Der Favorit, der ist jetzt einmal ein anderer
Vor dem Formel-1-Auftakt schieben sich die Top-Piloten die Favoritenrolle gegenseitig zu. Und Vettel versucht die Euphorie zu bremsen.
Oberflächlich betrachtet ist alles wie gehabt. Der Lokalmatador zum Saisonstart der Formel 1 ist in Melbourne auch an diesem Wochenende Daniel Ricciardo. Der WM-Dritte hat sich nicht verändert: Er lacht wie immer, ist wie immer freundlich zu allen und macht für den Grand Prix und sein Red-Bull-Team die Werbung, die die australischen Medien wollen. Er zeigt Begeisterung für „Footy“, denn der Volkssport Nummer eins in Down Under, Australian Football, beginnt ebenfalls an diesem Wochenende die Saison. Er liefert sich mit Teamkollegen Max Verstappen ein sehr telegenes Duell – in kleinen Motorbooten auf dem Yarra.
Aber eines ist doch anders: „Ich hatte die beste Vorbereitung auf eine Saison, seit ich in der Formel 1 bin“, sagt der 27-Jährige. Vor allem Renaults Zusicherung, dass die Probleme in der kinetischen Energierückgewinnung bei den Tests behoben seien, stimmt Ricciardo zuversichtlich: „Wir sind höchstens eine halbe Sekunde hinter der Spitze“, glaubt er.
Doch erst heute, Freitag, werden die ersten beiden Trainings Aufschluss darüber geben, wie es um die Kräfteverhältnisse wirklich be- stellt ist. Auch werden fast alle Teams neue Aerodynamikteile präsentieren, die man auf dem Catalunya-Kurs noch nicht an den Autos sah. Ferrari beeindruckte in den beiden Testwochen am meisten – durch Zuverlässigkeit und Speed. Doch fast alle glauben, dass vor allem Mercedes nicht alles aufdeckte – und die bisherigen Dominatoren auch in Melbourne vorn sein werden. Unter den Fahrern ist Tiefstapeln angesagt – die Favoritenrolle wird der Konkurrenz zugeschoben. „Ferrari war in den Tests am schnellsten und ist daher Favorit“, erklärte Ex-Champion Lewis Hamilton, fügte aber an: „Noch nie hat ein Team den WM-Titel nach gravierenden Regeländerungen verteidigen können, das wollen wir heuer schaffen.“Sebastian Vettel hielt ihm entgegen: „Auch mit den neuen Autos ist Lewis der Favorit.“Und Ricciardo gab zu: „Ein Heimsieg wäre eine coole Sache, nur werden wir leider noch nicht ganz so weit sein.“Das sah auch Red-Bull-Kollege Max Verstappen so: „Wir konnten aus den Tests einige positive Erfahrungen mitnehmen, aber wir werden in den ersten Rennen noch nicht siegfähig sein. Doch wir werden aufholen.“
Noch vor dem ersten Saisonrennen eine WM-Prognose abzugeben fand Ferrari-Star Vettel ein wenig verfrüht: „Leute, es ist erst März. Über den WM-Titel kann man im Oktober nachdenken.“Klang wie eine Euphoriebremse für die Tifosi.