OGH gibt Anlegern mehr Rücktrittsrechte
Das Höchstgericht änderte die Rechtsprechung im Fall eines Anleihezeichners, der durch die Alpine-Pleite viel Geld verlor.
WIEN. Wann darf ein privater Anleger sein Investment rückgängig machen? Diese Frage stellt sich zumindest für viele Menschen, die in Unternehmensanleihen des einst zweitgrößten österreichischen Baukonzerns Alpine aus Salzburg investiert hatten. Sie mussten nach der Insolvenz 2013 – mit rund drei Milliarden Euro Verbindlichkeiten die größte der jüngeren heimischen Wirtschaftsgeschichte – den Totalverlust ihrer Veranlagung hinnehmen, denn die Anleihegläubiger sind im Insolvenzfall nicht besichert. Diese Wertpapiere – es wurden von 2010 bis 2012 drei Anleihen über ein Gesamtvolumen von 290 Mill. Euro aufgelegt – waren letztlich über Banken an rund 7000 Privatanleger verkauft worden.
Im Fall eines pensionierten Landwirtes aus Oberösterreich, der Alpine-Anleihen um 40.000 Euro gezeichnet hatte, gibt es nun ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, das Kleinanlegern größere Rücktrittsmöglichkeiten eröffnet als bisher. Denn das Höchstgericht revidierte darin die bisherige Rechtsprechung, dass Anleger von ihrem Kaufvertrag nicht zurücktreten können, wenn zuvor ein Kapitalmarktprospekt veröffentlicht wurde. Das wird nun anders beurteilt.
Der Kläger hatte, vertreten von Anwalt Wolfgang Haslinger aus Wien, unter anderem argumentiert, der Alpine-Prospekt sei von Beginn an fehlerhaft gewesen. Denn zum Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihen seien die massiven Finanzprobleme des Konzerns intern längst bekannt gewesen. Das hätte der Baukonzern nicht verschweigen dürfen, es sei aber verabsäumt worden, den Kapitalmarktprospekt diesbezüglich zu ergänzen.
Der OGH nahm dabei neben der entsprechenden EU-Richtlinie aus 2003 ausdrücklich auf Meinungen in der aktuellen Fachliteratur Bezug: „Der erkennende Senat schließt sich den referierten Literaturmeinungen an, die ein Rücktrittsrecht des Anlegers auch im Fall einer bereits ursprünglich bestehenden Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts bejahen.“ Dabei wird argumentiert, dass es nicht ohne Folgen bleiben dürfe, wenn der Emittent einer Anleihe die Nachtragspflicht beim Prospekt verletze.
Anwalt Haslinger spricht von einer „richtungsweisenden Entscheidung des OGH“. Schließlich würden im Fall Alpine die Indizien immer stärker, dass die Finanzprobleme des Baukonzerns intern schon lange vor der Anleihebegebung bekannt waren. Wie kürzlich berichtet, hatte der Aufsichtsrat laut „Trend“bereits Mitte 2009 eine Präsentation des Vorstands vorliegen,
„Die Indizien für Fehler beim Alpine-Prospekt werden immer stärker.“
in der es hieß, man brauche frisches Geld. Im Konkursverfahren war Gutachter Josef Schima zum Schluss gekommen, dass die Alpine ab 2009 buchmäßig überschuldet war, die Insolvenz hätte spätestens Ende November 2010 eingestanden werden müssen.
Am Ziel, sein verlorenes Investment ersetzt zu bekommen, ist der Ex-Landwirt aus Oberösterreich aber trotzdem noch nicht. Sein Fall wurde zur endgültigen Entscheidung wieder an die erste Instanz zurückverwiesen. Denn der Anleger hatte die Anleihen erst ein halbes Jahr nach der öffentlichen Anbotsfrist erworben. Das Erstgericht urteilte dazu nun im Februar, für den Anleger gelte das erweiterte Rücktrittsrecht nicht, weil der Prospekt zum Zeitpunkt des Kaufes bereits abgelaufen war. Nun wurde erneut Berufung an das Oberlandesgericht Linz erhoben.