Salzburger Nachrichten

„Man spürt, dass diese Welt nicht uns gehört“

Piranhas, Mücken, Giftfrösch­e: Dreharbeit­en im Dschungel sind brutal, wie James Gray bei „Die versunkene Stadt Z“feststelle­n musste.

- MAGDALENA MIEDL

WIEN. Im Jahr 1925 geht der britische Abenteurer und Forscher Colonel Percy Fawcett im AmazonasDs­chungel verloren, auf der Suche nach einer verlorenen Stadt. Regisseur James Gray schildert in „Die versunkene Stadt Z“Fawcetts Leben und seine wahnwitzig­e Unternehmu­ng als opulentes Abenteuer, mit Charlie Hunnam, Sienna Miller und Robert Pattinson in den Hauptrolle­n, und gedreht im Dschungel Boliviens.

SN: Haben Sie mit diesem Dschungelf­ilm Ihr Ziel erreicht, wie Werner Herzog zu werden?

Gray: Ich hoffe nicht! Ich meine, er ist großartig, aber ich wollte ja keinen Herzog-Film machen, auch wenn er ein riesiges Vorbild ist für mich. Meine Cinephilie hat genau in dem Moment begonnen, als ich seinen Film „Aguirre, der Zorn Gottes“gesehen habe, das muss etwa 1981 gewesen sein. Es gab da in New York Ecke 96th Street und Broadway ein Kino, das alte Filme wieder aufführte, in fürchterli­ch schlechten Filmkopien. Ich ging hin und hatte keine Ahnung, was mich erwartet: „Oh, Klaus Kinski, Aguirre? Klingt toll!“Ich war zwölf Jahre alt und kann Ihnen sagen: Das hatte echt massiven Effekt auf mich. Aber vor diesem Dreh jetzt habe ich mir absichtlic­h weder „Aguirre“noch „Fitzcarral­do“nochmal angeschaut, damit ich nicht unabsichtl­ich Dinge kopiere. SN: Dieser Film beruht ja auf dem gleichnami­gen Sachbuch von David Grann und schildert wahre Begebenhei­ten. Engt es Sie ein, wenn Sie nicht Ihre komplett eigene Geschichte erzählen können? Jedes Mal, wenn man eine Geschichte für einen Film konstruier­t, steht man vor ähnlichen Problemen. Hitchcock hat einmal gescherzt, dass Filme wie das Leben sind, nur sind die langweilig­en Teile rausgeschn­itten. Damit ist gemeint, dass es immer Antriebsmo­mente oder Begebenhei­ten gibt, die für das größere Ganze in der Biografie einer Person stehen können, und die gilt es zu finden. Ich habe mich hier natürlich an eine gewisse historisch­e Wahrheit halten müssen, und hier war die Herausford­erung, die entscheide­nden Momente im Leben dieser Person zu finden. SN: Finden Sie sich in den Obsessione­n Ihres Protagonis­ten wieder? Das würde erklären, wie Sie so ein gewaltiges Filmprojek­t durchstehe­n konnten. Ich habe mir das nicht bewusst überlegt, aber ich denke, ja, das hat mich wohl gereizt daran. Was mich am Buch zuerst fasziniert hat, war die brutale Hierarchie im viktoriani­schen England, aber auch darüber hinaus: Wie wir Menschen dieses endlose, übelkeitse­rregende Bedürfnis haben, Ränge und Hierarchie­n zu erstellen. Das hat mich sehr mit Percy Fawcett mitfühlen lassen, dass andere auf ihn herabschau­en, und genau daraus sein Antrieb entsteht, sich anderen zu beweisen. Ich fühle mich auch oft wie das ungeliebte Stiefkind, das gerade vom Versagen angetriebe­n wird, da habe ich mich wiedergefu­nden. SN: Brad Pitt hat den Film produziert. Ist es wahr, dass er die Hauptrolle spielen wollte? Er hat das Buch gekauft, aber hat nur kurz überlegt, weil bald klar war, dass ein Engländer diesen Mann spielen sollte, und das war dann Charlie Hunnam. Ich habe damals einen Anruf von der Produktion bekommen, mir ist bis heute schleierha­ft, wie die auf mich gekommen sind: „Brad will, dass Sie sich dieses Buch ansehen“– und gut, wenn Brad das will, dann sieht man sich das eben an. Ich habe es gelesen und gedacht: „Das ist nicht schaffbar! Der Dschungel, der Krieg – das ist ein Epos! Und dann findet der Typ die Stadt nicht einmal . . . passt, das mach ich!“ SN: Und, war es schaffbar? Manchmal denke ich mir, in zweihunder­t Jahren wird man Filme einfach programmie­ren: „Der eine heißt Mickey, die andere Frederica, sie fliegen in den Weltraum“, zack, ein Computer macht den fertigen Film und niemand wird kapieren, warum das früher so eine Riesensach­e war. Es ist ja heute schon mit Computeref­fekten so. Ich hab vor Kurzem „Cleopatra“wieder gesehen, mit Elizabeth Taylor, und mir ist kaum vorstellba­r, wie viele Komparsen die damals hatten. Heute nimmt man zwei Leute, und aus denen reproduzie­rt der Computer ganze Menschenma­ssen.

Und in ein paar Hundert Jahren wird sich jemand angesichts unseres Films fragen: „Was, da kamen wirklich 150 Leute zusammen, zwei Jahre lang, und haben Fantastill­iarden Dollar ausgegeben und sind wirklich in den Amazonas getaucht, mitsamt Alligatore­n und Schlangen und Piranhas?“

Diese ganze Maschineri­e des Filmemache­ns ist schon von vornherein Wahnsinn, und das dann noch in der tropischen Hitze, mit all den Tieren – da wird das wirklich zum Abenteuer. SN: Hat Sie denn überrascht, wie mühselig es war? Ich habe es mir etwas einfacher vorgestell­t. Ich dachte, ich würde „Glamping“machen, also GlamourCam­ping, wo ich tagsüber in den Dschungel gehe und abends in meine Luxussuite zurückkehr­e. Blöderweis­e gab es aber keine Suite, und das hat mich täglich gezwungen, meine gesamte Existenz infrage zu stellen, auf sehr grundsätzl­iche Weise. Wir waren dort nur die Eindringli­nge in einer Welt, die den Insekten und Kriechtier­en gehört, Käfern, Mücken, es ist überwältig­end und alles sehr giftig. Da war ein wunderschö­ner winziger blitzblaue­r Frosch und ich habe ihn meinem Sohn gezeigt, und unser Guide sagte: „Nicht berühren, der ist tödlich!“Dort im Dschungel wird es wirklich spürbar, dass uns diese Welt nicht gehört, und dass diese Viecher uns auch nicht dort haben wollen. Wäre auch ein Wunder. Wir machen ja alles kaputt! Film: Die versunkene Stadt Z. Biopic, USA 2017. Regie: James Gray. Mit Charlie Hunnam, Robert Pattinson, Sienna Miller, Tom Holland. Start: 31. 3.

„Wir waren dort nur die Eindringli­nge.“ James Gray, Regisseur

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BILD: SN/CONSTANTIN FILM Eindringli­nge im Dschungel: Charlie Hunnam, Tom Holland.
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