Beihilfenexport steigt weiter
Im vergangenen Jahr bezahlte Österreich bereits 272,6 Millionen Euro an Familienförderung für 132.000 im Ausland lebende Kinder. Bei den Kürzungsplänen gibt es nach wie vor keine Einigung.
WIEN. Die Familienbeihilfezahlungen für im Ausland lebende Kinder sind 2016 erneut um fast zehn Prozent gestiegen. Die dem Familienministerium nun vorliegenden Eckdaten besagen: Für 132.000 Kinder wurden 272,6 Millionen Euro überwiesen.
In den vergangenen Jahren ist der „Export“der Familienleistungen enorm gestiegen. Die Anzahl der im Ausland lebenden Kinder von EU-Migranten, für die Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag bezahlt wird, schnellte seit 2013 von 94.000 auf 132.000 (plus 40,4 Prozent) in die Höhe, die ausbezahlte Summe von 192 Mill. auf 272,6 Mill. Euro (plus 42 Prozent).
Eine Aufschlüsselung, in welche Länder 2016 wie viel floss, liegt noch nicht vor. 2015 war es so: Von den „exportierten“249 Mill. Euro wurden 64,7 Mill. Euro für in Ungarn lebende Kinder, 59,7 Mill. Euro für in der Slowakei lebende Kinder, 37,3 Mill. Euro für in Polen und 27,4 Mill. Euro für in Rumänien lebende Kinder bezahlt. Allein auf diese vier osteuropäischen Länder entfielen damit 189,1 Mill. Euro oder 76 Prozent der Gesamtsumme. Daran dürfte sich 2016 wenig geändert haben. Das ist aus den vorläufigen Migrationszahlen der Statistik Austria zu schließen. Demnach setzte sich die starke Zuwanderung von ungarischen und rumänischen EU-Bürgern nach Österreich fort (plus je elf Prozent).
Österreich will die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshaltungskosten anpassen (Indexierung). Da der Großteil des Geldes in Länder mit geringeren Lebenshaltungskosten geht, bedeutet das in den meisten Fällen Kürzungen. Ungarn wäre am meisten betroffen, entsprechend empört ist man dort. Erst am Mittwoch drohte der ungarische Sozialminister unverhohlen mit Revanche. Das wiederum erzürnt Österreich. In einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“bezeichnet Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) die Drohung als „nicht akzeptabel“. Solidarität nur dort einzufordern, wo es einem passe, „das geht nicht“. Er habe das bereits Ungarns Premier Viktor Orbán mitgeteilt: „Ich habe ihm klargemacht, wenn er so anfängt, bringt er einen Kreislauf in Bewegung, in dem auch wir uns etwas überlegen müssten. Das würde mit Schrammen auf beiden Seiten enden.“
Innenpolitische geht das Pingpongspiel um die Kürzung der Familienbeihilfe dagegen weiter. Ein Treffen des SPÖ-Klubs endete Mittwochabend ergebnislos. Und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), deren Ressort unter massivem Spardruck steht und sich durch die Indexierung der Familienbeihilfe Einsparungen in der Höhe von 100 Mill. Euro jährlich erhofft, scheint die Geduld zu reißen. Die SPÖ habe längst den fertigen Gesetzesentwurf und unterdessen auch einen Verordnungsentwurf, man habe alle Fragen beantwortet und erwarte deshalb, dass die SPÖ der im neuen Regierungspakt stehenden Indexierung endlich zustimme.
Ein Gutachten des Wiener Sozialrechtlers Wolfgang Mazal geht davon aus, dass die Indexierung EUkonform ist. Die österreichische Familienbeihilfe sei keine Sozialleistung im eigentlichen Sinn, sondern stelle dezidiert darauf ab, Eltern von der Unterhaltspflicht zu entlasten – und jene wiederum beziehe sich auf den Warenkorb und damit auf die Lebenshaltungskosten.
In den Reihen der SPÖ befürchtet man, dass eine Kürzung der Familienbeihilfe zu einem Personalmangel bei der 24-Stunden-Pflege – die meist von Osteuropäerinnen geleistet wird – kommen könnte und will eine „Wirkungsfolgenabschätzung“. Karmasin weist darauf hin, dass die Familienbeihilfe weder ein Gehaltsbestandteil noch eine Versicherungsleistung sei, sondern die Funktion habe, für einen Ausgleich zwischen Menschen mit und ohne Unterhaltspflichten zu sorgen.