Europas Geburtstag ist nicht nur ein großes Fest
Nach dem Terror in London steigt die Nervosität bei Italiens Sicherheitsbehörden. In Rom starten vielerlei Demonstrationen.
Die Trauerfeierlichkeiten für Papst Johannes Paul II. vor zwölf Jahren haben, so hieß es damals, drei Millionen Menschen auf die Beine gebracht. Nur ein ganz kleiner Bruchteil dieser Menge wird zum Geburtstag der Römischen Verträge morgen, Samstag, erwartet, aber der Aufwand für Sicherheit und gegen verschiedene Risiken ist jetzt ungleich höher.
Rom – mit seiner Routine in religiösen, gewerkschaftlichen und politischen Massenveranstaltungen – hat sich in großem Umfang gerüstet. Wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs sich auf dem weiträumig abgeriegelten Kapitol am Geburtstort der europäischen Einigung feierlich versammeln, laufen Manifestanten an mindestens sechs Plätzen zusammen; dann winden sich vier Demonstrationszüge für mehr, weniger, ein anderes oder überhaupt kein Europa in Richtung Kolosseum.
Nach den Anschlägen von Paris und London binnen einer Woche ist die Nervosität bei den Sicherheitsbehörden in Rom noch gewachsen – nicht weil es konkrete Hinweise auf Terrorpläne gäbe, sondern weil mögliche Einzeltäter in großen Menschenansammlungen schwer auszumachen und aufzuhalten sind. Es werden weniger die terroristischen Zellen gefürchtet, die von der schwarzen IS-Flagge auf der Kuppel des Petersdoms träumen und dies auch schon per Internetvideo kundgetan haben, sondern viel stärker die „einsamen Wölfe“. Um solche Einzelgänger, radikalisierte Kriminelle oder psychisch Gestörte hoffentlich frühzeitig erkennen zu können, werden Polizisten in Zivil in sehr großer Zahl in Rom aufgeboten.
Die am strengsten gesicherte Zone um den von Michelangelo gestalteten Kapitolshügel ist dieses Mal keine rote, sondern zu Ehren der europäischen Flagge eine blaue Zone. Auch die große anschließende grüne Zone ist kein grüner Bereich zum Betreten, weil man dafür am Samstag eine spezielle Genehmigung benötigt.
Enttäuschte Rom-Touristen, die das Forum Romanum, das Kolosseum und Neros Domus Aurea nicht besuchen können, können sich in Teilen des Zentrums nicht mit einem Einkaufsbummel trösten, weil viele Geschäfte geschlossen sind – dies auch aus Angst, bei ausartenden Demonstrationen Schaden zu erleiden.
Womöglich helfen die Anti-Terror-Maßnahmen, den Pseudomut derer zu kühlen, die am Rande von Demonstrationen gern Chaos und Zerstörung anrichten. Jedenfalls ist man darauf eingerichtet, dass Angehörige des „schwarzen Blocks“etwa aus Frankreich oder Deutschland anreisen und sich unter die radikalen Demonstranten der Plattform „Eurostop“mischen. Damit potenzielle Gewalttäter nicht im Schutz der Anonymität vorgehen können, sind bei den Kundgebungen Sturzhelme und Motorradmützen verboten. Zu den ohnehin schon sehr zahlreichen Videokameras in Rom sind jetzt noch hundert weitere im römischen Zentrum angebracht worden.
Auch die Rechtsradikalen wie die Gruppe Forza Nuova lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen, ihre Ablehnung der EU zu manifestieren. Für die „Nationale Bewegung für die Souveränität“, kürzlich gegründet von Roms Ex-Bürgermeister Gianni Alemanno, gibt es an diesem Samstag den ersten öffentlichen Auftritt, bei dem aber die üblichen eurofeindlichen Gruppierungen wie Fratelli d’Italia, Lega Nord und Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) nicht dabei sind. Appelle, Seminare, Pressekonferenzen, Manifeste und Parlamentsveranstaltungen gibt es schon seit Tagen in großer Zahl. Die klassischen christ- und sozialdemokratischen sowie liberalen und grünen Europafreunde wollen das Feld nicht den scharfen Kritikern und Gegnern überlassen. Bei einem „Marsch für Europa“wollen sie für eine „stärkere, einige und demokratische“Gemeinschaft eintreten.