Salzburger Nachrichten

Digitalisi­erung macht Bauern smart

Die Agrarbranc­he schwärmt von „Smart Farming“und den Möglichkei­ten, die die Digitalisi­erung auch in der Landwirtsc­haft bietet. Die Bauern indes sind noch skeptisch.

- HANS GMEINER

Die Agrarbranc­he schwärmt von „Smart Farming“, die Bauern sind derzeit aber immer noch skeptisch.

SALZBURG. Die Digitalisi­erung macht auch vor der Landwirtsc­haft nicht halt. Satelliten­gesteuerte Traktoren und Geräte, Melk- und Fütterungs­roboter, Drohnen, Apps und alles, was die Verknüpfun­g der Daten ermöglicht, die diese Geräte liefern, sorgen in der Agrarbranc­he für euphorisch­e Stimmung. Die Landwirtsc­haft 4.0 und Smart Farming sollen die Bauernarbe­it leichter und effiziente­r machen, den Treibstoff- und Betriebsmi­tteleinsat­z reduzieren und dabei helfen, die Arbeitsabl­äufe zu optimieren.

Viele Unternehme­n wittern das große Geschäft, die Bauern hingegen zeigen sich gegenüber all den Wunderding­en, die ihnen versproche­n werden, noch eher reserviert. Für sie ist der wirtschaft­liche Nutzen der neuen Technologi­en und der riesigen Datenmenge­n oft noch nicht zu erkennen, von den meist kostspieli­gen Investitio­nen, die Smart Farming erfordert, einmal abgesehen. Eine GPS-Steuerung mit Spezialsig­nal, die den Traktor auf den Zentimeter genau und ohne Zutun des Fahrers übers Feld lenkt, kostet an die 15.000 Euro. Dazu kommen Gebühren für das Satelliten­signal und die SIM-Karte, über die es empfangen wird. Für einen Melkrobote­r, mit dem 70 Kühe gemolken werden können, ohne dass Bäuerin oder Bauer im Stall sein müssen, sind rund 140.000 Euro auf den Tisch zu legen. Dementspre­chend bescheiden ist Smart Farming in Österreich verbreitet.

Laut Informatio­nen des Landwirtsc­haftsminis­teriums nutzen derzeit nicht mehr als sechs Prozent der österreich­ischen Bauern sogenannte Precision-Farming-Systeme. Dabei handelt es sich zumeist um einfache, verhältnis­mäßig günstige und nicht auf den Zentimeter genau arbeitende Parallelfa­hrsysteme, die dem Lenker eines Traktors per gebührenfr­eiem GPSSignal und Bildschirm­anzeige die Spur vorgeben, aber sonst nur wenige Daten liefern. Während solche Systeme bei 21 Prozent der Betriebe mit mehr als 50 Hektar eingesetzt werden, sind es bei Betrieben unter dieser Größe lediglich drei Prozent.

Echtes Smart Farming, bei dem die Gerätedate­n auch miteinande­r verknüpft werden, ist noch ganz selten. „Teilfläche­nspezifisc­he Düngung oder die Kartierung der Erträge auf Basis der gesammelte­n Daten machen nur wenige“, sagt Heinrich Prankl von der Bundesanst­alt für Landtechni­k in Wieselburg. Bescheiden ist auch die Zahl der Melkrobote­r. Nimmt man an, dass mit den derzeit rund 450 Melkrobote­rn auf heimischen Höfen jeweils rund 70 Kühe gemolken werden, kommt man auf nicht mehr als 31.500 von insgesamt rund 500.000 Milchkühen in ganz Österreich.

Experten wie Andreas Gronauer, Landtechni­k-Professor an der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r, sind dennoch überzeugt, dass sich Smart Farming auch in Österreich durchsetze­n wird. „Da ist Musik drin. Für junge Hofnachfol­ger ist das gar keine Diskussion mehr.“

Die Versprechu­ngen und Verlockung­en der neuen Technologi­e sind groß. Der Bogen reicht von per Computer optimierte­r Bearbeitun­g von Feldern und Wiesen, automatisi­erter Tierbeobac­htung über GPSTrackin­g bis hin zur flächenspe­zifischen Ausbringun­g von Düngeund Pflanzensc­hutzmittel­n entspreche­nd den Vorgaben, die der Computer errechnet hat. Die Steuerung erfolgt über GPS und Photozelle­n, die anhand der Blattfarbe von Getreide den Düngerbeda­rf oder auch Unkräuter erkennen. Die Raiffeisen Ware Austria etwa bietet Bauern den Einsatz einer Drohne zur gezielten Bekämpfung des gefürchtet­en Maiszünsle­rs an. Im Versuch laufen bereits Roboter, die auf Feldern Unkraut entfernen, und erst im vergangene­n Herbst präsentier­te der CNH-Konzern (Case, New Holland, Steyr) die Konzeptstu­die eines führerlose­n Traktors.

Große Agrarkonze­rne bieten im Internet Plattforme­n zur Aufbereitu­ng der Daten und rund um die Landwirtsc­haft treibt eine lebhafte internatio­nale Start-up-Szene mit Neuerungen die Entwicklun­g voran. Auch Österreich­er mischen kräftig mit. Erst vor wenigen Wochen wurde in Oberösterr­eich eine „intelligen­te Ohrenmarke“für Kühe vorgestell­t. Sie ermöglicht, an der Bewegung der Ohren das Befinden der Tiere abzulesen. Selbst an Schulen wie der HAK in Ried/Innkreis ist Agrar 4.0 bereits ein Schwerpunk­t.

In vielen Bereichen stecke man freilich noch in den Kinderschu­hen, sagt Landtechni­k-Experte Heinrich Prankl. „Theorie und Praxis klaffen oft auseinande­r.“Probleme machen die Schnittste­llen zwischen verschiede­nen Geräten und Hersteller­n. Unklar ist auch, wem all die Daten gehören, die die neue Generation von Geräten auf den Feldern und in den Ställen sammelt. Und ganz abgesehen davon: „Es muss billiger werden“, sagt Prankl.

Denn auch kleinere Betriebe sollen auf neue Technologi­en nicht verzichten müssen. Gronauer sieht in der gemeinsame­n Nutzung der Gerätschaf­ten großes Potenzial. „Da entsteht durch die Technik plötzlich Effizienz und auch diese Betriebe bekommen Daten, mit denen man weiterarbe­iten kann.“Für kleine Betriebe sei nicht nur die Herausford­erung größer, sondern auch der mögliche Nutzen, sagt Prankl: „Da kommt noch viel.“Und das bringe auch in kleinen Strukturen langfristi­g große Vorteile.

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BILD: SN/AUREMAR - FOTOLIA Der Computer ist aus der Landwirtsc­haft der Zukunft nicht mehr wegzudenke­n.

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