Trump verspricht Unmögliches
Der amerikanische Präsident will durch eine Abkehr vom Klimaschutz Jobs in der Kohleindustrie schaffen. Daran aber glaubt nicht einmal die Branche selbst.
Die Überschrift des Dekrets ist so irreführend wie das Strahlen der Minenarbeiter, die hinter Donald Trump im Weißen Haus Aufstellung genommen haben. „Energy Independence“( Energieunabhängigkeit) verspricht die eineinhalb Seiten lange Order, die dem 2015 erlassenen „Clean Power Plan“seines Vorgängers Barack Obama aushebeln will. Trump spricht bei der Unterzeichnung von einem „historischen Schritt“, der darauf abziele „Regeln zu streichen, die Jobs vernichten“. Amerika werde unter seiner Führung nicht mehr auf Energieimporte angewiesen sein.
Der Experte Robert N. Stavins von der Harvard-Universität hält das Argument für absurd. „Wir importieren überhaupt keine Kohle“, betont er, und dank des FrackingBooms sind die USA bereits unter Obama zu einem Exporteur von Öl und Gas geworden. Trump zielt in Wahrheit auf das Klimaschutzerbe Obamas. Der „Clean Power Plan“sieht erstmals verbindliche Ziele zur Reduktion der Treibhausgase vor. Bis 2030 soll der Ausstoß der Kraftwerke um 32 Prozent sinken. Das trifft vor allem den Klimakiller Kohle. Der Plan liegt allerdings auf Eis. Er wurde von etwa 30 US-Bundesstaaten und der Industrie angefochten. Zu den Klägern zählte Scott Pruitt, damals Generalstaatsanwalt von Oklahoma, nun neuer Chef der Umweltbehörde EPA, einem Lieblingsfeind Trumps. Pruitt, ein ausgewiesener Öllobbyist und Leugner des Klimawandels, steht nun vor einer schwierigen Aufgabe. Denn die Gesetze schreiben der Regierung vor, den kassierten Plan durch einen neuen zu ersetzen. Selbst wenn der EPA-Chef zügig zu Werke geht, wird es mindestens ein Jahr dauern, ehe ein neuer Regelwerk aufgestellt ist. Dieses erwartet dann eine Klageflut aus vielen Bundesstaaten, die bereits signalisierten, auf strengeren Vorschriften zum Klimaschutz zu beharren.
Weiters sieht das Dekret vor, Begrenzungen der Methanemissionen in der Öl- und Gasindustrie zu ändern. Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA
Die von Trump versprochenen Jobs in der Kohleindustrie werden nach Einschätzung von Experten jedenfalls nicht kommen. Kohle ist angesichts des billigen Erdgases und dem rasant wachsenden Sektor für erneuerbare Energien auch ohne Umweltauflagen kaum mehr wettbewerbsfähig.
Die frühere EPA-Chefin Gina McCarthy meint, den Bergleuten sei nicht damit geholfen, die Laufzeit von ein paar Kohlekraftwerken zu verlängern. Sie weist darauf hin, „dass die Solarbranche zwölf Mal schneller wächst als die Wirtschaft insgesamt“. Neue Jobs für die Kumpel entstünden, „wenn wir in saubere Energie investieren“.
Nicht einmal die Kohlekonzerne selbst erwarten durch den Abbau des Klimaschutzes einen Beschäftigungseffekt. Nach eigenen Schätzungen helfe die Deregulierung maximal zehn Prozent der verlorenen Marktanteile zurückzuholen. „Wir müssen am Ende immer noch mit anderen Energien konkurrieren“, sagt der Sprecher des führenden Kohleproduzenten Cloud Peak Energy, Rick Curtsinger.
Die Energieversorger treffen ihre Investitionsentscheidungen nach wirtschaftlichen Kriterien, die nicht allein von Umweltschutzauflagen aus Washington bestimmt werden. Viele unterliegen der Aufsicht der Bundesstaaten, die, wie Kalifornien und New York, sehr viel ambitioniertere Ziele haben als Obamas „Clean Power Plan“.
„Alles hängt am Preis“, bestätigt Mark Boling von Southwestern Energy. Auch die Produzenten erneuerbarer Energien sehen das so. „Wir haben Millionen Kunden und Investoren, die saubere Energie wollen“, meint Ignacio S. Galán, Chef des Windstromproduzenten Iberdrola. Die Haltung des neuen EPA-Chefs Pruitt „ist ein Witz".
Trotzdem können nur wenige Klimaschützer über das Dekret Trumps lachen. Sie fürchten vor allem die Konsequenzen des politischen Signals, das der Präsident sendet. „Ohne Unterstützung aus der Politik wird sich das Tempo verlangsamen, in dem wir weniger Treibhausgase freisetzen“, kritisiert Klimaforscher Jason Bordoff.