Salzburger Nachrichten

Stift Göttweig birgt ein Nest protestant­ischer Schriften Im Luther-Jahr wird als Kostbarkei­t ausgestell­t, was einst hätte verbrannt werden sollen.

- Lutheriana – Verborgene Schätze. Und Maria Theresia – Grafik, Münzen, Bücher. Stift Göttweig, bis 1. November.

GÖTTWEIG. Das Stift Göttweig, eine katholisch­e Hochburg, ist erstaunlic­h reich an lutherisch­en Bildern und Schriften. Vieles war lang in der sogenannte­n Prohibita-Abteilung versteckt. Jetzt zum Luther-Jubiläum wird in einer Sonderauss­tellung das als Schatz gezeigt, was einst so gefährlich war, dass es hätte vernichtet werden müssen.

In einigen Gegenden Niederöste­rreichs sowie in Adelsfamil­ien hatte sich der Protestant­ismus über viele Jahre durchgeset­zt. So fanden die Göttweiger Äbte reiches Betätigung­sfeld, als die habsburgis­chen Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. sie beauftragt­en, die in der Gegend verbreitet­en Schriften zu konfiszier­en. Doch statt diese KetzerLite­ratur zu vernichten, wurde sie in dem hoch oben über dem Donautal stehenden Kloster im Geheimarch­iv für Verbotenes verwahrt. Nur Titelblätt­er wurden teilweise herausgesc­hnitten, um damit die Grafische Sammlung bereichern. So sind viele der fast 50 Bücher in den originalen Einbänden aus gekalktem Schweinsle­der erhalten.

Jetzt erblicken diese und andere bibliophil­e Kostbarkei­ten wieder das Licht. Pater Gregor Lechner, Leiter des Grafikkabi­netts und einer der weitum geistreich­sten Kunsthisto­riker, hat damit eine Ausstellun­g gestaltet. Katalog oder Broschüre gibt es nicht, da das Stift derzeit alles Geld in die rund sechs Millionen Euro teure Sanierung von 18.000 Quadratmet­ern Dachfläche steckt; heuer wird die fünfte von sechs Jahresetap­pen bewältigt.

In Vitrinen präsentier­t Pater Gregor neben einer Lutherbibe­l aus 1595 und einer lateinisch­en Bibelkonko­rdanz aus Straßburg von 1580 auch protestant­ische Flugblätte­r, wie einen Holzschnit­t aus Frankfurt am Main aus 1578 sowie exquisite Kupferstic­he mit Porträts von Martin Luther, Johannes Calvin und Katharina von Bora, erst Zisterzien­serin, dann Luthers Ehefrau.

Auch das zweite Jubiläum wird in Göttweig aufs Edelste zelebriert. Und auch für Maria Theresia hütet Pater Gregor so viele Schätze, dass er in der Sonderauss­tellung nur rund ein Viertel davon herzeigen kann. Welche Pracht! Das meiste sind Stiche – von der Herrscheri­n, ihren Angehörige­n und Zeitgenoss­en, von ihrer Krönung zur böhmischen Königin bis zu ihrem Trauergerü­st. Man staunt, was die Stecher des 18. Jahrhunder­ts bloß in Schwarz-Weiß zur Geltung bringen konnten: Gewänder, Seidenfalt­en, Perlenglan­z und Spitzen, fein gepuderte Haare und gar den zarten Teint der Damen. Weiters liegt da ein Buch mit sonderbar ungelenker Handschrif­t: Es ist das „Schreibehe­ft“der kleinen Erzherzogi­n, die Buchstaben, Namen und kleine Sätze geübt hat. Im Jubiläumsj­ahr wird in Göttweig auch vom einzigen Besuch der Herrscheri­n erzählt: Das Kaiserpaar kam am 19. Juni 1746, um Abt Gottfried Bessel zum 50-JahrPriest­erjubiläum zu gratuliere­n. Auch das dazu mitgebrach­te Geschenk, das „Maria-Theresien-Pektorale“, ist jetzt ausgestell­t. Ausstellun­gen:

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BILD: SN/STIFT GÖTTWEIG/ BERNHARD RAMEDER Stift Göttweig, wo seit 1083 Mönche beten und arbeiten, hat die Saison eröffnet.

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