Das lange Warten auf den Kaffee
Die Diagonale präsentiert im Experimentalfilm-Programm neue Namen.
GRAZ. „Herr Ober, noch einen Espresso bitte!“Die mehrfache Bitte des Mannes im Gastgarten bleibt unerhört, worauf sich dieser in Gesten der Langeweile sowie in Alltagskunststücke flüchtet. „Espresso“lautet der Titel des Trickfilms von Alexander Gratzer, der nicht nur wegen seines höchst amüsanten Epilogs zu den Höhepunkten in der Programmschiene „Innovatives Kino“der Diagonale ’17 in Graz zählt. So jung, so frisch, und doch so feinsinnig kann heimisches Kino sein.
37 Filme aus dem Genre Experiment/Animation/Musikvideo erzählen unterschiedliche Geschichten. Auffallend und sehr positiv: Einige neue Namen kommen zu Festivalehren, etwa Victoria Preuer, die mit „Kanten (Grenzen)“ein typisch österreichisches Interieur mit sich steigernden und immer absurder werdenden verbalen Einladungen verschränkt: „Ess’ ma no an Kuchen!“ist eine Miniatur über die Grenzen der Gemütlichkeit und über Bedeutungsverschiebungen mit Versatzstücken aus dem Alltag.
Anders geht Lisa Kortschak vor, wenn sie das Wiener Amalienbad zu einer furiosen Performance nützt, die weit über Wassersport hinaus geht. Synchronschwimmen und inszeniertes Knallen der Badekabinentüren: Der Film „Liquid Sonic Palindrome“ist eine visuell wie akustisch ausgeklügelte Komposition, die die Schaulust ebenso wie den intellektuellen Hunger befriedigt.
Ein aus Musik, Bild und Wort gezimmertes Kammerspiel vor atemberaubender Meereskulisse ist „Stabat Mater“des renommierten Filmemachers Josef Dabernig. Wortlose Gäste in einer eigenartigen Kuranstalt am Meer, bizarre Felfsformationen und ein von der Bildebene unabhängiger Text erzeugen eine Stimmung aus poesievoller Vergänglichkeit und unheilschwangerer Ruhe. Eine eigene Atmosphäre beschreibt auch „Zapp Gallura – Behemoth“von Mike Kren: die Romanze zwischen einem Staubsaugerroboter und einem Rasenmäherroboter. Gefühlschaos gibt es nicht nur bei Menschen, sondern auch bei den Maschinen: ein mehrdeutiges Musikvideo.
Neben der Brillanz von Altmeister Dietmar Brehm umfasst das Programm auch anregende und inspirierende Beiträge von Anna Vasof, Christina Lammer, Paweł Szostak und Billy Roisz/Dieter Kovačič.