Schwedens Behörden wollten den Täter seit 2016 abschieben
Die Polizei hat neue Details zum Täter des Lkw-Attentats von Stockholm genannt: Der mutmaßliche Extremist war ausreisepflichtig. Wie auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt.
Bei dem Stockholmer Lastwagenattentat mit vier Toten ist der Hauptverdächtige gefasst. Der 39-Jährige soll aus Usbekistan stammen und mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“sympathisiert haben, erklärte die Polizei bei einer Pressekonferenz am Wochenende. Weiter hieß es, der mutmaßliche Täter habe sich 2014 um einen Aufenthaltstitel in Schweden bemüht, das Gesuch sei jedoch im Juni 2016 abgelehnt worden. Er wurde von der Polizei zur Fahndung ausgeschrieben, weil man ihn abschieben wollte. Die Polizei komme den Abschiebungen wegen Überforderung aber kaum nach, sagte ein Sprecher.
Auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, der als islamistischer Gefährder eingestufte Anis Amri, war ausreisepflichtig. In Deutschland wird seither vor allem darüber gestritten, ob Behörden Möglichkeiten versäumten, ihn rechtzeitig festzusetzen und abzuschieben. Amri war ebenfalls mit einem Lkw in Menschen gefahren. Er tötete insgesamt zwölf Menschen. Während in Stockholm am Wochen- ende Tausende Menschen vor dem Kaufhaus, in das der Täter den Lkw gesteuert hatte, zusammenkamen, um dem Terror zu trotzen, gab es in Ägypten erneut zwei Anschläge, die der IS später für sich reklamierte. Bei Attentaten auf zwei Kirchen der koptischen Christen wurden am Palmsonntag mindestens 41 Menschen getötet.
Der Kontrast war krass. Bevor Präsident Donald Trump seinen Befehl zu einem USMilitärschlag in Syrien gab, hatten die meisten Medien fast nichts Gutes über seine Regierungsführung zu sagen. Während die Römer die Menschen mit Brot und Zirkus glücklich gehalten hätten, „haben wir bisher nur den Zirkus erhalten“, schrieb beispielsweise Fareed Zakaria vom Sender CNN noch kürzlich. Nach dem Abfeuern der Tomahawks als Vergeltung für Baschar al-Assads mutmaßlichen Giftgasangriff kamen andere Töne.
„Ich denke, Donald Trump ist letzte Nacht Präsident der Vereinigten Staaten geworden“, meinte Zakaria. Auch von anderen Medien „floss Lob wie Champagner bei einer Hochzeit“, hieß es in einer Kolumne in der „Washington Post“. Und alles, was er dafür habe tun müssen, „war, einen Krieg anzufangen“, zitierte das Blatt einen Washingtoner Podcaster.
Warum ein Militärschlag zumindest kurzzeitig einen solchen Umschwung bewirkt, ist nur einer von mehreren Aspekten, die zum Nachdenken lohnen. Nach den schrecklichen Bildern von Kindern nach einem Giftgasangriff in Syrien sei es schwer, keine „emotionale Befriedigung“über den Raketenangriff zu verspüren, kommentierte etwa die „New York Times“. Aber es sei auch schwierig, sich nicht über die vielen Fragen zu beunruhigen, die Trumps Aktion aufwerfe.
Darunter die folgende: War es eine emotionale, spontane, isolierte Aktion ohne eine breitere Strategie, das komplexe Dilemma in Syrien zu lösen? Mit anderen Worten: Wie geht es mit dem Trump’schen Syrien-Kurs weiter? Wenn es denn einen solchen gibt.
Trump hatte noch 2013 Präsident Barack Obama in getwitterten Großbuchstaben vor einer Intervention in Syrien als Vergeltung für einen Giftgasangriff mit mehr als 1000 Toten gewarnt. „Wir sollten uns, zum Teufel noch mal, aus Syrien raushalten (. . .) WAS WERDEN WIR FÜR UNSERE LEBEN UND MILLIARDEN DOLLAR BEKOMMEN? NULL“, twitterte Trump.
Weder im Wahlkampf noch danach hat Trump Syrien eine Priorität eingeräumt: Diese gilt erklärtermaßen dem Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“– nicht einer wie auch immer gearteten Lösung des Syrien-Konflikts, nicht einer Vertreibung Assads von der Macht. Bisher hat auch niemand in der Trump-Regierung auch nur vage definiert, wie das „Endgame“, das Endspiel, in Syrien aussehen könnte. Erst vor wenigen Tagen hat Außenminister Rex Tillerson erklärt, das syrische Volk werde Assads Schicksal entscheiden.
Und dann warnte Tillerson nach dem Militärschlag, nicht zu viel in diese Aktion hineinzulesen. „Das hier zeigt klar, dass der Präsident bereit ist, entschlossen zu handeln, wenn es angebracht ist. Ich würde in keiner Weise versuchen, das als einen Wandel unserer Politik oder Position zu interpretieren. Es hat keinen Wandel gegeben.“Was er damit meinte, blieb rätselhaft. Sean Spicer, der Sprecher des Weißen Hauses, beendete die Pressekonferenz, bevor Journalisten nachhaken konnten. Zuvor hatte er auch ein angekündigtes MedienBriefing zur US-Aktion abgesagt, vermutlich, so argwöhnten einige der wenigen offenen Kritiker des Militärschlags, um Bilder von Explosionen, Rauch und Trümmern auf dem beschossenen syrischen Stützpunkt für sich sprechen zu lassen. Sie sollten zeigen, wie stark und entschlossen dieser Präsident ist, kein Weichei wie sein Vorgänger Obama, der 2013 nicht gehandelt hatte.
Mit einer Strategie hat das alles nichts zu tun. Bisher deutet eher alles darauf hin, dass Trump aus Instinkt und wohl auch Emotionen gehandelt hat – und nicht auf der Basis eines Konzepts, das über die Nacht der Operation hinausreicht. „Die Raketen abzufeuern war der einfache Teil. Das große Problem ist, was als Nächstes kommt“, meint Greg Jaffe von der „Washington Post“mit dem Hinweis darauf, dass Optionen für einen Militärschlag schließlich schon seit 2013 fix und fertig in der Schublade im Pentagon gelegen wären.
Am vergangenen Samstag ging Trump in Florida golfen – in dem ungewohnten Wissen, dass er diesmal nicht nur bei seinen Fans gepunktet hat. Aber die ersten Medien stellen schon die Frage: Was nun? Und wie es Trump denn jetzt mit seinem – vorerst gerichtlich blockierten – befristeten Einreisestopp für syrische Flüchtlinge halten will, darunter Mütter und Kinder? Dazu kam aus dem Weißen Haus bisher nur Gestotter.