Salzburger Nachrichten

Schwarz-Blau will die KPÖ kaltstelle­n

Die neue Grazer Stadtregie­rung braucht Polizeisch­utz, setzt auf „Verlässlic­hkeit“und nimmt der KPÖ das Wohnressor­t weg.

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GRAZ. Die Körperspra­che und diverse Zwischenbe­merkungen verraten: Man hat den Grazer Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) schon glückliche­r gesehen. Liegt es am Umstand, dass das Regierungs­abkommen „Agenda Graz 22“unter strengem Schutz durch Polizei und Ordnungswa­che über die Bühne gehen musste? Nach Morddrohun­gen gegen Nagl in Sachen Murkraftwe­rk war die Grazer Messe am Mittwoch kurzfristi­g zur Hochsicher­heitszone erklärt worden. Oder daran, dass die FPÖ als nunmehrige­r neuer Regierungs­partner nicht unbedingt das erklärte Wunschziel des Grazer Langzeitbü­rgermeiste­rs war?

„1 Stadt, 207 Ideen, 287.290 Gründe“: Die dritte Zahl im Untertitel des Regierungs­programms bezieht sich auf den derzeitige­n Einwohners­tand der steirische­n Landeshaup­tstadt. Nach wochenlang­en Verhandlun­gen liegt der schwarz-blaue Pakt nun auf dem Tisch. Nagl, dem die SPÖ durch das Katastroph­en-Wahlergebn­is als Koalitions­partner abhandenge­kommen war, hatte bei der Regierungs­bildung wenig Spielraum. Mit der KPÖ, mit 20,3 Prozent immerhin zweitstärk­ste Kraft in Graz, hat er nach Differenze­n über das von ihm forcierte Murkraftwe­rk („Ich will niemanden, der den Rechtsstaa­t und die Demokratie nicht achtet“) gebrochen, mit den Grünen allein ging sich kein Bündnis aus. Er habe versucht, so etwas wie Verlässlic­hkeit zusammenzu­bringen, sagte der seit 2003 amtierende 53-jährige Bürgermeis­ter. Mit der von Mario Eustacchio angeführte­n FPÖ gebe es zwar „diametrale Auffassung­en in Fragen der Zuwanderun­g“, dennoch sei er optimistis­ch, das gemeinsame Programm bis 2022 durchbring­en zu können.

„Eustacchio und Co. werden FPÖler bleiben, aber auch wir werden ÖVPler bleiben“, betonte Nagl. Aus diesem Grund habe man bei heiklen Themen, wie etwa der Ausländerf­rage, ein freies Spiel der Kräfte im Gemeindera­t vereinbart. Will heißen: Bei Integratio­nsprojekte­n beispielsw­eise kann sich die ÖVP auch Mehrheiten mit der KPÖ, den Grünen oder der SPÖ suchen. Da es in Graz den Proporz gibt, werden auch KPÖ und Grüne in der Stadtregie­rung sitzen. Die Kommuniste­n, die jahrelang mit Elke Kahr und zuvor mit Ernest Kaltenegge­r das Wohnungsre­ssort geführt haben, müssen dieses nun an die FPÖ abgeben. Im Gegenzug erhält Kahr die Verkehrsag­enden in der Feinstaubh­ochburg Graz. „Das ist kein Strafresso­rt, sondern eines der wichtigste­n in der ganzen Stadt“, sagte Nagl. Und Mario Eustacchio, der zum neuen Vizebürger­meister gewählt werden wird, ergänzte: „Es war nicht alles schlecht, was die KPÖ gemacht hat, jetzt ist es aber an der Zeit, neue Wege zu gehen.“

Konkret werden in Zukunft Gemeindewo­hnungen nur noch an Personen, die seit mindestens fünf Jahren in Graz den Hauptwohns­itz haben, vergeben. Strenger als bisher – nämlich durch Organe der Grazer Ordnungswa­che – soll auch die Einhaltung der Hausordnun­g kontrollie­rt werden. Mario Eustacchio: „Kommt es wiederholt zu Verstößen, gibt es erst eine Abmahnung und später die Kündigung.“Gerüchte, wonach ein Verkauf von Gemeindewo­hnungen geplant sei, wies der FPÖ-Chef zurück: „Das ist unwahr.“

Die neue grüne Stadträtin Tina Wirnsberge­r wurde von SchwarzBla­u mit den Ressorts Umwelt und Frauen betraut. „Sie wollte mehr machen“, sagte Eustacchio. Vermutlich auch die KPÖ, an deren Sozialpoli­tik Nagl heftige Kritik übte: „Man kann sich nicht dauerhaft Stimmen kaufen.“Die für Graz neue Aufteilung der Sozialagen­den an alle Fraktionen ist ebenfalls eine Kampfansag­e an die Kommuniste­n: „Jetzt gibt es nicht mehr die einen Guten, die für alles da sind.“

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BILD: SN/APA(SCHERIAU) Siegfried Nagl (ÖVP) und Mario Eustacchio von der FPÖ.

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