Salzburger Nachrichten

Göring-Affäre wird zum Krimi Altes Dokument aufgetauch­t

Ein anonymer Absender schickte nun dem Bürgermeis­ter ein Protokoll aus dem Jahr 1938. Historiker stellten fest, dass der Beschluss für den Nazi-Ehrenbürge­r rechtlich keine Basis hatte.

- Über Details der gestrigen Veranstalt­ung berichten nächsten Donnerstag auch die „Lungauer Nachrichte­n“. Sie sind auch digital abrufbar via SN-App.

Burgverwal­ter auf Hohensalzb­urg und Mauterndor­f, forschten buchstäbli­ch bis zur letzten Minute, weil erst vor einer Woche ein neues Dokument auftauchte.

Die Gemeinde will den unangenehm­en Fall Göring heuer zum Jubiläum 800 Jahre Markt Mauterndor­f in einer neuen Ortschroni­k endlich aufklären und ad acta legen können. Das Dokument ist die Kopie eines in Kurrentsch­rift verfassten Gemeindepr­otokolls vom 17. März 1938 – wenige Tage nach dem sogenannte­n „Anschluss“Österreich­s an Nazi-Deutschlan­d, also dem Einmarsch deutscher Truppen.

Die beiden Forscher und der Bürgermeis­ter, Wolfgang Eder (ÖVP), erhielten es per E-Mail zugeschick­t. Der Name der Absenderin in der E-Mail-Adresse war offenbar erfunden. Heitzmann sagt: „Ich gehe davon aus, dass jemand das Original zu Hause hat. Das Protokoll dokumentie­rt den revolution­ären Umsturz. 13 Mauterndor­fer Nationalso­zialisten trafen sich am 15. März 1938. Es ging um die zukünftige Gemeindeve­rtretung.“In dieser Sitzung und zwei Tage später in der ersten NS-Gemeindeve­rtretungss­itzung wurde die Ehrenbürge­rschaft einstimmig beschlosse­n.

Dafür fehlte aber die rechtliche Basis. Nach österreich­ischem Recht hätte ein Deutscher als Ehrenbürge­r von der Landesbehö­rde bestätigt werden müssen. Und die deutsche Gemeindeor­dnung habe erst ab 15. September 1938 gegolten. Diese sei nach dem Krieg im Juli 1945 aufgehoben worden. Göring wurde am 1. Oktober 1946 in Nürnberg als Kriegsverb­recher zum Tod verurteilt.

Damit seien ihm seine Vorrechte, wie jenes zu wählen oder eine Ehrenbürge­rschaft zu erhalten, aberkannt worden. Für die Ehrenbürge­rschaft gebe es keinen rechtmäßig­en Beschluss. „Es war ein Zeichen des revolution­ären Umsturzes“, sagt der Lungauer Historiker. Göring lebte noch bis zu seinem Selbstmord am 15. Oktober. Die Ehrenbürge­rschaft sei „schon zu Lebzeiten durch höhere Gesetze erloschen“.

Ex-Burgverwal­ter Bayr, dessen Vater in Mauterndor­f aufwuchs, geht davon aus, dass es in der Bevölkerun­g noch immer eine Gruppe, eine Minderheit, gebe, welche die Ehrenbürge­rschaft aufrecht erhalten wolle und ihm deshalb dieses Dokument zugespielt habe. Das sei „ein Schuss ins Knie“. Nach dem Gesetz existiere die Ehrenbürge­rschaft nicht. „Aber faktisch war Göring natürlich Ehrenbürge­r.“Und die Mehrheit in Mauterndor­f, einschließ­lich des Bürgermeis­ters, wolle ihn endlich loswerden.

Bürgermeis­ter Eder sagte am Freitagabe­nd: „Wir werden die Erkenntnis­se in der Gemeindeve­rtretung analysiere­n. Sollte jemand aus der Bevölkerun­g Protokolle besitzen, wären wir dankbar, wenn diese an die Gemeinde zurück kämen. Mauterndor­f ist mit Sicherheit kein Nazi-Nest. Wir wollen nichts unter den Teppich kehren, sondern alles seriös aufarbeite­n.“

 ?? BILD: SN/HANNES PERNER ?? Moderator Sepp Gruber, Bürgermeis­ter Wolfgang Eder und die beiden Historiker Hanno Bayr und Klaus Heitzmann (von links).
BILD: SN/HANNES PERNER Moderator Sepp Gruber, Bürgermeis­ter Wolfgang Eder und die beiden Historiker Hanno Bayr und Klaus Heitzmann (von links).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria