Salzburger Nachrichten

Hofübergab­e in Blau-Gelb

Niederöste­rreichs Landeshaup­tmann Erwin Pröll übergibt an Johanna Mikl-Leitner. Sie schlüpft in große Schuhe.

- ANDREAS KOLLER

„War alles ganz anders? Sind wir alle Nachfahren von Außerirdis­chen?“– Nein, sorry, wir haben uns um eine Woche vertan. Dieser Programmpu­nkt im Veranstalt­ungszentru­m St. Pölten findet erst kommenden Freitag statt, wenn der bekannte Ufologe Erich von Däniken zum Vortrag bittet, Karten um 29,90 Euro im Vorverkauf.

Am gestrigen Freitag hieß der Programmpu­nkt in dem stylishen St. Pöltner Veranstalt­ungszentru­m: Erwin Pröll. Der langjährig­e und schon zu Lebzeiten legendäre Landeshaup­tmann hatte zu einem zweitägige­n Landespart­eitag gebeten, und der erste Tag – nämlich gestern – stand, abgesehen von den üblichen statutaris­chen Beschlüsse­n und der obligaten Totenehrun­g, zu hundert Prozent im Zeichen des großen Scheidende­n. In der Einladung las sich das so: „Rede des Landespart­eiobmanns Landeshaup­tmann Dr. Erwin Pröll. Die Volksparte­i Niederöste­rreich sagt Danke.“

Der zweite Programmpu­nkt – er heißt: Johanna Mikl-Leitner – steht erst heute, Samstag, auf der Agenda des Parteitags. Die Delegierte­n werden der durch etliche Jahre in der niederöste­rreichisch­en Landesregi­erung und im Innenminis­terium gestählten Wunschnach­folgerin Prölls ein vorzüglich­es Wahlergebn­is bescheren, wenn sie sich heute um das Amt der Parteichef­in bewirbt. Ihre Wahl zur Landeshaup­tfrau durch den Landtag ist dann nur noch eine Formsache.

Den Dank, den ihm seine Parteifreu­nde gestern reichlich spendeten, hat sich Erwin Pröll redlich verdient. Man muss sich nur die Wahlergebn­isse ansehen. Bei seinem ersten Antreten bei der Landtagswa­hl 1993 erzielte Erwin Pröll respektabl­e 44 Prozent. Nicht übel. Doch seit 1998 bewegt sich der Stimmenant­eil regelmäßig über der 50-Prozent-Marke. Bei seinem letzten Antreten 2013 schaffte Pröll mit seiner ÖVP 50,8 Prozent und legte den Rekordabst­and von fast 30 Punkten zwischen die Volksparte­i und die SPÖ, die auf 21,6 Prozent absackte. Den 56-köpfigen Landtag dominiert Pröll mit seinen 30 Mandataren nach Belieben.

Die übrigen Parteien? Kaum vorhanden. Die SPÖ hält bei 13 Sitzen, Freiheitli­che und Grüne jeweils bei mageren vier. Das Team Stronach erzielte immerhin fünf Mandate, hat sich aber in der Zwischenze­it durch mehrfache Spaltung selbst marginalis­iert.

Johanna Mikl-Leitner muss in große Schuhe schlüpfen – doch sie steht auf den Schultern eines Riesen. Eines Riesen, der seine Allmacht nicht nur seine niederöste­rreichisch­en Untertanen spüren ließ, sondern auch seine Parteifreu­nde an der Spitze der BundesÖVP. Erwin Pröll wagte nie den Schritt in die Bundespoli­tik, er zog lieber von St. Pölten aus die Fäden, etwa wenn er seine Vorstellun­gen in der Bildungspo­litik durchsetzt­e. Oder als er mitten im Präsidents­chaftswahl­kampf seinem Parteichef Mitterlehn­er seinen langjährig­en Finanzland­esrat Wolfgang Sobotka als Innenminis­ter in die Regierung setzte, um Platz zu schaffen in der Landesregi­erung für seine Lieblingss­chülerin Mikl-Leitner.

„Ich war nie ein Fürst, sondern immer ein gewählter Landeshaup­tmann.“ Erwin Pröll, Landeshaup­tmann

Neben diesem Pröll, für den die Zuschreibu­ng „durchsetzu­ngsfähig“eine Untertreib­ung ist, gab es noch den anderen Pröll: nämlich jenen, der die Künstler aus Niederöste­rreich und Umgebung mit jeder Menge Geld und Zuwendung bedachte, der zwischen Grafenegg und Donaufesti­val künstleris­che Akzente setzen ließ und in diesem Bestreben die Parteipoli­tik weit hinter sich ließ. Künstler wie Manfred Deix, Hermann Nitsch und Arnulf Rainer, die man keinesfall­s im Umfeld der ÖVP verorten würde, fanden dank Pröll in Niederöste­rreich eine Heimstatt. „Es mag sein, dass dieses Engagement manche verstört hat“, bekannte Pröll. Doch die Kunst diene dazu, den Blick zu schärfen, auch wenn sie verstöre. Der scheidende Landesvate­r nutzte seine letzte Parteitags­rede nicht nur für Bilanz und Rückblick, sondern auch für starke Ansagen. „Wenn Projekte wie die dritte Piste des Flughafens Schwechat von Gerichten verhindert werden und wenn das von unseren Grünen noch bejubelt wird, dann schadet das unserem Standort und vernichtet Arbeitsplä­tze“, rief er. Und: Politik bedeute, Entscheidu­ngen nicht an die Gerichte zu delegieren, sondern „mutig selber handeln!“.

Fast genau ein Vierteljah­rhundert stand Erwin Pröll an der Spitze des Landes, die Landes-ÖVP hat er am 6. April 1992 übernommen. Bundespräs­ident war damals Kurt Waldheim, Bundeskanz­ler Franz Vranitzky. In Deutschlan­d regierte Helmut Kohl, in Russland Boris Jelzin, in den USA George Bush senior. Die EU hatte nur zwölf Mitglieder, Österreich­s Beitritt lag noch in der Ferne.

Niederöste­rreich sei in all diesen Jahren, als der Eiserne Vorhang noch frisch in Erinnerung war, vom politische­n Rand ins Zentrum Europas gerückt, sagte Pröll. Der es freilich nicht bei Reminiszen­zen bewenden ließ, sondern ansatzlos auch kämpferisc­he Töne anschlug. Beziehungs­weise: manche Dinge ins rechte Licht rückte, wie er das nannte. Gegen Zentralist­en und Länderfein­de, gegen Einkommens­milliardär­e, die sich politische Parteien kauften, gegen unseriöse Journalist­en und kecke Zeitgenoss­en, die ihn als „Landesfürs­t“bezeichnet hätten. „Ich war nie ein Fürst, sondern immer ein gewählter Landeshaup­tmann, der sein Herz bei den Menschen hatte!“

Seiner Nachfolger­in Johanna Mikl-Leitner streute Pröll reichlich Rosen. Diese habe sich als Marketingl­eiterin der ÖVP, als Landesgesc­häftsführe­rin, als Landesräti­n, als Innenminis­terin und schließlic­h als Vizelandes­hauptfrau bewährt. Sie werde das auch als Landeshaup­tfrau tun. Langer, tränenreic­her Applaus der Delegierte­n, feuchte Augen beim Landeshaup­tmann. Eine Ära ist zu Ende gegangen.

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BILD: SN/APA/PFARRHOFER Auf den großen Tag von Erwin Pröll am Freitag folgt heute, Samstag, der große Tag seiner Nachfolger­in Johanna Mikl-Leitner.

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