Die Briten lassen sich vom Terror nicht einschüchtern
Wie reagieren auf den Gewalt-Schrecken? Unsere Art des Lebens verteidigen. Den Fokus von Tätern auf die Opfer verlagern.
Der Umgang der Briten mit dem jüngsten Terroranschlag ist beeindruckend. Es herrschen echte Trauer und Bestürzung, ja. Aber die Menschen haben eben auch die fast trotzige Haltung angenommen, sich nicht unterkriegen lassen zu wollen. Das Motto „weitermachen“scheint in der britischen DNA zu stecken – und diese Reaktion dürfte ebenjene sein, die Terroristen am meisten verabscheuen.
Die Metropole zeigt in dieser Krisensituation zudem das, was sie so stark macht – sie ist eine offene, tolerante und multikulturelle Stadt, die islamophoben und rechtsradikalen Stimmen, die sich vereinzelt melden, sofort entschieden entgegentritt.
Natürlich befürchteten die Briten schon länger, Ziel einer Attacke zu werden. Die Frage sei nicht, ob das Königreich abermals von einem Terroranschlag getroffen werde, sondern wann, hieß es regelmäßig vonseiten der Polizei und der Regierung. Nun ist es geschehen, und die Attacke weckt Erinnerungen an die Terroranschläge 2005. Dieses Trauma hat sich tief ins Bewusstsein der Briten eingebrannt. Das hat dazu geführt, dass die Terrorabwehr massiv ausgebaut worden ist. Die Überwachungsgesetze sind deutlich weitreichender als auf dem Kontinent, zudem zeichnen Sicherheitskameras fast jede Regung im öffentlichen Leben auf. Aus Angst vor Anschlägen brandet kaum Gegenwehr in der Bevölkerung auf. Dabei gehen viele Maßnahmen zu weit, einige erinnern an Massenüberwachung. Auch der laxe Umgang mit dem Schutz privater Daten und der Privatsphäre ist äußerst kritikwürdig.
Großbritannien hat Erfahrung mit Terrorismus: Die irisch-katholische Untergrundorganisation IRA hat die Insel jahrzehntelang mit Gewalt überzogen. In dieser Zeit haben die Behörden eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut. Deshalb blieb es vor allem in London, das im Fokus der Terroristen steht, so lang ruhig. Bis zum Mittwoch.
Wie konnte diese Tat passieren, ausgeführt von einem in Großbritannien geborenen und aufgewachsenen Extremisten, den die Sicherheitsbehörden bereits in der Vergangenheit im Visier hatten? Vieles deutet auf einen „einsamen Wolf“hin, der zwar von Islamisten angeregt wurde, aber nicht unter dem Kommando einer Organisation stand. Er ging auf simple Weise vor und bediente sich einfachster Mittel. Es ist die neue Realität, an die wir uns wohl gewöhnen müssen, wenn wir in einer offenen Gesellschaft leben wollen. Ein Mietwagen und ein Messer reichen aus, um schrecklich viel Leid anzurichten.