Erregung wie ein Erdbeben
Lust und Liebe. „Eine Frau, die sich aus bürgerlichen Zwängen befreit.“
„Also prinzipiell hasse ich Kostüme“, sagt Katharina Straßer. „Ich mag sie nicht, die vielen Umzüge innerhalb oder nach einer Szene. Es behindert mich beim Spielen, beim Eintauchen in die Rolle.“Sie nimmt einen Schluck vom Soda-Zitron. „Doch diesmal freue ich mich richtig über die vielen Verkleidungen“, versichert die 32-Jährige. „Ich muss nicht nackt sein – auf der Bühne – Gott sei Dank!“
Als Lady Chatterey in der gleichnamigen, von Intendantin Renate Loidolt dramatisierten Romanvorlage schlüpft die Schauspielerin in die Haut einer Frau, die sich aus bürgerlichen Zwängen befreit, weil sie Lust und leidenschaftliche, befriedigende Sexualität entdeckt. Da wäre es obligatorisch, sich unbekleidet mit dem Geliebten auf dem Waldboden oder sonst wo zu wälzen. „Aber“, beruhigt sich Kathi Straßer selbst. „Wir kriegen das hin. Außerdem“– so kommt sie noch einmal auf Kostüme zu sprechen – „trage ich als Lady Chatterley lange, hochgeschnittene Röcke. Da heißt es Bauch einziehen und eine aufrechte Haltung einnehmen.“
In dieser Spannung zwischen „Haltung“als gesellschaftliches Muss und sexueller Begierde, die unter den Kleiderschichten brodelt und explodiert, bewegt sich auch der mehrfach verfilmte Roman „Lady Chatterley’s Lover“aus 1928 von D. H. Lawrence. Er handelt von der Ehefrau eines Kriegsveteranen, der impotent und gelähmt nach Hause zurückgekehrt ist und hofft, mit seiner Intellektualität seine Connie zufriedenzustellen. Als diese bei einem Spaziergang im Wald auf den bei Chatterleys angestellten Waldhüter trifft, ist es mit den geruhsam-philosophischen ehelichen Diskursen vorbei: Der männliche Typ erregt sie dermaßen, dass sie sich die Freiheit nimmt, ihr Begehren auszuleben und auch noch schwanger zu werden. „Eine Leidenschaft wie ein Erdbeben“, sagt dazu Kathi Straßer.
Der Skandal war damals programmiert: Lawrence musste drei Fassungen schreiben – die erste und unzensierte erschien in England erst 1972, abgesehen davon, dass das Werk unterschiedlich lang in verschiedenen Ländern verboten war. Zum einen war es westlichen Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts offiziell noch nicht gestattet, zu ihrer Sexualität zu stehen. Zum anderen sind in diesem Roman, der heute zu den 100 wichtigsten Büchern der Weltliteratur gehört, die Sexszenen ausführlich beschrieben, was nicht nur im prüden England als obszön interpretiert wurde.
„Das hat mich an dieser Figur gereizt: eine Frau, die sich befreit, ihre Lust lebt und sie beschreibt. Ich freue mich, dass die Loidolts extra für mich eine Rolle gesucht haben. Das ist am Theater unüblich“, sagt Kathi Straßer, die mit ihren vollen rosafarbenen Lippen, den schnell geröteten Wangen, dem strahlenden Blick und dem blonden Haar gern als süßes Mädel und Opfer der Männer eingesetzt wurde – auch bei ihrem Debüt in Reichenau 2010 im dramatisierten „Der Weg ins Freie“von Arthur Schnitzler. Sie spielte die junge, bürgerliche Anna, die sich in ihr Schicksal fügt, von einem Baron betrogen, geschwängert und nicht geheiratet zu werden. Dem Teufelsweib in Karl Schönherrs „Weibsteufel“, 2016, ebenfalls in Reichenau, fühlt sie sich näher: Statt mit ihrer Erotik den ökonomischen Interessen der Männer zu dienen, nutzt hier das „Weib“die Macht des Frauseins und dreht die Verhältnisse: „Eine hochalpine Penthesilea mit Anwandlungen einer genussvollen Durchtriebenheit“, lobte der „Standard“die gebürtige Tirolerin.
Mit neunzehn Jahren stand die von Volkstheaterdirektor Michael Schottenberg entdeckte Elevin auf der Bühne – bald in Rollen wie als Karoline in Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline“, als Julie in Franz Molnars „Liliom“oder im Josefstädter Theater als schöne Lola im „Blauen Engel“. Ihre Elisa in „My Fair Lady“an der Wiener Volksoper ist ebenso sein Dauerbrenner wie ihre „Anatevka“. Gleichzeitig profilierte sie sich im Fernsehen in der Serie „Schnell ermittelt“und in Filmen wie „Sommernachtsmord“oder „Herrgott für Anfänger“. Und weil es so Spaß macht, gibt sie an der Seite von Wolf Bachofner und Bela Koreny Wienerlied-Konzerte.
Am liebsten aber spielt sie mit ihrem dreijährigen Sohn Emil und gelegentlich in Programmen mit ihrem Mann, dem Kabarettisten Thomas Stipsits. „Ich habe mit allem früh begonnen und viel erreicht. Ich habe keinen Stress,“sagt Kathi Straßer. Hat sie Wünsche offen? Da lächelt sie verschmitzt: „Klar. Eine tolle Rolle an der Burg und die Buhlschaft im Salzburger ,Jedermann‘!“
„Klar, ich wünsche mir die Buhlschaft im Salzburger ,Jedermann‘!“