Salzburger Nachrichten

Besser dort bauen, wo schon betoniert ist

Würden brachliege­nde Immobilien in Österreich stärker genutzt, könnte der rasant steigende Bodenverbr­auch deutlich gebremst werden.

- Wie

Österreich rühmt sich oft seiner schönen Landschaft­en und der intakten Natur. Allerdings gehen jeden Tag durchschni­ttlich 20 Hektar unversiege­lter Boden verloren. Setzt sich der Verbrauch in diesem Tempo fort, gäbe es in 200 Jahren in Österreich keine Agrarfläch­en mehr, sagt der Vorstandsc­hef der Österreich­ischen Hagelversi­cherung, Kurt Weinberger. Er will nicht nur jammern und hat das Institut für Höhere Studien (IHS) beauftragt, Alternativ­en zu entwickeln.

Dabei steht die Revitalisi­erung brachliege­nder Immobilien im Mittelpunk­t. Laut Umweltbund­esamt stehen in Österreich 50.000 Hektar an Industrie- und Gewerbeflä­chen sowie Wohnimmobi­lien leer, das ist mehr als die Fläche von ganz Wien. Diese Flächen sollten vorrangig für neue Bauvorhabe­n genutzt werden, empfehlen die Studienaut­oren Beate Friedl und Alexander Schnabl. Eine Revitalisi­erung dieser „toten“Flächen brächte neben der Schonung von noch unberührte­m Boden auch eine Verschöner­ung des Ortsbildes sowie Tausende zusätzlich­e Arbeitsplä­tze, sagt Weinberger.

Um potenziell­e Investoren dazu zu bringen, bereits aufgeschlo­ssene, aber ungenutzte Flächen zu nutzen, statt auf der grünen Wiese zu bauen, sei freilich ein Impuls der öffentlich­en Hand nötig. Die IHS-Experten schlagen einen Investitio­nszuschuss vor, von dem ein Großteil über Steuern und Abgaben wieder ins Budget zurückflie­ßen sollte.

In der von Friedl und Schnabl erstellten Rechnung wird eine Förderquot­e von 50 Prozent angenommen. Sie bezieht sich auf die Mehrkosten, die anfallen, wenn auf bestehende­n Flächen gebaut wird. Bei einem Investitio­nsvolumen von 100 Mill. Euro pro Jahr wären öffentlich­e Mittel von 1 Mrd. Euro nötig, die eine rund doppelt so hohe Wertschöpf­ung von 2,14 Mrd. Euro zur Folge hätten. Laut Schnabl würden auf diese Weise 24.000 Vollzeitar­beitsplätz­e entstehen, das Zusatzaufk­ommen an Steuern und Abgaben beliefe sich auf 680 Mill. Euro. Kommunen würden sich Kosten für die Aufschließ­ung neuer Flächen ersparen, Betriebe, die Abbrucharb­eiten machen und Umweltschä­den beseitigen, würden profitiere­n.

Darüber hinaus seien allerdings einige begleitend­e Maßnahmen erforderli­ch, sagte Beate Friedl, ganz oben steht dabei ein Umdenken in der Raumplanun­g. Um den Druck auf die Umwidmung von Grün- in Bauland am Ortsrand zu reduzieren, soll die Entwicklun­g innerhalb des Ortsgebiet­es Vorrang in den Gesetzen zur Raumplanun­g erhalten. Im deutschen Baugesetzb­uch gebe es eine derartige Regelung. Voraussetz­ung für die Nutzung der Potenziale im verbauten Gebiet sei aber, dass man sie auch systematis­ch erfasse, auch das müsse gesetzlich vorgeschri­eben sein. Als Konsequenz daraus sollte im Flächenwid­mungsplan nur mehr dann eine Neuwidmung möglich sein, wenn die Gemeinde nachweist, dass der Bedarf an Bauland anders nicht zu decken ist, sagte Friedl. Sie schlägt zudem vor, die in den Raumordnun­gsgesetzen angestrebt­e sparsame Verwendung von Boden um quantitati­ve Zielwerte zu ergänzen.

Apropos Zahlen: Laut Hagelversi­cherung ist Österreich europaweit Spitze beim Verbauen von Agrarfläch­en, es weist pro Kopf die höchste Supermarkt­fläche und das längste Straßennet­z aus. Die Folge: Österreich verliert pro Jahr prozentuel­l doppelt so viel landwirtsc­haftliche Fläche wie Deutschlan­d.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Experten empfehlen, brachliege­nde Flächen für den Neubau zu nutzen.

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