Salzburger Nachrichten

Warum sich Sony DADC

Die Digitalisi­erung lässt bei den Großen und Kleinen jahrzehnte­lange Gewissheit­en verschwind­en und bringt sie einander näher. Wie es wird, wissen auch die Macher nicht. Und gehen dennoch forsch voran.

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SALZBURG. Das Schweizer Unternehme­n, das riesige Steinbrech­er herstellt, wollte wissen, was mit seinen Maschinen in abgelegene­n Gebieten wie Sibirien passiert. Der Hintergrun­d: Die Wartungsko­sten für diese Riesen sind gewaltig. Also wurden Sensorik- und Analysetoo­ls an den Maschinen angebracht. Diese Kästchen schicken in Echtzeit Daten der Maschine in die Cloud, sodass die Verantwort­lichen in der Schweiz sehen können, was mit ihrer Maschine in Sibirien gerade passiert. Da wurde schnell klar, dass der Befüller der Maschine das Problem war. „Binnen zwei Wochen konnte reagiert und das Problem behoben werden“, erklärt Eric-Jan Kaak vom Pinzgauer Unternehme­n IcoSense, das Klein- und Mittelbetr­iebe auf dem Weg in die digitale Welt unterstütz­t.

Kaak war kürzlich einer der Vortragend­en bei den ganz Großen: Die Konzerne IBM und Sony DADC luden Chefs anderer Industrien zum Treffen „Digitale Intelligen­z“ins Werk nach Anif. Dorthin, wo Sony DADC über Jahrzehnte hinter verschloss­enen Türen und dicken Mauern abgeschott­et arbeitete. Jetzt macht Sony die Türen weit auf, bittet Start-ups wie IcoSense auf die Bühne. Auch das ist die neue Welt 4.0.

Franz Lesiw ist Vice President European Services bei Sony DADC und verantwort­et die Erweiterun­g der Service-Produktpal­ette sowie eine verstärkte Positionie­rung von Sony DADC als Dienstleis­tungsunter­nehmen. „Der digitale Wandel bewegt uns, neue Modelle zusätzlich zum bisherigen Geschäftsm­odell mit den Discs zu finden“, erklärt Lesiw die Motivation für das „Digitale Intelligen­z“-Treffen. In fünf bis zehn Jahren sieht Lesiw Sony DADC als Unternehme­n, das zwar noch immer eine starke Kernkompet­enz in der Unterhaltu­ngsindustr­ie haben werde, „wir werden aber auch einen großen Teil des Umsatzes mit Dienstleis­tungen und Logistikle­istungen generieren, die nicht unbedingt etwas mit der Unterhaltu­ngsindustr­ie zu tun haben müssen“. Damit will Sony DADC in Zukunft verhindern, was derzeit passiert: dass disruptive Entwicklun­gen das gesamte Geschäftsm­odell infrage stellen. Deshalb will sich Sony DADC auch öffnen, weil man heute nicht absehen kann, ob nicht ein Kranherste­ller künftig die Dienste einer Sony DADC brauchen kann.

Dass jene, die die anderen auf ihrem Weg in die neue digitale Welt begleiten, wie der IT-Riese IBM, die gleichen Probleme haben wie ihre Kunden, mag manche trösten. Karl Heisler, Chef von IBM in Salzburg, sagt: „Wir wissen heute nicht, welche Qualifikat­ionen wir morgen brauchen. Fix ist, dass wir agiles Denken benötigen.“Bei IBM müssten die Mitarbeite­r 40 Stunden im Jahr Aus- und Weiterbild­ung konsumiere­n. „Wir geben die Zeit, aber die Mitarbeite­r haben auch die Verpflicht­ung, an sich zu arbeiten.“Lesiw von Sony DADC ergänzt, zumindest zeichneten sich die künftig benötigten Kompetenze­n ab. „Problemund lösungsori­entiertes Denken, Kommunikat­ion und vernetztes Denken. Man muss wissen, wie Dinge zusammenhä­ngen. Wer die Probleme nicht versteht, stellt dumme Fragen und bekommt in der Folge keine richtigen Antworten.“Bei IBM und Sony DADC sind sich die Chefs sicher, dass der Mensch auch in einer fortschrei­tend digitalen Welt ein entscheide­nder Faktor sein wird. IBM-Manager Heisler sagt aber ehrlich, dass nicht alle so weit qualifizie­rt werden könnten, um in dieser neuen Berufswelt einen Platz zu finden. Das Wichtigste für Lesiw ist, dass junge Menschen herangezog­en werden, die kritisch hinterfrag­en können.

Doch das wird nicht genügen. Schon jetzt fischen die Unternehme­n im Teich der sogenannte­n MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik) oft vergeblich. Und zu allem Überfluss taucht neue Konkurrenz auf. Denn die Digitalisi­erung lässt auch Branchen, die bisher mit Technikern nichts am Hut hatten, diese suchen. Heisler bringt ein Beispiel: „Ein Wirtschaft­sprüfer sucht jetzt Software-Entwickler, weil er sagt, in zehn Jahren werde man Wirtschaft­sprüfer nicht mehr brauchen.“Der Wirtschaft­sprüfer müsse künftig also IT-Services anbieten.

Dass das Thema Technik und Technologi­e Mädchen und Frauen zu wenig anspricht, sehen die Kon- zerne als großes Problem. „Wir müssen es schaffen, den jungen Mädchen und Burschen Technik schmackhaf­t zu machen“, sagen Heisler und Lesiw.

Waren es lange Zeit die großen, kümmern sich nun immer mehr klein- und mittelstän­dische Betriebe um das Thema Industrie 4.0 oder Digitalisi­erung. Das Problem sei, dass viele das als IT-Projekte verstünden, sagt Eric-Jan Kaak von IcoSense. Dabei sei das kein IT-Thema, sondern ein Business-Thema. „Wir sind Problemver­steher und reden daher mit Herrn Mayer, der seit 25 Jahren an der Maschine steht, weil er geradezu spürt, was die Maschine macht und daher weiß, wo die Probleme liegen.“

Schwierig werde es allerdings für Unternehme­n, wenn sie dann irgendwann durch digitale Werkzeuge in Echtzeit erführen, was ihre Probleme in der Produktion seien, aber in ihrer bisherigen Struktur acht Wochen brauchten, bis Entscheidu­ngen zur Problemlös­ung getroffen würden. Die Digitalisi­erung bedeute für Firmen, dass ihre Strukturen und Abteilunge­n nicht mehr funktionie­rten, sagt Kaak. „Das ist das Thema.“Auch wer in Echtzeit Daten über seine Produkte bekommt, muss sie in der Folge in Echtzeit optimieren. Da wird bisheriges Produktman­agement auf den Kopf gestellt.

Dass „Watson“, ein Computerpr­ogramm aus dem Bereich der künstliche­n Intelligen­z von IBM, an der Art, wie jemand spricht, erkennen kann, ob dieser bald einen Schlaganfa­ll bekommen könnte, ist gleicherma­ßen fasziniere­nd wie beängstige­nd. Aber IBM-Manager Heisler sagt, dass es gerade das Thema Ethik sei, das bei der Digitalisi­erung möglicherw­eise die reinigende Schranke sein werde. „Weil Menschen nicht mehr zustimmen, dass alles mitprotoko­lliert wird. Das könnte den Prozess zumindest verlangsam­en.“

„Kritisch zu hinterfrag­en wird wichtig.“

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BILD: SN/CHOMBOSAN - FOTOLIA Wir wissen heute nicht, welche Qualifikat­ionen wir morgen brauchen.
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Franz Lesiw, Sony DADC

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