diese stellten am Freitag einen Wert von gut einer Milliarde Euro dar.
Der Abstieg von Ferdinand Piëch bei Volkswagen begann erkennbar im April 2015. In einem Interview im „Spiegel“entzog der damalige Volkswagen-Aufsichtsratschef dem damals amtierenden Vorstandschef Martin Winterkorn völlig überraschend öffentlich das Vertrauen. Es folgte ein Machtkampf im Weltkonzern, nach zwei Wochen ging Piëch als Verlierer hervor. Der Volkswagen-Aufsichtsrat sprach Winterkorn das Vertrauen aus, Piëch und seine Frau Ursula traten am 25. April mit sofortiger Wirkung von ihren Kontrollfunktionen zurück. Dass Winterkorn ein halbes Jahr später wegen des Dieselskandals gehen musste, ist eine andere Geschichte. Mit Piëchs Demontage endete eine Ära bei Volkswagen, galt der wegen seiner Härte gefürchtete und für seine schneidenden Formulierungen bekannte Ingenieur doch als unumschränkter Herrscher beim Wolfsburger Autobauer. Piëch, der am 17. April 80 Jahre alt wird, hatte seine Karriere nach dem Studium an der ETH Zürich und einer Diplomarbeit zur Entwicklung eines Formel-1-Motors 1963 unter den Fittichen seines Onkels, des legendären Konstrukteurs Ferry Porsche, begonnen. 1972 wechselte Piëch zu Audi, wo er 1988 Vorstandschef wurde. 1993 wurde Piëch Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen. Er baute den Konzern zum heutigen Imperium aus mit einem Dutzend Marken. 2002 wechselte er in den Aufsichtsrat.
Bereits beim Ausscheiden des VW-Patriarchen aus dem Kontrollgremium von VW vor knapp zwei Jahren gab es Informationen, dass Ferdinand Piëch einen Verkauf seiner Anteile als Druckmittel ins Spiel gebracht habe. Je nach Sichtweise gab es aber auch Stimmen, das passe so gar nicht zu Piëch. Denn wegen des gegenseitigen Vorkaufsrechts der Familien für die Firmenanteile müsste der Professor dann praktisch das Feld seinem Cousin Wolfgang Porsche – dem Sprecher des Familienclans – überlassen.
So war es zunächst auch am Freitag, als Konzerninsider den SN erläuterten, bei den Verkaufsabsichten von Piëch handle es sich lediglich um eine leere Drohung – bis kurz vor 16 Uhr die Porsche SE in Stuttgart erstmals die Verhandlungen offiziell bestätigte. Hätte Piëch vor zwei Jahren verkauft, wären seine Anteile übrigens um rund 40 Prozent mehr wert gewesen.
Zuletzt war der Machtkampf zwischen den Familien Porsche und Piëch vergangenen Sonntag um eine Facette reicher geworden. Die „Bild“-Zeitung hatte berichtet, der Familienclan wolle Piëch aus seiner letzten Funktion drängen – einem Sitz im Aufsichtsrat der Porsche SE. Zuvor hatten deutsche Medien vom Autosalon in Genf berichtet, Wolfgang Porsche habe, auf Piëch angesprochen, gesagt: „Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen.“