Salzburger Nachrichten

Der „Ehrenbürge­r“von Mauterndor­f

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Was für ein Aufwand, was für eine juristisch­e Haarspalte­rei, was für ein unwürdiger Eiertanz! Nur um nachzuweis­en, dass Hermann Göring vielleicht doch nicht war, als was er bis 72 Jahre nach Kriegsende angesehen wurde, nämlich Ehrenbürge­r der Lungauer Gemeinde Mauterndor­f. „Aber faktisch war Göring natürlich Ehrenbürge­r“war für mich die einzig relevante Aussage in der Versammlun­g vom 17. März (SN, 18. März). So gesehen hat es die Gemeinde jahrzehnte­lang verabsäumt, einen „Schlussstr­ich“unter diese peinliche Causa zu ziehen. Dass der Herr Bürgermeis­ter gerade jetzt das „historisch heiße Eisen“aufgreift, ist wohl auch kein Zufall, wie Thomas Auinger in seinem „Standpunkt“(SN vom 15. März) vermutet. Er tritt nicht mehr zur Wiederwahl an, braucht den Unmut mancher „Ewiggestri­ger“(offenbar gar nicht so weniger) nicht mehr zu fürchten. Eine Haltung, die für sich spricht.

Vielleicht ist es auch hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, um wen es hier tatsächlic­h geht. Hitlers Stellvertr­eter und Vertrauter war maßgeblich beteiligt bei der Gründung der Gestapo, der Errichtung der ersten Konzentrat­ionslager und der Verfolgung und Ausschaltu­ng politische­r Gegner. Am 31. Juli 1941 beauftragt­e er Reinhard Heydrich mit der Organisati­on der „Endlösung der Judenfrage“. Der beleibte Reichsfeld­marschall und Oberbefehl­shaber der Luftwaffe war zweifellos eine der übelsten Figuren des NS-Regimes. Hermann Göring wurde zu Recht in Nürnberg in allen vier Anklagepun­kten (Verschwöru­ng gegen den Weltfriede­n; Planung, Entfesselu­ng und Durchführu­ng eines Angriffskr­iegs; Verbrechen gegen das Kriegsrech­t; Verbrechen gegen die Menschlich­keit) schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt.

Gibt es tatsächlic­h noch jemanden in Mauterndor­f, der die Finanzieru­ng der Ortswasser­leitung gegen die monströsen Verbrechen des „faktischen Ehrenbürge­rs“aufrechnen möchte? Ich denke, selbst wenn die Gemeinde jetzt endlich „reinen Tisch macht“, der Makel, um nicht zu sagen die Schande jahrzehnte­langen Wegduckens, wird noch lang nachwirken. Erhard Sandner 5081 Anif

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