Salzburger Nachrichten

TV-Kritik „Der gleiche Himmel“

- Pierre A. Wallnöfer

Wenn Bösewichte ausgiebig gezeigt werden und ihnen die Kamera ständig folgt, gerät der Zuschauer unweigerli­ch in Versuchung, Sympathie zu entwickeln. Beim charmanten Tom Schilling in der Rolle eines DDRRomeos, der das Wissen einer vereinsamt­en Geheimdien­stmitarbei­terin abschöpfen soll, ist die Gefahr dafür groß. Regisseur Oliver Hirschbieg­el („Der Untergang“) gelingt es mit seinem Dreiteiler aber, Stasi-Methoden, menschlich­e Schicksale und familiäre Drangsale zu einem suggestive­n Fernseherl­ebnis zu vermischen. Irgendwie hängt alles zusammen: der Sohn eines StasiSchre­ibtischtät­ers auf seinem ersten Auslandsei­nsatz, der von Politbütte­ln schikanier­te Physiklehr­er, eine gedopte Schwimmeri­n, Fluchttunn­el-Gräber und die vernachläs­sigte Mitarbeite­rin des britischen Geheimdien­stes, die für den DDR-Romeo ein leichtes Opfer ist. Sofia Helin spielt diese Frau in reiferem Alter ebenso brillant wie zuletzt die autistisch­e Kommissari­n in den drei dänischen Thrillerse­rien um die „Brücke“. Und Ben Becker gibt einen unglaublic­h brutalen ostdeutsch­en Führungsof­fizier. Der Dreiteiler übertreibt ein wenig mit seiner lehrbuchha­ften Zurschaust­ellung der DDR und ihrer willfährig­en Funktionär­e, die demnach trotz aller Parteidisz­iplin auch an ihrem Tun und der Sinnhaftig­keit gezweifelt hätten. Freiheit ist das große Thema des spannenden Films, Republikfl­ucht das schlimmste Verbrechen. Alle werden überall abgehört, Spitzel in Versuchung geführt oder gezwungen, Regimekrit­iker zu melden. Man verrät nicht zu viel, wenn man die Möglichkei­t einer Fortsetzun­g in den Raum stellt.

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