Zum runden Geburtstag gibt es ein Geschenk der Moderne
Die Osterfestspiele etablieren Neues: jährlich eine Kammeroper. Den Auftakt macht Salvatore Sciarrinos „Lohengrin“.
Zum 50. Geburtstag der Osterfestspiele Salzburg gibt es, als eigenen Akzent des geschäftsführenden Intendanten Peter Ruzicka, eine außerordentliche Erweiterung des Programms. Künftig soll jährlich – auch weil die Dresdner Semperoper eine Studiobühne hat, wohin das Projekt übernommen werden kann – eine zeitgenössische Kammeroper für Salzburg inszeniert werden.
Als erste Kostprobe hatte am Sonntagnachmittag Salvatore Sciarrinos „Lohengrin“von 1982/84 in der Großen Aula Premiere. Dafür haben – lange geplant vor ihrer Nominierung zum neuen Salzburger „Jedermann“-Team – Regisseur Michael Sturminger und seine Ausstatter Renate Martin und Andreas Donhauser eine veritable Guckkastenbühne (mit Samtvorhang!) eingebaut. Dahinter öffnet sich eine elegante Wohnung mit Meerblick (in formidabel wechselndem Licht), in der Elsa – als einzige handelnde Person – ihrem Traum von einem ominösen Ritter Gestalt, also: Realität gibt. Gleichwohl ist es eine fragile Wirklichkeit, weit mehr scheinals seinshaft. Und auch der Schwan besteht nur aus der Imagination: Ein Kissen wird in seine Federbestandteile zerlegt . . .
Was Elsa (brillant: Sarah Maria Sun) singt, ist ein Monodram. Das Singen ist eigentlich melodramatische Erzählung, nicht ariose Gestaltung, wie man sie herkömmlich vermuten würde. Sciarrino, der eben 70 Jahre alt gewordene italienische Einzelgänger und ausgezeichnet als Salzburger Musikpreisträger, beruft sich in seiner Musik auf den Klang der Stille. Damit befindet er sich in bester Schule: von Luigi Nono bis Helmut Lachenmann. Jeder Klang ist Musik, sofern er kompositorisch gestaltet wird. Jedes Geräusch, jeder Flügelschlag, jedes Taubengirren, jede Bewegung, jeder Gang: Klang.
Man muss aufs Genaueste hinhören auf diese tönenden Gespinste. Das Österreichische Ensemble für Neue Musik, das auch künftig dieses Moderne-Projekt der Osterfestspiele mitgestalten soll, spielt das – inklusive konzertantem Vorspiel aus Sciarrino, Gesualdo und Monteverdi – mit feinstem Klangsensorium. Wir hörten aus Termingründen die Medienprobe, aber auch da war zu erkennen, wie intensiv mit dem exzellent sachkundigen Dirigenten Peter Tilling an der Klangwelt am Rande der Hörbarkeitsschwelle gearbeitet wurde.
Eigentlich wünschte sich Sciarrino sogar eine „unsichtbare“Aktion. Das Ohr sollte sich seine eigenen Bilder schaffen. In diesem Sinne mag man Sturmingers ziemlich konkrete szenische Verortung als unpassend im Sinne des Komponisten sehen. Andererseits zeigen aber Regie und Bühne so viel Feingefühl, dass sie Hilfen für das Verstehen „innerer“Bilder sein können: eine kleine, subtil austarierte Aufführung. Und: ein vielversprechender, hörens-und sehenswerter Beginn.