Früher Magister, heute Master
Titel sind in Österreich nach wie vor Trumpf. Titel-Experte Heinz Kasparovsky erklärt, warum – und wie der Master den Magister gerade vollends ablöst.
Titel sind immer noch eine große Sache in Österreich – das sagt der Volksmund und das bestätigt auch der Experte. „Selbst die Tatsache, dass die Titel nun dem Namen nachgestellt und nicht mehr vorgestellt werden, hat die Wichtigkeit nicht geändert“, sagt Heinz Kasparovsky, Rechtsexperte für Hochschulrecht und Anerkennungsfragen im Wissenschaftsministerium. „Titel sind als Information relevant, aber die Sichtweise geht weit über das hinaus.“
Das gehe so weit, dass manche aus dem Ausland kommenden Akademiker, die für den Abschluss in ihrem Land keinen in Österreich führbaren Titel bekommen hätten, sich darüber beklagten – weil er hierzulande offenbar wichtig sei, um entsprechend wahrgenommen zu werden. „Unsere Position ist: Wir versuchen, die Titeldebatte niedrig zu halten und zu sagen: Es ist nichts Unanständiges, seine Titel zu führen – aber auch nichts Entscheidendes.“
Aber warum diese Liebe zu akademischen Titeln, in Österreich? „Titel haben eine Ordnungsfunktion“, erklärt Kasparovsky. „Das ist wie beim Militär – und dieses war in Österreich immer wichtig. Dazu kommt das Kaiserreich mit seiner historisch starken Rangordnung. Das Bedürfnis nach Status war besonders groß, und Titel haben diesen nach außen für alle sichtbar dokumentiert.“Allerdings, sagt der Titel-Experte, sei dies beileibe keine österreichische Spezialität: „Andere Staaten haben andere gesellschaftliche Mechanismen und Möglichkeiten geschaffen, mit denen sich Menschen voneinander abheben können.“In Österreich seien es eben die Titel.
Das Ende einer „Titel-Ära“kam mit dem Auslaufen des „Magisters“, der nun, im neuen, globalisierten Bildungssystem, zum „Master“wurde. Der große Vorteil: Der Titel ist international vergleichbar und wird von Menschen wie Unternehmen global anerkannt. Aber ist der Master eigentlich mit dem Magister zu vergleichen? „Ja“, sagt Heinz Kasparovsky. „Beide werden in vier bis fünf Jahren absolviert, beide enden mit einer wissenschaftlichen Arbeit, beide ermöglichen ein Doktoratsstudium, beide machen im Beamtenstatus A-wertig.“Ob es wie durch den Bachelor eine akademische Zwischenstation gebe, sei hier nicht relevant. „Was bei der Kombination Bachelor/Master gegenüber dem Magister herauskommt, ist mehr oder weniger dasselbe.“
Vorteile der neuen Kombination sind zum Beispiel der frühere Zutritt zum Arbeitsmarkt mit grundlegenden Qualifikationen und der Möglichkeit, nach einigen Jahren auf dem Arbeitsmarkt eine fundiertere Entscheidungsgrundlage für die Wahl des Masterstudiums zu haben. Ein Nachteil war vorerst, dass die ersten Bachelorstudien zu viel wollten, mit Inhalten überfrachtet und mit zu engen Terminkalendern belegt wurden. Hier zeichnet sich nach Überarbeitungen der Studienpläne vielfach Besserung ab, das System wird verstanden und treffsicherer eingesetzt.
Gibt es den geliebten Magister also künftig gar nicht mehr? „Zum einen ist es lustig, dass man sich vom Magister nicht mehr trennen will“, schmunzelt Titel-Experte Kasparovsky. „Ursprünglich gab es diesen ja nur für Apotheker, und als der Titel im Rahmen der großen Bildungsreformen der Sechziger auch für andere Studien kam, wollte ihn – wie so oft – vorerst niemand haben. Heute ist er aber etabliert – und das Etablierte ist den Menschen in dieser Hinsicht immer näher als das Neue.“Zum anderen gebe es immer noch Fächer, die den Magister verleihen würden, wenn auch immer weniger – „die Pharmazeuten haben kürzlich umgestellt, die Juristen denken darüber nach, was das Ministerium sehr unterstützt“. Auch wenn es anders als in Italien (wo es einen Stichtag gab, der laut Kasparovsky in ein Chaos mündete) in Österreich keine Richtlinie mit einem „Muss“zur Umstellung gebe, werde der Magister mittelfristig Geschichte sein, sagt der Experte. „Geführt wird der Titel von den vielen Magistern noch lang, aber verliehen wird er eben kaum oder gar nicht mehr werden.“
Übrigens ist die Lust am Magister stark national beschränkt. „Geht jemand ins Ausland, will er lieber Master sein“, sagt der Titel-Experte, weil den Magister dort keiner kenne. „Das ist wie beim PhD, dem neuen Doktorat – in Österreich will jeder ,Dr.‘ sein, im Ausland ,PhD‘. Hier gibt es übrigens weiterhin keine klare Richtlinie: Manche Doktoratsstudien schließen in Österreich mit dem PhD ab, manche mit dem Dr., da gibt es keine Vereinheitlichung. Ursprünglich wollte man den PhD stark forschungsorientiert als Ersatz für die Habilitation zum Professor positionieren, das hat sich aber nicht durchgesetzt.“Deshalb habe die Universitätenkonferenz (uniko) empfohlen, beide Varianten zusammenzuführen.
Aber zurück zum Master: Wird dieser den Magister in der Wahrnehmung der Österreicher jemals gleichwertig ersetzen, auch wenn er das akademisch ohnehin längst tut? „Ja“, glaubt Heinz Kasparovsky. „Aber es wird dauern. Warum? Nun, einerseits kommt hier das emotionale, historische Element ins Spiel, sowie die Tatsache, dass viele anerkannte Personen noch lange Zeit den alten Titel führen werden. Andererseits kommt das sprachliche Element hinzu – Master ist eben nicht Deutsch, sondern Englisch, und davon sind viele Österreicher nicht begeistert. Es geht maximal Latein – denn Magister ist schließlich auch nicht Deutsch!“, schmunzelt Kasparovsky.
Heinz Kasparovsky,