„Reden Sie über Ihren Parkinson“
Ein offener Umgang mit der Parkinsonkrankheit kann Stresssituationen entschärfen. Wie die Medikamente wirken und der Tango die Lebensqualität beflügeln kann.
Der Salzburger Neurologe KlausDieter Kieslinger bietet in seinem neuen Ratgeber „Parkinson“kompakte Informationen für Betroffene und Angehörige. Im SN-Gespräch fasst der Mediziner zusammen: SN: Was sind die Symptome, an denen jemand eine angehende Parkinsonerkrankung selbst erkennen kann?
Kieslinger: Der Laie denkt an Parkinson, wenn er zu zittern beginnt. Es gibt allerdings viele Arten des Tremors. Nur ein Teil davon ist Parkinson. Das Vollbild von Parkinson zeigt sich in der Trias, in den drei Symptomen Zittern (muss nicht immer auftreten), Muskelsteifigkeit und Bewegungsstarre, zu der die Starre der Mimik gehört, das Maskengesicht, das häufig einen etwas depressiven Eindruck erweckt.
Parkinson ist eine typische Erkrankung des höheren Lebensalters, etwa ab dem 60. Lebensjahr. SN: Wie wird die medikamentöse Therapie aufgebaut? Das Erste ist, einen Neurologen seines Vertrauens zu suchen, weil man den oft brauchen wird. Die Ursache von Parkinson ist ein Mangel an Dopamin im Gehirn. Dieser Trägerstoff wird zu wenig produziert, weil die Zellen, die dafür zuständig sind, nach und nach weniger werden. Das bemerkt man allerdings meist erst, wenn schon 50 Prozent fehlen.
Die erste Stufe der medikamentösen Therapie sind Dopaminagonisten. Dieser Stoff schaut chemisch ähnlich aus wie Dopamin, er imitiert Dopamin. Dadurch kann er im Gehirn an dieselben Rezeptoren andocken wie Dopamin. Das verringert die Symptomatik deutlich. Eine Schwierigkeit ist, dass Nebenwirkungen wie Spielsucht, Sexsucht, Einkaufssucht oder Putzsucht auftreten können. Der Vorteil von Dopaminagonisten ist aber, dass wesentlich weniger negative Langzeitwirkungen auftreten als mit L-Dopa, das in der zweiten Phase eingesetzt werden muss. SN: Ab wann muss L-Dopa eingesetzt werden? Dieses stärkere Medikament kommt zum Tragen, wenn ein weiterer Teil der Gehirnzellen untergegangen ist. L-Dopa, auch Levodopa genannt, ist eine Vorstufe von Dopamin, die durch ein Enzym in Dopamin umgewandelt wird. Dopamin selbst kann man den Patienten deshalb nicht verabreichen, weil es die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann. Das Dopamin würde vom Blut nicht ins Gehirn gelangen. L-Dopa kommt dagegen über diese Blut-Hirn-Schranke hinüber.
Das Medikament wirkt sehr gut, in der ersten Zeit spricht man sogar von einer Honeymoon-Phase. Die Patienten können sich wieder deutlich besser bewegen. Auch die Stimmungslage wird besser. Im Laufe der Jahre schreitet die Krankheit aber auch mit L-Dopa weiter fort.
Eines der Langzeitsymptome, die auftreten können, sind Wirkungsschwankungen. Wenn zu viel Dopamin da ist, kommt es zu übermäßigen Bewegungen, wenn zu wenig vorhanden ist, kommt es zum Freezing, zum Einfrieren der Bewegung. Die Patienten stehen da und können sich nicht von der Stelle rühren. SN: Sie raten Patienten, sehr offen über ihre Krankheit zu reden. Was bringt das? Da geht es um Situationen, in denen der Betroffene das Gefühl hat, dass er auffällt. Zum Beispiel an der Supermarktkassa. Der Patient hantiert langsamer, und je mehr Leute hinter ihm stehen, desto größer wird die Nervosität. Da ist es hilfreich zu sagen: Ich habe Parkinson, bei mir geht alles ein wenig langsamer. Da- mit fällt der Druck weg, dass man krampfhaft etwas verbergen muss.
Wichtig ist auch Bewegung. Durch den Parkinson wird Bewegung aber schwieriger, man hat zudem eine Sturzneigung, das führt zu Vermeidungsverhalten, zu weniger Bewegung. Die Folge der zu geringen Belastung ist ein Muskelschwund in den Beinen, der die Sturzgefahr weiter erhöht. Dagegen hilft am besten Bewegung in Form von Ausdauersport und Gymnastik, aber auch Tanz. Tango ist für Parkinsonpatienten sehr hilfreich, weil durch den Rhythmus die Beweglichkeit angeregt wird. SN: Ist die Lebenserwartung durch Parkinson beeinträchtigt? Nein, Parkinsonpatienten haben heute eine im Wesentlichen normale Lebenserwartung. Man kann auch sehr viel tun, um eine gute Lebensqualität zu erreichen, weil sich die Symptome medikamentös gut lindern lassen. Hilfreich ist, sich gut zu informieren. Ich empfehle den Patientinnen und Patienten immer, werden Sie Ihr eigener Parkinsonexperte und gehen Sie in eine Selbsthilfegruppe.
„Sport, Tanz und Gymnastik sind hilfreich.“Klaus-Dieter Kieslinger, Neurologe