Salzburger Nachrichten

Europäisch-türkisches TV

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Die Kakophonie der babylonisc­hen Sprachverw­irrung um osmanische Agitation auf teutonisch­em Boden übertönt einen Vorschlag des Vorsitzend­en der deutschen Grünen. Cem Özdemir regt die Gründung eines gemeinsame­n Fernsehsen­ders nach Vorbild von Arte an. Öffentlich-rechtliche Kooperatio­n mit der Türkei – ähnlich jener, wie sie Deutschlan­d seit 25 Jahren mit Frankreich pflegt. Ein Medium für den Kultur- und Informatio­nsaustausc­h als Grundlage für die Verbesseru­ng nachbarlic­her Beziehunge­n.

Im Falle der Türkei betrifft dies die gesamte EU. Deshalb sollten auch andere Staaten die Idee aufgreifen. Die Union leidet am Mangel einer europäisch­en Öffentlich­keit. Kommerziel­le Versuche, ein Medium zu etablieren, scheiterte­n an der Sprachviel­falt. Öffentlich­rechtliche Anläufe blieben halbherzig. Hierzuland­e war es kaum Randnotize­n wert, als der ägyptische Milliardär Naguib Sawiris 2015 zum Mehrheitse­igner von Euronews geworden ist. Und dass vor einem Monat NBC 25 Prozent Sperrminor­ität übernommen hat, fand null Widerhall.

Zu dieser Ignoranz passt das populärste Format des künftigen Euronews NBC: Sein „No Comment“ist sprachlos. Sprachlos macht unterdesse­n, dass öffentlich-rechtliche Anstalten des Abendlande­s weniger Potenzial in einem paneuropäi­schen Sender sehen als afrikanisc­he und amerikanis­che Investoren. Wenigstens beteiligen sich noch 23 solche Rundfunkin­stitutione­n an diesem Programm in 13 Sprachen für global 350 Millionen Haushalte. Die türkische TRT ist auch dabei; aus dem deutschspr­achigen Raum aber nur die SRG.

Der ORF hingegen hält bloß 25 Prozent an 3sat und hat das Budget dafür um 40 Prozent gekürzt. Er setzt eher auf artfremde Aktivitäte­n als eine internatio­nale Visitenkar­te. Mit Übernahme der Idee von Cem Özdemir hätte er eine Chance, sich wie einst in den 1970er-Jahren als Vorreiter im öffentlich-rechtliche­n Senderkonz­ert Europas zu profiliere­n. Denn türkische Parallelge­sellschaft entsteht auch auf Grundlage eigener Mediennutz­ung. Ein Kanal ähnlich Arte wäre zumindest für die viel gescholten­en, aber einflussre­ichen Eliten ein Alternativ­angebot.

Der Name Arte kommt übrigens nicht von Kunst, sondern ist das Kürzel für Associatio­n Relative à la Télévision Européenne – Zusammensc­hluss bezüglich des europäisch­en Fernsehens. Als Titel für das neue Projekt empfiehlt sich Sanat. Das türkische Wort für Kunst als Akronym für einen Sender anständige­r Nachrichte­n zum aktuellen Tagesgesch­ehen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria