Aus schwerfälligen Tankern wendige Schnellboote zaubern
Konzernlenker sagen: „Wir werden jetzt zu Start-ups.“Man fragt sich, was sie da reitet. Innovationskultur geht jedenfalls anders.
Volkswagen, der größte Autohersteller der Welt, wolle zum größten Uber Europas werden, kündigte Konzernchef Matthias Müller jüngst an. Uber ist ein (insbesondere in der Taxi-Branche) gefürchtetes US-amerikanisches Start-up für Fahrdienstleistungen, dem es VW gleichtun will: Bereits 2025 will der Autobauer Marktführer für Mobilitätsdienste sein und Menschen flexibel von A nach B bringen.
Auch Österreichs größter Stromerzeuger Verbund präsentiert sich mittlerweile als „viele Start-ups“: Die Stromproduktion, einst eine Lizenz zum Gelddrucken, ist ein Verlustgeschäft geworden. Daher sucht man neue Geschäftsmodelle rund um E-Autos und Energieservices.
Aber geht das überhaupt, dass ein Konzern über Nacht zum Start-up wird? Wenn man 70 Jahre wie der Verbund oder 80 wie VW auf dem Buckel und eine in viele Abteilungen und Aufgabenbereiche verästelte Struktur hat und über ein umfangreiches internes Regelwerk verfügt, weil heutzutage Compliance über alles geht, kann man dann wie eine Garagen-Band agieren, mit zwei, drei Halbverrückten, die die Welt auf den Kopf stellen wollen?
Nein, kann man nicht. Außer man vergisst alles, was bisher gemacht wurde, kündigt die Belegschaft und fängt neu an. Der Begriff mag noch so modern und daher marketingtauglich sein: Etablierte Unternehmen sind keine Startups! Sie können eines kaufen oder selbst ein Tochterunternehmen gründen und es an der langen Leine lassen. Doch das ist wegen der großen Gegensätze in den Unternehmenskulturen – dort die große Freiheit, hier die starren Regeln – eine schwierige Aufgabe. Wenn der Konzern nicht aufpasst, hat er das zarte Pflänzchen über Nacht erdrückt oder ihm alle unternehmerische Energie geraubt.
Wenn es also nicht mehr als eine schöne Illusion ist, aus einem Konzern ein Start-up zu machen, worum geht es dann eigentlich? Um Innovationskultur. Wie beatmet man das bestehende Unternehmen mit Frischluft, neuen Ideen, dem Geist der Veränderung? Um bei unseren Beispielen zu bleiben: Verbund und VW werden in der neuen Mobilitäts- und Energiewelt nur wichtige Spieler sein können, wenn sie sich von innen heraus verändern, wenn es dem Management gelingt, Mitarbeitern Freiund Experimentierräume zu eröffnen, wenn die, die lästige Fragen stellen, nicht abgewürgt, sondern beflügelt werden; wenn bereichsübergreifendes Arbeiten, fast in jedem Unternehmen ein Fremdwort, massiv gefördert wird. Das ist ein langer Weg, der durchaus zu Wundern führen kann: etwa dem, dass ein Konzern tatsächlich große Innovationen hervorbringt.