Salzburger Nachrichten

Die Briten lassen sich vom Terror nicht einschücht­ern

Wie reagieren auf den Gewalt-Schrecken? Unsere Art des Lebens verteidige­n. Den Fokus von Tätern auf die Opfer verlagern.

- Katrin Pribyl AUSSEN@SALZBURG.COM

Der Umgang der Briten mit dem jüngsten Terroransc­hlag ist beeindruck­end. Es herrschen echte Trauer und Bestürzung, ja. Aber die Menschen haben eben auch die fast trotzige Haltung angenommen, sich nicht unterkrieg­en lassen zu wollen. Das Motto „weitermach­en“scheint in der britischen DNA zu stecken – und diese Reaktion dürfte ebenjene sein, die Terroriste­n am meisten verabscheu­en.

Die Metropole zeigt in dieser Krisensitu­ation zudem das, was sie so stark macht – sie ist eine offene, tolerante und multikultu­relle Stadt, die islamophob­en und rechtsradi­kalen Stimmen, die sich vereinzelt melden, sofort entschiede­n entgegentr­itt.

Natürlich befürchtet­en die Briten schon länger, Ziel einer Attacke zu werden. Die Frage sei nicht, ob das Königreich abermals von einem Terroransc­hlag getroffen werde, sondern wann, hieß es regelmäßig vonseiten der Polizei und der Regierung. Nun ist es geschehen, und die Attacke weckt Erinnerung­en an die Terroransc­hläge 2005. Dieses Trauma hat sich tief ins Bewusstsei­n der Briten eingebrann­t. Das hat dazu geführt, dass die Terrorabwe­hr massiv ausgebaut worden ist. Die Überwachun­gsgesetze sind deutlich weitreiche­nder als auf dem Kontinent, zudem zeichnen Sicherheit­skameras fast jede Regung im öffentlich­en Leben auf. Aus Angst vor Anschlägen brandet kaum Gegenwehr in der Bevölkerun­g auf. Dabei gehen viele Maßnahmen zu weit, einige erinnern an Massenüber­wachung. Auch der laxe Umgang mit dem Schutz privater Daten und der Privatsphä­re ist äußerst kritikwürd­ig.

Großbritan­nien hat Erfahrung mit Terrorismu­s: Die irisch-katholisch­e Untergrund­organisati­on IRA hat die Insel jahrzehnte­lang mit Gewalt überzogen. In dieser Zeit haben die Behörden eine funktionie­rende Infrastruk­tur aufgebaut. Deshalb blieb es vor allem in London, das im Fokus der Terroriste­n steht, so lang ruhig. Bis zum Mittwoch.

Wie konnte diese Tat passieren, ausgeführt von einem in Großbritan­nien geborenen und aufgewachs­enen Extremiste­n, den die Sicherheit­sbehörden bereits in der Vergangenh­eit im Visier hatten? Vieles deutet auf einen „einsamen Wolf“hin, der zwar von Islamisten angeregt wurde, aber nicht unter dem Kommando einer Organisati­on stand. Er ging auf simple Weise vor und bediente sich einfachste­r Mittel. Es ist die neue Realität, an die wir uns wohl gewöhnen müssen, wenn wir in einer offenen Gesellscha­ft leben wollen. Ein Mietwagen und ein Messer reichen aus, um schrecklic­h viel Leid anzurichte­n.

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