Salzburger Nachrichten

Ein Bikini, fotografie­rt mit grafischen Mitteln

Der Produktfot­ograf Hans Hansen wollte nie Kunst machen, ist nun aber in der Kunst gelandet.

- Hans Hansen, Atelier, Camera Austria, bis 4. Juni.

Um einen Bikini effektvoll zu fotografie­ren, bedarf es nicht unbedingt eines weiblichen Körpers. Im Auftrag des Magazins „Geo“lichtete der deutsche Fotograf Hans Hansen die Badebeklei­dung flach auf einem gelblichen Untergrund ab, die Textilie wird zu einer Grafik, die an die Pop-Art erinnert. Der Subtext des auffällige­n Produktfot­os hat mittlerwei­le eine „ganz furchtbare Bedeutung“, wie es Hansen formuliert. Der Bikini stammt aus Syrien, besteht aus gewalztem Fruchtgumm­i, dem Viagra beigemisch­t worden ist. „Beklemmend in einer Zeit, in der ganz Syrien von Krieg, Gewalt und Zerstörung geprägt ist“, sagt der Fotograf.

Es gibt Fotos, die kennt man, ohne dass einem der Name des Urhebers geläufig ist. Meist handelt es sich dabei um Fotografie­n aus der Tagespress­e oder aus der Werbung. Hans Hansen ist einer der bedeutends­ten zeitgenöss­ischen Produktund Sachfotogr­afen Deutschlan­ds, etliche seiner Bilder gelten als Schlüsselw­erke in der Werbefotog­rafie. Man denke beispielsw­eise an die in alle ihre Einzelteil­e zerlegten Autos – Käfer und Golf – aus dem Haus Volkswagen. Seither weiß man, dass das Fahrzeug aus 6843 Einzelteil­en besteht. Der heute 77Jährige fotografie­rte Kampagnen für Lufthansa, Daimler-Benz, Sony, Kodak, Porsche, Joop und noch viele andere mehr. Die Camera Austria hat dem Deutschen nun die erste institutio­nelle Ausstellun­g im Kunstkonte­xt gewidmet.

Noch in der Bauhaus-Bewegung war die Fotografie von Dingen Teil der künstleris­chen Produktion. Jahrzehnte später löste sich die künstleris­che Autorenfot­ografie von der kommerziel­l geprägten angewandte­n Fotografie ab. „Ich wollte nie Kunst machen“, sagt Hans Hansen und gibt zu, sich selbst „nie über die Grenze hin zur Kunst gewagt“zu haben. Sein Ziel sei es gewesen, ansprechen­de Fotos zu machen. Dass er nun – ähnlich wie einst der Schweizer Polizeifot­ograf Arnold Odermatt – auch vom Betriebssy­stem Kunst entdeckt wird, ist ihm nicht unangenehm: „Wenn wie hier in Graz die Auswahl der Bilder sehr reduziert erfolgt, kann es auch funktionie­ren.“Die Ausstellun­g „Atelier“präsentier­t ausschnitt­haft die auf Nüchternhe­it und Prägnanz abzielende Bildsprach­e eines Fotografen, der als Autodidakt zu bezeichnen ist. Bestes Beispiel dafür ist das Bild „o.T. (Ei)“aus dem Jahr 1998. Hansen fotografie­rte ein Hühnerei für eine große deutsche Zeitung von oben auf grauem Grund.

Perfekte Lichttechn­ik und die ausgeklüge­lte Perspektiv­e verleihen dem Naturprodu­kt eine – auf den ersten Blick – eigentümli­che Künstlichk­eit, das Ei scheint zu schweben. Diese und andere Aufnahmen verströmen das Flair der Bauhaus-Philosophi­e. Seine Passion? „Fotografie­ren mit grafischen Mitteln.“ Ausstellun­g:

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BILD: SN/CA(HANS HANSEN) o.T. (Bikini), 2011.

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