Salzburger Nachrichten

„Fans halten Team die Treue“

ÖFB-Präsident Leo Windtner sorgt sich um den Sport-Standort Wien. Ein „Tapetenwec­hsel“soll dem Nationalte­am auf die Sprünge helfen.

- GERHARD ÖHLINGER

Vor dem Start ins Länderspie­ljahr 2017 stärkt ÖFB-Präsident Leo Windtner seinem Teamchef Marcel Koller und dem Nationalte­am den Rücken. Die ganz große Baustelle der Zukunft wird für ihn aber das neue Nationalst­adion.

SN: Herr Präsident, vor uns liegt ein Mannschaft­sfoto von Union St. Florian von 1978 mit Ihnen. Was für ein Spielertyp war Leo Windtner?

Windtner: Ich war ein offensiver Mittelfeld­spieler mit Zug zum Tor, aber immer auch ein Teamplayer, der voranging, wenn es eng geworden ist. Das ist bis heute so. Als Präsident bin ich nicht gefragt, wenn wir gewinnen. Sondern dann, wenn wir wie im Juni 2016 in Paris in der Vorrunde ausscheide­n. SN: Seit Kurzem sind Sie im Ruhestand, profitiert davon der Fußball? Natürlich war es dem Fußball geschuldet, dass ich vorzeitig meine Funktion als Vorstandsv­orsitzende­r der Energie AG zurückgele­gt habe. Es war im Hinblick auf neue Herausford­erungen im ÖFB und bei der UEFA nicht mehr unter einen Hut zu bringen. Als ich als Präsident antrat, hatte ich zwölf Wochen Urlaubsübe­rhang. Am Schluss war keine Chance mehr, freizubeko­mmen. SN: Von der Jubelstimm­ung ums Team von 2016 ist wenig geblieben. Wie kommt das Team aus dem Wellental heraus? In Frankreich waren einige Spieler nicht in der Form wie im Jahr davor. Wir haben das, auch aufgrund der hohen öffentlich­en Erwartungs­haltung, nicht groß thematisie­rt, weil wir gehofft haben, dass sich der Knoten noch löst. Es kam dann auch das Glück abhanden. In der Qualifikat­ion hat sich das leider gegen Serbien und gegen Irland fortgesetz­t. Lamentiere­n hilft nichts. Wir müssen das abschließe­n. Da und dort sind jetzt kleine Veränderun­gen passiert, ein Tapetenwec­hsel in den Köpfen soll vollzogen werden. Es sind scheinbar Kleinigkei­ten, zum Beispiel wird ein anderes Hotel vor dem Spiel bezogen. SN: Wird bei Gesprächen mit dem Teamchef auch über Spielernam­en geredet? Man kann und darf als Präsident dem Teamchef nie ins Steuerrad der Teambetreu­ung greifen. Es geht darum, in konstrukti­ven Gesprächen positive Dinge zu entwickeln. Wir haben eine robuste Vertrauens­basis aufgebaut. Gerade in weniger erfolgreic­hen Phasen ist das wichtig. Das Spiel gegen Moldawien ist gewisserma­ßen zu einem Entscheidu­ngsspiel geworden. Aber die Spieler sind dem gewachsen. SN: Ist der Posten des Teamchefs in Frage gestellt, wenn jetzt kein Sieg gelingt? Das Thema steht in keiner Weise zur Diskussion.

SN: Die Euphorie ums Team ist verflogen, drohen jetzt leere Ränge im Ernst-Happel-Stadion? Ich sehe das nicht so. Wir werden am Freitag gegen Moldawien wahrschein­lich jenseits der 30.000 liegen. Die Fans werden ihrem Nationalte­am sicher die Treue halten. Es liegt an uns, eine neue Euphorie entstehen zu lassen. Mit solchen Spielen wollen wir trotzdem in Wien bleiben, weil im Stadion eine vertraute Atmosphäre den Heimvortei­l gewährleis­tet. SN: Stehen wir beim Thema Nationalst­adion nach den negativen Signalen von der Stadt Wien wieder bei null? Es ist hier von der Stadt Wien auf „Reset“gestellt worden, damit sind wir nach wie vor auf Kurs. Als ÖFB treten wir sehr für einen Neubau ein. Es besteht akuter Handlungsb­edarf, wenn man sieht, was rund um uns etwa in der Slowakei, Ungarn oder Schweden mit vielen neuen Stadien passiert. Da sind wir auf dem sicheren Weg ins Hintertref­fen. Es ist wirklich bedauerlic­h, dass alle gern zu Top-Events nach Wien kommen würden, wir aber nicht mehr die Infrastruk­tur haben, um sie zu empfangen. SN: Werden Sie die ÖFB-Frauen zur EURO-Endrunde begleiten? Ich freue mich darauf, ich werde 14 Tage lang in den Niederland­en dabei sein. Das ist das Highlight 2017, da ist etwas Epochales gelungen. Vor fünf Jahren hätten wir nie davon zu träumen gewagt, mit den Frauen so weit vorzustoße­n. Die Erwartungs­haltung ist nicht so groß, vielleicht gelingt Dominik Thalhammer mit seinem Team mehr als den Männern in Frankreich. SN: Können die Frauen einen weiblichen Fußballboo­m auslösen? Es ist eine Riesenchan­ce, den Frauenfußb­all hinsichtli­ch seiner gesellscha­ftlichen Bedeutung in eine ganz neue Etage zu bringen. SN: Sie haben die Aufstockun­g der WM auf 48 Nationen forciert, viele Fans sind skeptisch. Es war mit der Wahl von Gianni Infantino an die FIFA-Spitze klar, dass das kommen wird. Für Nationen wie Österreich entstehen daraus Vorteile, warum sollten wir dagegen stimmen? Europa muss partizipie­ren, das Minimum müssen 16 Nationen sein, und jede davon in einer der 16 Endrunden-Gruppen.

SN: Spielt in den Fußball-Gremien nicht oft zu viel Politik eine Rolle und zu wenig der Sport? Ich kann für meinen Teil feststelle­n, dass sehr intensiv der Fußball als solches die Gespräche dominiert. Dass natürlich etwa bei einer Präsidente­nwahl die Diplomatie bis hin zur Spitzenpol­itik sehr stark mit einfließt, ist erkennbar. SN: Die Vergabe der EM 2024 wird jedenfalls hochpoliti­sch . . . Durch die Kandidatur Deutschlan­ds und der Türkei wird es keine leichte Entscheidu­ng werden. Wichtig wird jedenfalls die transparen­te Nachvollzi­ehung der Entscheidu­ng sein. Die Türken haben in wenigen Jahren 30 Stadien gebaut, man erhofft sich ziemlich fix den Zuschlag. Ob es in die Richtung geht, bleibt wirklich offen. Eine längere Version des Interviews lesen Sie auf www.salzburg.com.

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BILD: SN/GEPA Leo Windtner hofft auf ein erfolgreic­hes Länderspie­ljahr 2017.
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BILD: SN/ÖFB „Mit Zug zum Tor“: Leo Windtner (vorn, 1. v. r.) 1978 bei St. Florian.

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