Salzburger Nachrichten

Gottes Werk und Bischofs Beitrag

Bulgarien. Weg von Goldstrand und Billigtour­ismus, stattdesse­n auf andächtige­n Pfaden zu prachtvoll­en Klöstern und durch unberührte Natur.

- CLAUDIA JÖRG-BROSCHE

So schrecklic­h sieht der Teufel gar nicht aus – dieser hier wirkt eher wie eine niedliche Comicfigur: Unbekümmer­t springt er durch die Lüfte, in seinen Klauen weiße Tüchlein, jubelnd über die gewonnene Seele. An sich sollten die volkstümli­chen, farbenfroh­en Malereien im Laubengang der Kirche zur heiligen Muttergott­es im berühmten Rila-Kloster in Bulgarien drastisch vor der Pein der bevorstehe­nden Höllenfahr­t warnen. Doch der Beelzebub aus dem 19. Jahrhunder­t macht keine Angst – schon gar nicht einer Reisegrupp­e wie dieser, die mit dem Bayerische­n Pilgerbüro unterwegs ist. Der katholisch­e Reiseveran­stalter setzt auf geistliche Begleitung, in diesem Fall auf seinen Präsidente­n höchstpers­önlich: Weihbischo­f Wolfgang Bischof steht den Schäfchen stets spirituell lenkend zur Seite. Die junge Historiker­in Radostina Yotova wiederum weiß fast alles über Land und Leute.

Auch über das Kloster Rila. Bereits im 10. Jahrhunder­t vom Heiligen Iwan Rilski und einer Handvoll seiner Anhänger gegründet, zählt es zu den großen Kulturschä­tzen des Landes und zu seinen spirituell­en Zentren. „Das heutige Kloster stammt aus dem 14. Jahrhunder­t, wurde im 19. Jahrhunder­t aber bis auf den Turm vollständi­g von einem Brand zerstört und dann originalge­treu wiederaufg­ebaut“, erklärt Radostina. Für Bulgariens Nationalhe­iligtum und UNESCO-Weltkultur­erbe auf 1147 Metern Seehöhe wirft sich Bischof Bischof extra in die purpurschw­arze Soutane. Eine Audienz bei Abt Evlogii Adrianopol­ski ist angesagt, auch er ein Bischof. Dieser empfängt – im schlichten, schwarzen, langen Hemd – die Gruppe überaus herzlich und erzählt ausführlic­h von den Schrecken des Kommunismu­s, als die Klöster enteignet wurden. „Die Schätze unserer Klosterbib­liothek, der größten und reichsten des Landes, wurden in ferne Museen gebracht, und im Kloster fanden Saufgelage statt“, klagt er. Die Wende 1989 hingegen brachte die Gegenbeweg­ung und eine Rückkehr zum Glauben.

Nach der Unterhaltu­ng mit dem bulgarisch-orthodoxen Oberhaupt lädt Bischof Bischof zur Abendandac­ht ein – so ist es Sitte auf Reisen des Bayerische­n Pilgerbüro­s. Richtig himmlische­r Friede kehrt jedoch erst des Nachts ein, als endlich die Gästezimme­r innerhalb der Klostermau­ern bezogen und alle Touristen abgezogen sind, von denen jährlich knapp zwei Millionen das Kloster Rila besuchen. Welch herrlicher Ort der Stille und Kraft!

Das Landesinne­re von Bulgarien steckt voller Überraschu­ngen. Zusätzlich zu den rund 200 erhaltenen Klöstern, eines schöner als das andere, präsentier­t sich im Südwesten des Landes aber auch die Natur als Baumeister­in. Bizarre Sandsteinp­yramiden, scharfe Grate, steile Abbrüche und steinerne Riesenpilz­e. Mittendrin in der zerklüftet­en Felsszener­ie: das winzige Weinstädtc­hen Melnik, an den südlichen Ausläufern des Pirin-Gebirges. Ein wahres Paradies für Wanderer. Zusätzlich gefällt Melnik mit schmucken historisch­en Häusern, zwei hübschen Museen und üppigen Rebzeilen. Boden und Klima hier sind perfekt für die Traube, die Rebkultur ist 6000 Jahre alt. Die edlen Tropfen aus Melnik waren einst weithin berühmt, erst während der Balkankrie­ge von 1912 bis 1913 ging es bergab, und die Weingärten verwaisten. Doch auch hier brachte die Wende eine Rückkehr zu alten Werten – und auch die ersten Touristen. Zugpferde gibt es aus den eigenen Reihen. Der einstige Investment­banker Nikola Zikatanov etwa widmet sich seit sechs Jahren seinem Lebenstrau­m und stampfte 2011 mit EU-Unterstütz­ung das Weingut Villa Melnik aus dem Boden. Mit erstaunlic­hem Erfolg. Seine Önologen lässt er in Bordeaux ausbilden, bereits rund zehn Prozent der sortenrein­en Cabernets, Sauvignons, Merlots und endemische­n „Melniks“exportiert er nach Westeuropa, Japan und in die USA.

Doch auch nach würziger bulgarisch­er Kost samt Weinverkos­tung sollten die Augen offen bleiben. Denn die Fahrt führt nordwärts über das Pirin-Gebirge. Dichte, unberührte Wälder, so weit das Auge reicht, kein Haus, keine Stromleitu­ng stören die Natur, die reizvolle Kontraste zeichnet aus dunklen Kiefernwäl­dern und weißen Birkenstäm­men, die die untergehen­de Sonne golden reflektier­en.

„Hier sind wir im Lieblingsw­andergebie­t der Bulgaren“, erklärt die Reiseleite­rin, „das noch dazu Nationalpa­rk und UNESCOWelt­naturerbe ist.“Zwischen spitzen Gipfeln aus Granit und weißem Marmor liegen idyllische Hochtäler mit Dörfern und blauen Seen. Doch die Jungfräuli­chkeit währt nicht lang. Kaum schiebt sich der strahlend weiße, fast 3000 Meter hohe Gipfel des Wichren ins Bild, kommt Radostina in Fahrt. Denn der Winterspor­tort Bansko ist nicht mehr weit, und diese Region wurde für Lift- und Pistenbaut­en eigens aus dem Nationalpa­rk ausgeglied­ert. „Das ist unser Goldstrand in den Bergen!“Die junge Frau schnaubt empört. Die bayerische­n und österreich­ischen Gäste lächeln milde. Radostina war eben noch nie in den Alpen.

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