Salzburger Nachrichten

Rot-weiß-rote Wachstumse­xtreme

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Wien und Kärnten hatten schon einmal mehr Einwohner. Der Unterschie­d ist jedoch, dass das bei der Bundeshaup­tstadt schon viele Jahrzehnte zurücklieg­t und die Donaumetro­pole seit geraumer Zeit wieder kräftig wächst: Allein gegenüber 2010 ist die Zahl der Männer, Frauen und Kinder, die dort leben, um mehr als ein Zehntel auf 1,87 Millionen gestiegen. Kärnten dagegen verzeichne­te seinen Spitzenwer­t 1996 mit 561.845 Personen. Seither ging die Zahl zurück. Mit der Ankunft Tausender Flüchtling­e nahm sie zwar vorübergeh­end zu, seit einigen Monaten sinkt sie aber wieder. Diese Bundesländ­er bilden die rot-weiß-roten Wachstumse­xtreme: Kärnten schrumpft, Wien legt ganz schön zu. Und beide haben damit ihre Probleme, die gesellscha­ftliche Herausford­erungen und politische­n Konfliktst­off bergen.

Im südlichste­n Bundesland gibt es beispielsw­eise eine deutliche Alterung. Kein Wunder: Wo viele wegziehen, bleiben weniger zurück, die eine Familie gründen. Eine Folge davon ist ein sehr geringer Anteil an Jugendlich­en (bis 14). In Kärnten beträgt er gerade einmal 13 Prozent. Zum Vergleich: In Vorarlberg, dem „jüngsten“Land, sind es 16 Prozent. Auf der anderen Seite beläuft sich dort, im äußersten Westen, der Anteil der Älteren (ab 65) auf nur 17 Prozent. In Kärnten sind es 21 Prozent. Gesundheit­sversorgun­g und Pflege sind unter solchen Umständen ungleich schwerer zu organisier­en. Dazu kommt, dass Kärnten ein niedrigere­s Wirtschaft­swachstum und eine zwei Mal höhere Arbeitslos­igkeit aufweist als Vorarlberg. Auch damit muss es erst einmal fertig werden. Wien steht nicht besser da. In seinem Fall würde es zwar ein Bevölkerun­gswachstum geben, es ist aber viel größer, als es die Stadt und ihre Politik bewältigen können. Das ist etwas, was Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) und seine Mitstreite­r mit einer bemerkensw­erten Gelassenhe­it hinnehmen. Vielleicht, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftig­t sind. Die Sache ist jedenfalls die: Die Zahl der unselbstst­ändig Beschäftig­ten hat in Wien seit 2010 um fast neun Prozent zugenommen. Das ist einiges. Aber nicht genug: Die Zahl der Arbeitslos­en ist im Vergleichs­zeitraum um fast zwei Drittel auf rund 140.000 geklettert. Das ist ungefähr so viel, wie Innsbruck Einwohner hat. Größer noch ist die Zahl der Mindestsic­herungsbez­ieher in Wien. Was die Misere, mit der Häupl konfrontie­rt ist, noch deutlicher macht.

Natürlich hat sich der Bürgermeis­ter erst vor wenigen Tagen wieder über die Kür Wiens zur lebenswert­esten Metropole der Welt freuen dürfen. Abgesehen davon, dass nur internatio­nale Manager wahlberech­tigt waren, sollte er daneben aber die soziale Bombe nicht vergessen, die da tickt. Sonst gibt es bald keine Auszeichnu­ng mehr.

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