Stift Göttweig birgt ein Nest protestantischer Schriften Im Luther-Jahr wird als Kostbarkeit ausgestellt, was einst hätte verbrannt werden sollen.
GÖTTWEIG. Das Stift Göttweig, eine katholische Hochburg, ist erstaunlich reich an lutherischen Bildern und Schriften. Vieles war lang in der sogenannten Prohibita-Abteilung versteckt. Jetzt zum Luther-Jubiläum wird in einer Sonderausstellung das als Schatz gezeigt, was einst so gefährlich war, dass es hätte vernichtet werden müssen.
In einigen Gegenden Niederösterreichs sowie in Adelsfamilien hatte sich der Protestantismus über viele Jahre durchgesetzt. So fanden die Göttweiger Äbte reiches Betätigungsfeld, als die habsburgischen Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. sie beauftragten, die in der Gegend verbreiteten Schriften zu konfiszieren. Doch statt diese KetzerLiteratur zu vernichten, wurde sie in dem hoch oben über dem Donautal stehenden Kloster im Geheimarchiv für Verbotenes verwahrt. Nur Titelblätter wurden teilweise herausgeschnitten, um damit die Grafische Sammlung bereichern. So sind viele der fast 50 Bücher in den originalen Einbänden aus gekalktem Schweinsleder erhalten.
Jetzt erblicken diese und andere bibliophile Kostbarkeiten wieder das Licht. Pater Gregor Lechner, Leiter des Grafikkabinetts und einer der weitum geistreichsten Kunsthistoriker, hat damit eine Ausstellung gestaltet. Katalog oder Broschüre gibt es nicht, da das Stift derzeit alles Geld in die rund sechs Millionen Euro teure Sanierung von 18.000 Quadratmetern Dachfläche steckt; heuer wird die fünfte von sechs Jahresetappen bewältigt.
In Vitrinen präsentiert Pater Gregor neben einer Lutherbibel aus 1595 und einer lateinischen Bibelkonkordanz aus Straßburg von 1580 auch protestantische Flugblätter, wie einen Holzschnitt aus Frankfurt am Main aus 1578 sowie exquisite Kupferstiche mit Porträts von Martin Luther, Johannes Calvin und Katharina von Bora, erst Zisterzienserin, dann Luthers Ehefrau.
Auch das zweite Jubiläum wird in Göttweig aufs Edelste zelebriert. Und auch für Maria Theresia hütet Pater Gregor so viele Schätze, dass er in der Sonderausstellung nur rund ein Viertel davon herzeigen kann. Welche Pracht! Das meiste sind Stiche – von der Herrscherin, ihren Angehörigen und Zeitgenossen, von ihrer Krönung zur böhmischen Königin bis zu ihrem Trauergerüst. Man staunt, was die Stecher des 18. Jahrhunderts bloß in Schwarz-Weiß zur Geltung bringen konnten: Gewänder, Seidenfalten, Perlenglanz und Spitzen, fein gepuderte Haare und gar den zarten Teint der Damen. Weiters liegt da ein Buch mit sonderbar ungelenker Handschrift: Es ist das „Schreibeheft“der kleinen Erzherzogin, die Buchstaben, Namen und kleine Sätze geübt hat. Im Jubiläumsjahr wird in Göttweig auch vom einzigen Besuch der Herrscherin erzählt: Das Kaiserpaar kam am 19. Juni 1746, um Abt Gottfried Bessel zum 50-JahrPriesterjubiläum zu gratulieren. Auch das dazu mitgebrachte Geschenk, das „Maria-Theresien-Pektorale“, ist jetzt ausgestellt. Ausstellungen: