3 x 3 Fragen zur 3. Piste
Der Flughafen Wien-Schwechat lässt kein Rechtsmittel unversucht, um doch noch grünes Licht für eine neue Start-und-Lande-Bahn zu erhalten. Die Chancen dafür sind ungewiss. Aber es steht viel auf dem Spiel.
WIEN. Die Pläne für eine dritte Piste am Flughafen Wien reichen weit zurück. Bereits 1996 erklärte der damalige Flughafen-Vorstand Franz Kotrba, nur mit einer zusätzlichen Startbahn könne man die erwartete Zunahme des Passagieraufkommens bis 2015 bewältigen. Jetzt wird es selbst im günstigsten Fall 15 Jahre länger dauern – wenn es überhaupt dazu kommt.
1.
Nach 16 Jahren Genehmigungsverfahren untersagte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das Projekt Anfang Februar. Das Gericht bestätigt zwar die vorgebrachten Argumente für den Bau – wie die Bewältigung steigender Passagierzahlen und rund 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Doch der „Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels“und „die Erhaltung wertvollen Ackerlands für zukünftige Generationen“seien höher zu gewichten.
2.
Die beiden Flughafen-Vorstände Julian Jäger und Günther Ofner sehen in dem Spruch einen weltweit einmaligen Fall. Diese Rechtsmeinung könnte künftige Großprojekte grundsätzlich infrage stellen und werfe Zweifel am Wirtschaftsstandort Österreich auf. Objektiv gesehen ist die Sache auch deshalb so komplex, weil hier wirtschaftliche, ökologische, wissenschaftliche, politische und juristische Anliegen und Prinzipien aufeinanderprallen. Dazu kommen noch individuelle Interessen von Anrainern.
3.
Am Mittwoch hat der FlughafenVorstand fristgerecht zwei Rechtsmittel eingebracht: eine 38 Seiten starke Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) wegen der Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte (wie Eigentumsund Erwerbsfreiheit) und eine außerordentliche Revision (77 Seiten) beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Beanstandet werden „inhaltliche Rechtswidrigkeit, denkunmögliche und willkürliche Gesetzesauslegung“sowie „widersprüchliche Begründung“. Eine ordentliche Revision hat das Gericht in seinem Spruch nicht zugelassen. Die Erfolgsaussichten sind schwer einzuschätzen. Die Flughafen-Vorstände jedenfalls geben sich optimistisch. Je mehr sie sich mit dem Thema befassten, desto mehr seien sie von den Erfolgsaussichten ihrer Eingaben überzeugt.
4.
Allein die Klärung der Zuständigkeiten könnte bis zu ein halbes Jahr dauern. Weil im Fall einer Neuverhandlung wieder von einem Lauf durch die Instanzen auszugehen ist, wird es wohl mindestens bis 2022 oder 2023 dauern, bis es Rechtssicherheit gibt. Und selbst wenn dann alles so schnell wie möglich geht – und grünes Licht für den Bau der Piste erfolgt –, könnte die neue Start-und-Lande-Bahn frühstens ab 2030 in Betrieb gehen.
5.
Der Flughafen Wien verwahrt sich dagegen, dass ihm durch die Luftfahrt entstehende CO2-Emissionen überhaupt zugerechnet werden. Das Pariser Klimaschutzabkommen richte sich an Staaten, nicht an einzelne Projektwerber. Das Gericht könne nur auf Basis von nationalen oder EU-Gesetzen urteilen. Zudem würde eine nicht gebaute Piste ein Mehraufkommen von Passagieren auf andere Flughäfen verlagern oder die Warteschleifen verlängern. Beides würde den CO2-Verbrauch erhöhen, statt ihn zu senken.
6.
Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Flughafen argumentiert mit langfristig steigenden Passagierzahlen. Zugleich ist es aber eine Tatsache, dass die Zahl der Flugbewegungen dank größerer Flugzeuge trotzdem abnimmt. So stieg die Zahl der Fluggäste seit 2011 um 2,2 Millionen, während die Zahl der Flugbewegungen pro Jahr um knapp 20.000 (auf 226.395) sank.
7.
Am Mittwoch bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen wegen möglicher Befangenheit der BVwG-Richter. Ein entsprechender Hinweis sei anonym auf einer Homepage gemacht worden. Der Flughafen Wien hat keine Freude damit – und nach eigenen Aussagen auch nichts damit zu tun. „Wir bekämpfen die gerichtliche Entscheidung, nicht die Richter“, versicherte Airport-Vorstand Ofner. Die eingebrachten Argumente gegen den Spruch reichten aus, man brauche keine weitere Unterstützung.
8.
Warum die Aufregung um eine dritte Flughafenpiste? Was ist das Besondere an dem Richterspruch? Was ist der aktuelle Stand, wie geht es jetzt weiter? Wie lang verzögern die neuen Verfahren den Bau einer dritten Piste? Was ist von dem Hauptargument der Richter zu halten, die hohe CO2-Belastung verbiete die Genehmigung? Wie dringend braucht der Flughafen die dritte Piste? Was hat es mit dem Vorwurf auf sich, die BVwG-Richter seien befangen gewesen? Was kostet die Verzögerung?
Der unmittelbare Schaden durch den Nichtbau bzw. die Verschiebung sei „nicht bezifferbar“, unterstreichen die Flughafen-Vorstände. Aber von der Dimension des Aufwands kann man sich eine vage Vorstellung machen, wenn man bedenkt, dass allein das Genehmigungsverfahren 16 Jahre in Anspruch genommen hat, es gab 34 Gutachten. Inoffiziell ist von einem Vorbereitungsaufwand in einer Größenordnung von mehreren Hundert Millionen Euro zu hören.
9.
Was passiert, wenn es beim Nein bleibt?
Der Flughafen malt das Bild eines an Bedeutung verlierenden Standorts an die Wand, international tätige Firmen könnten abwandern, neue Arbeitsplätze würden verhindert. Bei der AUA deutet man an, der Mutterkonzern Lufthansa würde Investitionen auch vom Wachstumspotenzial der jeweiligen Flughäfen abhängig machen.