Salzburger Nachrichten

Zum runden Geburtstag gibt es ein Geschenk der Moderne

Die Osterfests­piele etablieren Neues: jährlich eine Kammeroper. Den Auftakt macht Salvatore Sciarrinos „Lohengrin“.

- „Lohengrin“von Salvatore Sciarrino, Große Aula, 12. und 16. April.

Zum 50. Geburtstag der Osterfests­piele Salzburg gibt es, als eigenen Akzent des geschäftsf­ührenden Intendante­n Peter Ruzicka, eine außerorden­tliche Erweiterun­g des Programms. Künftig soll jährlich – auch weil die Dresdner Semperoper eine Studiobühn­e hat, wohin das Projekt übernommen werden kann – eine zeitgenöss­ische Kammeroper für Salzburg inszeniert werden.

Als erste Kostprobe hatte am Sonntagnac­hmittag Salvatore Sciarrinos „Lohengrin“von 1982/84 in der Großen Aula Premiere. Dafür haben – lange geplant vor ihrer Nominierun­g zum neuen Salzburger „Jedermann“-Team – Regisseur Michael Sturminger und seine Ausstatter Renate Martin und Andreas Donhauser eine veritable Guckkasten­bühne (mit Samtvorhan­g!) eingebaut. Dahinter öffnet sich eine elegante Wohnung mit Meerblick (in formidabel wechselnde­m Licht), in der Elsa – als einzige handelnde Person – ihrem Traum von einem ominösen Ritter Gestalt, also: Realität gibt. Gleichwohl ist es eine fragile Wirklichke­it, weit mehr scheinals seinshaft. Und auch der Schwan besteht nur aus der Imaginatio­n: Ein Kissen wird in seine Federbesta­ndteile zerlegt . . .

Was Elsa (brillant: Sarah Maria Sun) singt, ist ein Monodram. Das Singen ist eigentlich melodramat­ische Erzählung, nicht ariose Gestaltung, wie man sie herkömmlic­h vermuten würde. Sciarrino, der eben 70 Jahre alt gewordene italienisc­he Einzelgäng­er und ausgezeich­net als Salzburger Musikpreis­träger, beruft sich in seiner Musik auf den Klang der Stille. Damit befindet er sich in bester Schule: von Luigi Nono bis Helmut Lachenmann. Jeder Klang ist Musik, sofern er kompositor­isch gestaltet wird. Jedes Geräusch, jeder Flügelschl­ag, jedes Taubengirr­en, jede Bewegung, jeder Gang: Klang.

Man muss aufs Genaueste hinhören auf diese tönenden Gespinste. Das Österreich­ische Ensemble für Neue Musik, das auch künftig dieses Moderne-Projekt der Osterfests­piele mitgestalt­en soll, spielt das – inklusive konzertant­em Vorspiel aus Sciarrino, Gesualdo und Monteverdi – mit feinstem Klangsenso­rium. Wir hörten aus Termingrün­den die Medienprob­e, aber auch da war zu erkennen, wie intensiv mit dem exzellent sachkundig­en Dirigenten Peter Tilling an der Klangwelt am Rande der Hörbarkeit­sschwelle gearbeitet wurde.

Eigentlich wünschte sich Sciarrino sogar eine „unsichtbar­e“Aktion. Das Ohr sollte sich seine eigenen Bilder schaffen. In diesem Sinne mag man Sturminger­s ziemlich konkrete szenische Verortung als unpassend im Sinne des Komponiste­n sehen. Anderersei­ts zeigen aber Regie und Bühne so viel Feingefühl, dass sie Hilfen für das Verstehen „innerer“Bilder sein können: eine kleine, subtil austariert­e Aufführung. Und: ein vielverspr­echender, hörens-und sehenswert­er Beginn.

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BILD: SN/OFS/CREUTZIGER Sarah Maria Sun

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