Kann ein Job im Tourismus reizvoll sein?
Auf der Suche nach Fachkräften hofft die Branche auf Mobilität der Mitarbeiter. Eine Jobbörse in Wien soll Arbeitskräfte in den Pongau locken.
ST. JOHANN. Not macht erfinderisch. Und die Personalnot in der Beherbergung und Gastronomie in Österreich ist nicht neu. Als bei den Nachbarn in Deutschland vor zehn Jahren noch Rekordarbeitslosigkeit herrschte, reisten Hoteliers und Vertreter des Arbeitsmarktservice (AMS) aus dem Salzburger Pongau nach Norddeutschland, um dort für den heimischen Tourismus notwendiges Personal zu rekrutieren. Es hat funktioniert. Viele Jahre waren die Deutschen eine verlässliche Stütze in den Hotels, Skihütten und Restaurants. Doch das ist vorbei.
„Seit dem Vorjahr versiegt diese Quelle“, sagt der Pongauer AMS-Bezirksstellenleiter, Thomas Burgstaller. Deren Platz in Küche oder Service haben längst die Ungarn mit rund 1600 Saisonkräften eingenommen. Mehr als die Hälfte der 7700 Beschäftigten, die der Pongau in der Wintersaison zählt, sei europäisches Personal, so Burgstaller.
Nicht nur die Herkunft der Mitarbeiter hat sich geändert. Auch der Tourismus selbst ist heute ein anderer. Kaum eine andere Branche boomt in einem derart hohen Ausmaß und muss immer schneller reagieren – auf kurzfristige Buchungen, auf steigende Bedürfnisse. Dazu ist das Beschäftigungswachstum enorm. Diesen Februar erreichte man in Österreich mit 221.432 Mitarbeitern in Beherbergung und Gastronomie einen neuen Rekord. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind das um knapp 3500 Jobs mehr. Im Zehn-Jahres-Vergleich ist der Personalstand im heimischen Tourismus um 25 Prozent gestiegen.
Parallel dazu hat sich der Fachkräftemangel verschärft. „Wir haben einen klaren Koch-Mangel“, erklärte Österreichs AMS-Chef Johannes Kopf am Donnerstagabend in St. Johann bei einem Treffen mit Tourismus-Bundesspartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher.
Der Mangel an Köchen war in der zu Ende gehenden Wintersaison ein heiß diskutiertes Thema. Die Branchenvertreter scheiterten beim Sozialministerium mit ihrer Forderung, den Koch als Mangelberuf einzustufen. Damit hätte mehr Personal aus Nicht-EU-Ländern für den Job am Herd rekrutiert werden können. Aufgeben will man aber nicht. „Wir fordern in dieser Causa eine regionalere Betrachtungsweise“, betont Nocker-Schwarzenbacher und spielt damit auf das Problem an, dass zwar in Ostösterreich das Verhältnis zwischen Stellenangebot und Nachfrage bei den Köchen keine dramatische Lücke aufweist, in Westösterreich aber sehr wohl. In Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich gibt es ein weit höheres Angebot an Stellen, als Köche zur Verfügung stehen.
Um dieses Missverhältnis auszugleichen und mehr Bewegung von Ost nach West zu erzeugen, will man beim AMS Pongau als Pilotregion nun versuchen, was damals schon in Norddeutschland funktionierte. Betriebe aus der Region sollen bei einer Jobbörse in Wien Kontakt zu arbeitslosen Köchen und Servicemitarbeitern knüpfen. Auch für Flüchtlinge könnte das interessant sein. Nach Schnuppertagen oder Trainings im Pongau soll im Idealfall bereits für die nächste Wintersaison ein Vertrag unterschrieben werden. „Wir haben an einem Tag Zusagen von 30 Betrieben gehabt, die mitmachen“, sagt AMS-Bezirksstellenleiter Burgstaller. Für ihn steht fest: „Wir brauchen einen innerösterreichischen Personalaustausch.“Denn als AMS vor Ort habe man in der Region keine Möglichkeiten mehr. Von den in der Zwischensaison arbeitslos gemeldeten Mitarbeitern hätten 70 Prozent eine Wiedereinstellungsgarantie von Betrieben. „Da bleibt für die Vermittlung nicht viel übrig.“
Die Mobilität der Arbeitslosen fördern sollen auch die im Regierungsprogramm angekündigte Ausweitung des Anspruchs auf Kombilohn – sofort und nicht erst nach längerer Arbeitslosigkeit – und finanzielle Unterstützung bei doppelter Wohnsitzführung. Wobei Nocker-Schwarzenbacher noch eine Garantie fordert, dass Saisonarbeitskräfte, die von Ost- nach Westösterreich übersiedeln, ihren Anspruch auf die Gemeindewohnung zu Hause nicht verlieren.
Für AMS-Chef Johannes Kopf geht es bei der überregionalen Arbeitskräftevermittlung weniger um Zumutbarkeit als „um das Aufzeigen der Chancen in der Branche“. Es gebe Leute, die seien sehr glücklich im Tourismus. Es handle sich um eine gute Einstiegsbranche mit Karrieremöglichkeiten und gutem Verdienst. Freilich sei der Tourismus eine Branche, „die viel verlangt“, wie Arbeitszeiten am Abend und am Wochenende sowie in Ferienzeiten. Man werde sich enorm anstrengen und viele Möglichkeiten nutzen müssen, um den Bedarf an Fachkräften im Tourismus decken zu können, betont Kopf. So denke man auch „intensiv darüber nach“, wie man eine Saisonverlängerung zustande bringe, „damit es nicht mehr notwendig ist, ein paar Monate im Jahr arbeitslos zu sein“. Eine Lösung hat man noch nicht. Spartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher schlägt ein Kurzarbeitsmodell vor: Mitarbeiter sollen im verlängerten Saisonausklang nur 50 Prozent arbeiten, erhalten jedoch 75 Prozent des Lohns. Wer die Differenz von 25 Prozent bezahlen soll, ist derzeit allerdings noch unklar.
„Wir haben einen klaren Koch-Mangel.“Johannes Kopf, AMS-Vorstand