Osteoporose entdecken, bevor Brüche passieren
Die Diagnose Osteoporose erfolgt häufig nach einer Knochenfraktur, oft durch einen Sturz. Wann sollten Frauen und Männer vorsorgen?
Der Vorstand der Universitätsklinik für Nuklearmedizin und Endokrinologie, Christian Pirich, erläutert im SN-Gespräch die Diagnostik und Therapie von Osteoporose. SN: Wann und wie werden Patientinnen und Patienten mit der Diagnose Knochenschwund konfrontiert? Pirich: Die Diagnose erfolgt viel zu häufig erst klinisch, unter Symptomen, die auf eine Osteoporose hinweisen. Das charakteristische Beispiel ist ein Bagatelltrauma wie der Sturz einer postmenopausalen Frau, die sich dabei auf dem Unterarm abstützt und eine Knochenfraktur erleidet.
Im höheren Alter ist sehr häufig eine Schenkelhals-oder Wirbelkörperfrakturen Ausdruck einer Osteoporose. Wirbelkörperfrakturen können sich aber hinter uncharakteristischen Rückenschmerzen verbergen. Daher müssen Rückenschmerzen, die länger anhalten und hinsichtlich ihrer Entstehung unklar sind, immer aufgearbeitet werden. Gerade unter dem Blickpunkt, dass dahinter eine Osteoporose steckt. SN: Wie und wann ist eine Frühdiagnose möglich beziehungsweise angeraten? Was wäre zu tun, bevor es zu Knochenbrüchen kommt? Die Diagnose einer Osteoporose erfolgt auf der Grundlage des sogenannten T-Scores in der Knochendichtemessung. Diese geschieht meist durch eine DXA-Messung (Dual-energy X-Ray-Absorptiometrie) der Lendenwirbelsäule und des Oberschenkelhalses. Die Untersuchung ist nur mit einer minimalen Strahlenbelastung verbunden. Sie ermöglicht die Berechnung des Knochenmineralgehalts im Untersuchungsbereich. Daraufhin erfolgt die Einteilung: normale Knochendichte, Osteopenie, das ist eine Verminderung der Knochendichte, und Osteoporose, das heißt der TScore liegt bei –2,5 oder weniger.
Auch wenn bereits eine Osteoporose vorliegt, muss es noch zu keinem Knochenbruch gekommen sein. Daher haben diese Patienten von der Knochendichtemessung den größten Nutzen, wenn rasch eine Therapie eingeleitet wird. SN: Wann sollen Frauen und Männer zur Diagnostik kommen, damit es noch rechtzeitig ist? Die Messung der Knochendichte ist bei jeder Frau ab dem 65. Lebensjahr empfehlenswert. Wenn Risikofaktoren vorliegen, sollte die Knochendichtemessung früher erfolgen. Zu den Risikofaktoren gehört eine familiäre Belastung, zum Beispiel mit dem Auftreten von Schenkelhalsfrakturen, oder eine länger als drei Monate andauernde Therapie mit Cortison. Weitere Risikofaktoren sind Erkrankungen des Gas- troindestinaltrakts, die mit einer dauerhaften reduzierten Aufnahme von Kalzium und Vitamin D einhergehen, sowie Medikamente, die negative Effekte auf die Knochendichte haben.
Rauchen und Übergewicht erhöhen das Risiko, eine schlechte Knochenqualität zu haben, ebenso Immobilität, z. B. wenn jemand einen Schlaganfall erlitten hat und in der Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. SN: Betreffen diese Risiken Frauen und Männer gleich? Ja, die Risikofaktoren sind die gleichen. Allerdings tritt die Osteoporose bei Männern im Schnitt zehn Jahre später auf als bei Frauen, also meist ab dem 75. Lebensjahr. Es gibt durch die höhere Lebenserwartung jetzt deutlich mehr Männer, die 75 Jahre alt werden. Daher sind sie auch stärker von Osteoporose betroffen. Auch antihormonelle Therapien, wie sie beim Prostatakarzinom angewendet werden, tragen unbehandelt zur Osteoporose des Mannes bei. SN: Was verläuft die Therapie? Wir haben drei Bausteine. Der erste ist die ausreichende Versorgung mit Vitamin D. Jeder Patient, der eine verminderte Knochendichte hat, braucht als Basistherapie eine gesicherte Vitamin-D-Versorgung. Diese kann in Kombination mit Kalziumpräparaten erfolgen oder auch ohne diese, je nachdem, ob eine ausreichende Kalziumversorgung über die Ernährung gewährleistet ist oder nicht.
Der zweite Baustein ist die Bewegungsbeziehungsweise Trainingstherapie. Der Unterschied zwischen einer allgemeinen Bewegungstherapie und einer Trainingstherapie ist der, dass Letztgenannte genau dosiert und damit hinsichtlich der Dauer, Häufigkeit und Belastung genau auf die Patientin, den Patienten abgestimmt ist. Nur wenn ein Training die Muskulatur beansprucht, wirkt es auch auf die Knochen. Das heißt, gemütliches Spazierengehen führt zu keiner Verbesserung der Knochendichte. Es muss eine erhöhte Belastung sein, in Form von Kraft- und/oder Ausdauertraining.
Der dritte Pfeiler sind Medikamente für die Therapie der Osteoporose. Die meisten Medikamente hemmen übermäßigen Knochenabbau. Die Medikamente werden in verschiedenen Dareichungsformen angewendet. Sie werden täglich, wöchentlich oder monatlich in Tablettenform eingenommen, andere als Injektion alle drei, sechs oder gar nur zwölf Monate.
Man kann mit diesen drei Bausteinen das Therapiekonzept für jede betroffene Frau und für jeden betroffenen Mann maßschneidern.
Im SN-Saal: Klinikvorstand Christian Pirich informiert am kommenden Dienstag, 4. April, um 19.00 Uhr in der SN-Reihe „Meine Gesundheit“über Osteoporose. Der Vorstand der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Anton Wicker, stellt Bewegungsund Trainingsprogramme vor.