In Hongkong setzt Peking seinen Willen durch
Auch die neue Stadtchefin wird eine Statthalterin des Regimes sein. Bei Demokratie-Aktivisten wächst der Zorn.
HONGKONG. Wie ein Netz von Fäden breitet sich über Hongkong der Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KP) aus. In den Redaktionen sitzen immer mehr ihrer zuverlässigen Gefolgsleute, die Firmenchefs unterstützen ganz offen die Machthaber vom Festland – und Peking diktiert unverhohlen, wer an den politischen Schaltstellen sitzen soll. An diesem Wochenende zeigen die Kommunisten wieder ihren Einfluss. Eine Wahlversammlung bestimmt den neuen Stadtchef – und zwar ganz im Sinne Pekings. Schon jetzt ist sicher, dass die 59-jährige Beamtin Carrie Lam gewinnen wird. Sie ist die erklärte Wunschkandidatin der KP.
Demokratie-Aktivisten halten es daher für zunehmend wahrscheinlich, dass die jungen Leute der Stadt schon bald wieder auf die Straße gehen, um ihr Recht auf freie Wahlen einzufordern. „Die Auswahl des Chief Executive ist eine Farce“, sagt Nathan Law von der Partei Demosisto. Law ist mit 23 Jahren der jüngste Abgeordnete des Stadtparlaments von Hongkong. Auch er darf am Sonntag mit abstimmen. Doch das demokratische Lager ist in der Wahlversammlung nur schwach vertreten. Sie besteht vor allem aus Abgesandten der Wirtschaftsverbände. Diese stimmen traditionell mit Peking, um ihre Geschäfte nicht zu gefährden. Demosisto fordert eine Verfassungsänderung, die der Bevölkerung ein gleiches Wahlrecht gibt.
Das nächste politische Großereignis, an dem sich Proteste entzünden können, steht im Juli an. Dann jährt sich die Übergabe Hongkongs von Großbritannien an China zum 20. Mal. Staatspräsident Xi Jinping – oder ein hochrangiger Stellvertreter – wird anreisen und eine Truppenparade abnehmen. Die Studenten und ihre Unterstützer empfinden das als Provokation. In der Stadt könnte dann wieder die Hölle los sein. Im Herbst 2014 haben mehr als 150.000 junge Leute – zu Spitzenzeiten auch deutlich mehr – gegen die Repression durch Peking demonstriert. Bilder des „Regenschirm-Aufstands“gingen um die Welt.
Die Eingriffe Pekings haben auch einen Teil der Hongkonger Elite tief enttäuscht. „Wir begriffen die Übergabe 1997 als Chance“, sagt Anson Chan, damals Verwaltungschefin und später Parlamentsabgeordnete. Sie habe die Zusicherung Pekings ernst genommen, in Hongkong die Demokratie zu erhalten und weiterzuentwickeln. „Ein Land, zwei Systeme“hieß das Schlagwort. Doch stattdessen versuche Chinas Regierung heute, Hongkong der eigenen Staatsform unterzuordnen.