Europa nabelt sich vom IWF ab
Künftige Hilfsprogramme sollen ohne den Währungsfonds stattfinden.
BRÜSSEL. Seit Monaten streiten die EU-Geldgeber mit Griechenland über die Freigabe der nächsten milliardenschweren Tranche aus dem Hilfsprogramm. Doch es spießt sich nicht nur zwischen Brüssel und Athen, sondern auch zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU. Das soll bald ein Ende haben. Künftig werde Europa „kein Programm mehr haben, bei dem der IWF beteiligt sein wird“, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat. Die EU habe mittlerweile die nötige Erfahrung und mit dem ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) finanzielle Kapazitäten, die zeitweilig größer sind als die des IWF. Ziel sei, den ESM zu einem europäischen Währungsfonds zu machen.
Die EU wirft dem IWF vor, dass er weiter mit extrem negativen Prognosen für Griechenland operiere, obwohl sich die Situation stark verbessert habe. Laut Zahlen des EUStatistikamts Eurostat und der Europäischen Zentralbank (EZB) wird Griechenlands Wirtschaft nach den schwachen 0,3 Prozent 2016 heuer um 2,7 Prozent und 2018 um 3,1 Prozent wachsen. Obwohl die Athener Regierung budgetäre und ökonomische Vorgaben deutlich übertroffen habe, „hat der IWF seine Prognosen für 2018 seit 2016 nicht revidiert“, heißt es in einem inoffiziellen ESMPapier, das den SN vorliegt.
Der IWF zahlt im aktuellen Hilfsprogramm gar nicht mehr mit, das Geld kommt ausschließlich aus Eurostaaten. „Aber weil die Konstruktion zu Beginn der Krise gemacht wurde und es drei, vier Mitgliedsstaaten immer noch sehr wichtig ist, kann der IWF alles blockieren, selbst wenn er sich auf eine völlig irrationale Position stellt“, ärgert sich der Diplomat. Vor allem Deutschland besteht weiter auf der Teilnahme des IWF, lehnt jedoch gleichzeitig dessen Forderung nach Zinserleichterungen ab. Das würde 120 Mrd. Euro kosten und wäre ein weiteres Hilfsprogramm, heißt es aus dem Berliner Finanzministerium.
Ein möglicher Ausweg: Der IWF bleibt formal an Bord, trifft aber, solange er nicht einzahlen muss, keine Entscheidung. „Das heißt, man wird den IWF als Passagier mit dabeihaben, er wird beraten und er wird Glaubwürdigkeit vermitteln, aber er wird nicht zahlen.“Das werde schrittweise den Einfluss reduzieren.
In Brüssel macht man den IWF auch dafür verantwortlich, dass die Sparprogramme „so ungerecht geworden sind“. Weil Griechenland als Euromitglied seine Währung nicht abwerten konnte, sei eine reale Abwertung verlangt worden, also die Reduktion der Löhne. Das sei ein, zwei Jahre zu ertragen, längerfristig aber mit dem europäischen Sozialmodell unvereinbar. „Bei Griechenland sind wir mittlerweile an dem Punkt angelangt.“Nach EUEinschätzung kann sich Athen Anfang 2018 wieder auf dem Markt finanzieren. Sollte der IWF nicht mitziehen, müsse man den Finanzmärkten sagen, dass er rausfliegt, oder er müsse nachgeben, sagt der Diplomat.