Gottes Werk und Bischofs Beitrag
Bulgarien. Weg von Goldstrand und Billigtourismus, stattdessen auf andächtigen Pfaden zu prachtvollen Klöstern und durch unberührte Natur.
So schrecklich sieht der Teufel gar nicht aus – dieser hier wirkt eher wie eine niedliche Comicfigur: Unbekümmert springt er durch die Lüfte, in seinen Klauen weiße Tüchlein, jubelnd über die gewonnene Seele. An sich sollten die volkstümlichen, farbenfrohen Malereien im Laubengang der Kirche zur heiligen Muttergottes im berühmten Rila-Kloster in Bulgarien drastisch vor der Pein der bevorstehenden Höllenfahrt warnen. Doch der Beelzebub aus dem 19. Jahrhundert macht keine Angst – schon gar nicht einer Reisegruppe wie dieser, die mit dem Bayerischen Pilgerbüro unterwegs ist. Der katholische Reiseveranstalter setzt auf geistliche Begleitung, in diesem Fall auf seinen Präsidenten höchstpersönlich: Weihbischof Wolfgang Bischof steht den Schäfchen stets spirituell lenkend zur Seite. Die junge Historikerin Radostina Yotova wiederum weiß fast alles über Land und Leute.
Auch über das Kloster Rila. Bereits im 10. Jahrhundert vom Heiligen Iwan Rilski und einer Handvoll seiner Anhänger gegründet, zählt es zu den großen Kulturschätzen des Landes und zu seinen spirituellen Zentren. „Das heutige Kloster stammt aus dem 14. Jahrhundert, wurde im 19. Jahrhundert aber bis auf den Turm vollständig von einem Brand zerstört und dann originalgetreu wiederaufgebaut“, erklärt Radostina. Für Bulgariens Nationalheiligtum und UNESCO-Weltkulturerbe auf 1147 Metern Seehöhe wirft sich Bischof Bischof extra in die purpurschwarze Soutane. Eine Audienz bei Abt Evlogii Adrianopolski ist angesagt, auch er ein Bischof. Dieser empfängt – im schlichten, schwarzen, langen Hemd – die Gruppe überaus herzlich und erzählt ausführlich von den Schrecken des Kommunismus, als die Klöster enteignet wurden. „Die Schätze unserer Klosterbibliothek, der größten und reichsten des Landes, wurden in ferne Museen gebracht, und im Kloster fanden Saufgelage statt“, klagt er. Die Wende 1989 hingegen brachte die Gegenbewegung und eine Rückkehr zum Glauben.
Nach der Unterhaltung mit dem bulgarisch-orthodoxen Oberhaupt lädt Bischof Bischof zur Abendandacht ein – so ist es Sitte auf Reisen des Bayerischen Pilgerbüros. Richtig himmlischer Friede kehrt jedoch erst des Nachts ein, als endlich die Gästezimmer innerhalb der Klostermauern bezogen und alle Touristen abgezogen sind, von denen jährlich knapp zwei Millionen das Kloster Rila besuchen. Welch herrlicher Ort der Stille und Kraft!
Das Landesinnere von Bulgarien steckt voller Überraschungen. Zusätzlich zu den rund 200 erhaltenen Klöstern, eines schöner als das andere, präsentiert sich im Südwesten des Landes aber auch die Natur als Baumeisterin. Bizarre Sandsteinpyramiden, scharfe Grate, steile Abbrüche und steinerne Riesenpilze. Mittendrin in der zerklüfteten Felsszenerie: das winzige Weinstädtchen Melnik, an den südlichen Ausläufern des Pirin-Gebirges. Ein wahres Paradies für Wanderer. Zusätzlich gefällt Melnik mit schmucken historischen Häusern, zwei hübschen Museen und üppigen Rebzeilen. Boden und Klima hier sind perfekt für die Traube, die Rebkultur ist 6000 Jahre alt. Die edlen Tropfen aus Melnik waren einst weithin berühmt, erst während der Balkankriege von 1912 bis 1913 ging es bergab, und die Weingärten verwaisten. Doch auch hier brachte die Wende eine Rückkehr zu alten Werten – und auch die ersten Touristen. Zugpferde gibt es aus den eigenen Reihen. Der einstige Investmentbanker Nikola Zikatanov etwa widmet sich seit sechs Jahren seinem Lebenstraum und stampfte 2011 mit EU-Unterstützung das Weingut Villa Melnik aus dem Boden. Mit erstaunlichem Erfolg. Seine Önologen lässt er in Bordeaux ausbilden, bereits rund zehn Prozent der sortenreinen Cabernets, Sauvignons, Merlots und endemischen „Melniks“exportiert er nach Westeuropa, Japan und in die USA.
Doch auch nach würziger bulgarischer Kost samt Weinverkostung sollten die Augen offen bleiben. Denn die Fahrt führt nordwärts über das Pirin-Gebirge. Dichte, unberührte Wälder, so weit das Auge reicht, kein Haus, keine Stromleitung stören die Natur, die reizvolle Kontraste zeichnet aus dunklen Kiefernwäldern und weißen Birkenstämmen, die die untergehende Sonne golden reflektieren.
„Hier sind wir im Lieblingswandergebiet der Bulgaren“, erklärt die Reiseleiterin, „das noch dazu Nationalpark und UNESCOWeltnaturerbe ist.“Zwischen spitzen Gipfeln aus Granit und weißem Marmor liegen idyllische Hochtäler mit Dörfern und blauen Seen. Doch die Jungfräulichkeit währt nicht lang. Kaum schiebt sich der strahlend weiße, fast 3000 Meter hohe Gipfel des Wichren ins Bild, kommt Radostina in Fahrt. Denn der Wintersportort Bansko ist nicht mehr weit, und diese Region wurde für Lift- und Pistenbauten eigens aus dem Nationalpark ausgegliedert. „Das ist unser Goldstrand in den Bergen!“Die junge Frau schnaubt empört. Die bayerischen und österreichischen Gäste lächeln milde. Radostina war eben noch nie in den Alpen.