Essen im Akkord
Heimische Lokale reservieren immer öfter Tische nur für ein bestimmtes Zeitfenster. Sind Wirtschaftlichkeit und Gemütlichkeit ein Widerspruch?
WIEN. Der Valentinstag ist zwar schon ein paar Wochen her. Wolfgang M. muss trotzdem noch immer daran denken. Weil er sich im Nachhinein über die Auswahl seines Lokals heute noch ärgert. Ein schönes Lokal in der Wiener Innenstadt, das Essen gut, die Bedienung freundlich, nur gemütlich sei es nicht gewesen. Das Paar hatte nämlich exakt zwei Stunden Zeit für sein romantisches Dinner.
Ein Trend greift in der heimischen Gastronomie um sich. Gefragte Lokale vergeben ihre Tische immer öfter mehrmals am Abend. Ein Gast kann nur für etwa zwei Stunden den Tisch reservieren. „Ein Trend aus dem Ausland schwappt damit nach Österreich“, erklärt Mario Pulker, Obmann des Fachverbands Gastronomie bei der Wirtschaftskammer. „Viele Österreicher kennen das schon vom Urlaub. In Italien, Frankreich und den USA ist das absolut üblich“, sagt Pulker. Er betreibt selbst ein gefragtes Lokal in der Wachau und vergibt zu Spitzentagen ebenfalls einen Tisch mehrmals. „Das funktioniert problemlos.“Wichtig sei, dass man es dem Gast schon bei der Reservierung mitteile. Vor allem gute Lokale, die gefragt seien, wollten mit der öfteren Vergabe eines Tisches ihren Umsatz steigern. „Die Gäste essen und trinken nachher vielleicht noch eine Flasche Wein. Da verdient das Lokal vielleicht noch einmal 15 Euro. Wenn der Tisch drei Mal vergeben wird, wird drei Mal gegessen und getrunken.“
Dass die viel gelobte österreichische Gemütlichkeit und die Wirtshauskultur auf der Strecke bleiben, fürchtet Pulker nicht. „Das gibt es ja nur bei manchen Lokalen. Und ich kann mir als Gast auch aussuchen, ob ich hingehe.“Bei Geschäftsessen, beim Brunch und Mittagessen habe man in zwei Stunden genügend Zeit. „Wenn ich mit Freunden zusammensitzen will, gehe ich eben in ein anderes Lokal“, sagt der Gastronom.