Pinzgauer! Von Helden, Narren & Pionieren
Wer glaubt, über den Pinzgau ohnehin alles zu wissen, der braucht dieses Buch nicht zu lesen. Aber: Dem geht dadurch auch viel Lesevergnügen und Information verloren. Denn hier gibt es durchaus noch Neues zu erfahren aus Salzburgs Süden.
Das Abenteuer beginnt mit einer Ernüchterung. Denn auf Seite 13 (ausgerechnet!) steht zu lesen: „Ein eigentlich schöner Menschenschlag sind die Pinzgauer nicht.“Aber hallo!
Wilhelm Schjerning schrieb diesen Satz 1897 in seinem Buch „Die Pinzgauer“nieder. Geht das dem gebürtigen Pongauer Walter Thaler womöglich genüsslich über die Tastatur? Unsinn.
Thaler, seit 1965 im Pinzgau daheim, geht nach fünf Jahrzehnten in Zell am See endgültig als Pinzgauer durch. Er kennt den Bezirk, wie es nur wenige tun. Auch wenige derer, die glauben, durch die Geburt als Pinzgauer quasi geadelt zu sein.
2015 überraschte Walter Thaler mit dem Buch „Kunst und Literatur im Pinzgau. Die Kraft der Provinz“. Es ist ein spannendes, lesenswertes Stück Heimatkunde. Mit 43 Porträts aus dem Bereich Kunst und Kultur. Jetzt legt Thaler nach. Und wie.
Der ehemalige Bürgermeister von Zell am See und SPÖ-Spitzenpolitiker präsentiert kommende Woche sein neues Werk. „Pinzgauer! Helden – Narren – Pioniere“lautet der Titel. Und der Untertitel: „55 Porträts aus der Provinz“. Was schon für Thalers Werk aus 2015 galt, bestätigt sich auch in diesem Fall fulminant:
Auf dem Land ist die Provinz nicht zu finden. Denn auf 335 Seiten gibt es eine unglaubliche Parade verschiedenster Menschentypen zu erleben. Vom Freiheitskämpfer Anton Wallner bis zur Trapp-Familie, von der Auto-Dynastie Porsche-Piëch bis zum Erbauer der Großglockner-Hochalpenstraße, Franz Wallack. Von Finanzexperten wie der Familie Treichl, Klaus Liebscher, Herbert Cordt und Ernst Löschner.
Vom „Erfinder“des Kitzsteinhorns, Wilhelm Fazokas, bis Toni Arnsteiner, dem Gründer der Blizzard-Skifabrik. Vom sechsfachen Mörder Udo Proksch bis zur Mafia-Braut Virginia Hill und zum Ku-Klux-Klan-Anführer David Duke. Thaler legt 55 fundiert recherchierte und kurzweilig geschriebene Porträts vor. Er zeichnet damit das Bild des Bezirks von 1575 bis in die Neuzeit nach. Anhand aufregender Biografien. Da findet sich auch eine Art „Pinzgauer Jägerstätter“. Und zwar in Person von Anton Brugger. Der wurde 1943 von den Na- zis hingerichtet. Unbeugsam in seinem Glauben als Adventist, verweigerte er standhaft den Wehrdienst. Thaler schreibt: „Zum Andenken wurde am 19. April in der Josef-Schwer-Gasse 8 in Salzburg ein Stolperstein verlegt. Nach Anton Brugger wurde in Tschagguns in Vorarlberg eine Straße benannt, nicht aber in seinem Heimatort Kaprun.“
„Dieses ,Früher‘ ist halt auch schon hundert Jahre her.“
Längst zum lokalen Selbstverständnis zählt, dass „die Porsches“in Zell am See daheim sind, der Pinzgau aufgrund vieler Besitzungen Porsche-Land ist.
Aber dass das Schüttgut, der Sitz der Familie, zeitweise auch als VW-Konzernzentrale diente und all das mit einer Reihe von Porträts angereichert ist, hat in dieser sympathisch-sachlichen Ausführlichkeit noch niemand so beschrieben.
Das Schüttgut gehört seit 1942 den Familien Porsche und Piëch.