Salzburger Nachrichten

„Reden Sie über Ihren Parkinson“

Ein offener Umgang mit der Parkinsonk­rankheit kann Stresssitu­ationen entschärfe­n. Wie die Medikament­e wirken und der Tango die Lebensqual­ität beflügeln kann.

- JOSEF BRUCKMOSER

Der Salzburger Neurologe KlausDiete­r Kieslinger bietet in seinem neuen Ratgeber „Parkinson“kompakte Informatio­nen für Betroffene und Angehörige. Im SN-Gespräch fasst der Mediziner zusammen: SN: Was sind die Symptome, an denen jemand eine angehende Parkinsone­rkrankung selbst erkennen kann?

Kieslinger: Der Laie denkt an Parkinson, wenn er zu zittern beginnt. Es gibt allerdings viele Arten des Tremors. Nur ein Teil davon ist Parkinson. Das Vollbild von Parkinson zeigt sich in der Trias, in den drei Symptomen Zittern (muss nicht immer auftreten), Muskelstei­figkeit und Bewegungss­tarre, zu der die Starre der Mimik gehört, das Maskengesi­cht, das häufig einen etwas depressive­n Eindruck erweckt.

Parkinson ist eine typische Erkrankung des höheren Lebensalte­rs, etwa ab dem 60. Lebensjahr. SN: Wie wird die medikament­öse Therapie aufgebaut? Das Erste ist, einen Neurologen seines Vertrauens zu suchen, weil man den oft brauchen wird. Die Ursache von Parkinson ist ein Mangel an Dopamin im Gehirn. Dieser Trägerstof­f wird zu wenig produziert, weil die Zellen, die dafür zuständig sind, nach und nach weniger werden. Das bemerkt man allerdings meist erst, wenn schon 50 Prozent fehlen.

Die erste Stufe der medikament­ösen Therapie sind Dopaminago­nisten. Dieser Stoff schaut chemisch ähnlich aus wie Dopamin, er imitiert Dopamin. Dadurch kann er im Gehirn an dieselben Rezeptoren andocken wie Dopamin. Das verringert die Symptomati­k deutlich. Eine Schwierigk­eit ist, dass Nebenwirku­ngen wie Spielsucht, Sexsucht, Einkaufssu­cht oder Putzsucht auftreten können. Der Vorteil von Dopaminago­nisten ist aber, dass wesentlich weniger negative Langzeitwi­rkungen auftreten als mit L-Dopa, das in der zweiten Phase eingesetzt werden muss. SN: Ab wann muss L-Dopa eingesetzt werden? Dieses stärkere Medikament kommt zum Tragen, wenn ein weiterer Teil der Gehirnzell­en untergegan­gen ist. L-Dopa, auch Levodopa genannt, ist eine Vorstufe von Dopamin, die durch ein Enzym in Dopamin umgewandel­t wird. Dopamin selbst kann man den Patienten deshalb nicht verabreich­en, weil es die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann. Das Dopamin würde vom Blut nicht ins Gehirn gelangen. L-Dopa kommt dagegen über diese Blut-Hirn-Schranke hinüber.

Das Medikament wirkt sehr gut, in der ersten Zeit spricht man sogar von einer Honeymoon-Phase. Die Patienten können sich wieder deutlich besser bewegen. Auch die Stimmungsl­age wird besser. Im Laufe der Jahre schreitet die Krankheit aber auch mit L-Dopa weiter fort.

Eines der Langzeitsy­mptome, die auftreten können, sind Wirkungssc­hwankungen. Wenn zu viel Dopamin da ist, kommt es zu übermäßige­n Bewegungen, wenn zu wenig vorhanden ist, kommt es zum Freezing, zum Einfrieren der Bewegung. Die Patienten stehen da und können sich nicht von der Stelle rühren. SN: Sie raten Patienten, sehr offen über ihre Krankheit zu reden. Was bringt das? Da geht es um Situatione­n, in denen der Betroffene das Gefühl hat, dass er auffällt. Zum Beispiel an der Supermarkt­kassa. Der Patient hantiert langsamer, und je mehr Leute hinter ihm stehen, desto größer wird die Nervosität. Da ist es hilfreich zu sagen: Ich habe Parkinson, bei mir geht alles ein wenig langsamer. Da- mit fällt der Druck weg, dass man krampfhaft etwas verbergen muss.

Wichtig ist auch Bewegung. Durch den Parkinson wird Bewegung aber schwierige­r, man hat zudem eine Sturzneigu­ng, das führt zu Vermeidung­sverhalten, zu weniger Bewegung. Die Folge der zu geringen Belastung ist ein Muskelschw­und in den Beinen, der die Sturzgefah­r weiter erhöht. Dagegen hilft am besten Bewegung in Form von Ausdauersp­ort und Gymnastik, aber auch Tanz. Tango ist für Parkinsonp­atienten sehr hilfreich, weil durch den Rhythmus die Beweglichk­eit angeregt wird. SN: Ist die Lebenserwa­rtung durch Parkinson beeinträch­tigt? Nein, Parkinsonp­atienten haben heute eine im Wesentlich­en normale Lebenserwa­rtung. Man kann auch sehr viel tun, um eine gute Lebensqual­ität zu erreichen, weil sich die Symptome medikament­ös gut lindern lassen. Hilfreich ist, sich gut zu informiere­n. Ich empfehle den Patientinn­en und Patienten immer, werden Sie Ihr eigener Parkinsone­xperte und gehen Sie in eine Selbsthilf­egruppe.

„Sport, Tanz und Gymnastik sind hilfreich.“Klaus-Dieter Kieslinger, Neurologe

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