Mehr Power für das Jazzvolk!
Zur Eröffnung der Jazzwoche riss Joss Stone Burghausen von den Sitzen.
Ist Jazz nicht die Kunst, lässig mit allen Regeln zu brechen? Ja, schon. Das heißt aber nicht, dass es für Stars bei einem Jazzfestival keine Vorschriften gäbe. Welches Gebot an sie herangetragen wurde, berichtete Joss Stone am Mittwoch zur Eröffnung der Jazzwoche Burghausen: „Man sagte mir am Nachmittag: ,Bitte pass auf, dass es nicht zu laut wird‘“, erzählte die Sängerin hörbar amüsiert. Immerhin hatte sie soeben im Refrain des ersten Songs gefordert: „Um Gottes willen, gebt dem Volk mehr Power!“
Als Powerfrau einer neuen britischen Soul-Welle wurde sie 2003 berühmt. Bei anderen Jazzfestivals wäre also schon ihr Auftritt allein ein Bruch mit den Jazzregeln. In Burghausen aber lässt Intendant Joe Viera gern die Vielfalt sprießen. Experiment und Easy Listening finden auf der gleichen Bühne Platz. Das freute die Gewinner des Burghausener Nachwuchs-Jazzpreises: Das Trio des Posaunisten Filippo Vignato konnte als Vorband seine freigeistigen, mit Elektronik aufgeladenen Improvisationen in einer dank Joss Stone ausverkauften Wackerhalle spielen. „Danke, dass . . . ihr so viele seid!“, sagte Bandchef Vignato überrascht.
Auf Stone wiederum wirkte anfangs die Sitzdisziplin des Jazzpublikums überraschend. „Seid ihr bereit, mit mir zu singen?“, fragte der Popstar bald. Nein, noch nicht. Ihren frühen Hit „Super Duper Love“ließ sie die Band daher nach ein paar Takten doch lieber aufsparen. „Vielleicht war es zu laut?“, rätselte sie und schwenkte auf eine Ballade um, in der ihre Stimme allein Überzeugungskraft leistete. Zu hören ist in Nummern wie „Drive All Night“, dass sie in jeder Tonlage mit Delikatesse punktet. Zwischen Seufzen und Temperamentsausbruch bringt die Stimme sogar unscheinbare Songs zum Strahlen. Mit dieser Gabe wurde Stone, die ihr erstes Platin-Album mit 16 veröffentlichte, zu einer jungen Wegebnerin für all die Duffys und Adeles, die sie später als Soul-Prinzessin überholten. Stone, die heuer 30 wird, entdeckte unterdessen das Schauspielen für sich. Auch dieses Talent fand bei ihren showtechnisch geschickten Charme-Offensiven in Burghausen Verwendung. Die Wirkung: Am Schluss saß niemand mehr auf seinem Platz. Und mitsingen wollten beim zweiten Anlauf zu „Super Duper Love“dann doch alle. Die Lautstärke? War kein Thema mehr. Festival: