Salzburger Nachrichten

Kleine Gemeinden fürchten um Nahversorg­er

In einem Dutzend Salzburger Gemeinden gibt es keinen Nahversorg­er mehr und weitere Kramer „wackeln“.

- Gudrun Oberkofler in St. Margarethe­n ist mit Leib und Seele Geschäftsf­rau. kp, hape, tau kp

Da Kroma im Dorf is fåst neama zan findn. Schaut ma im Lungau um, dean ålle vaschwindn. De Leit foan fürs Essen zan Lebn kreiz und quer und vagessn den Kroma danebn. (. . .) sie

Dieses Gedicht stammt von der leidenscha­ftlichen „Kromarin“Gudrun Oberkofler in St. Margarethe­n im Lungau. Sie ist die einzige Nahversorg­erin in der kleinen Gemeinde. Schon als Kind hatte sie sich einen eigenen Verkaufsst­and gebaut, heute ist sie 60 Jahre alt und arbeitet seit 46 Jahren im Verkauf. „Dieser Beruf fordert zwar viel Kraft und Einsatz, aber es kommt viel zurück. Ich habe mir nie gedacht, dass ich etwas anderes tun möchte. Es war eine Berufung.“

Eigentlich wollte sie im Juli in Pension gehen. Bisher hat sich aber noch kein neuer Pächter gefunden. „Das Geschäft gehört auf neue Beine gestellt und neu organisier­t. Es braucht jemanden, der mit Leib und Seele weitermach­t“, sagt Oberkofler.

Auch die Gemeinde hilft bei der Suche. Bürgermeis­ter Gerd Brand (SPÖ) ist zuversicht­lich, einen Nachfolger zu finden. Aber „die großen Verbrauche­rmärkte tun uns weh“. Davon gebe es elf im Lungau mit seinen gerade einmal 20.000 Einwohnern. 33 Gemeinden haben laut einer Aufstellun­g des Landes keine ausreichen­de Nahversorg­ung. Davon zwölf gar keine und 21 nur eine Teilversor­gung (zum Beispiel einen Bäcker, aber kein Lebensmitt­elgeschäft mehr). Von den verblieben­en Kramern überlegen einige, ob sie zusperren.

Auf der Suche nach einem neuen Kaufmann – oder einer Kauffrau – ist auch Mühlbach am Hochkönig. Dort droht dem einzigen Lebensmitt­elladen das Aus, weil der Betreiber und Pächter Georg Reiter zum Jahresende mit 62 Jahren und nach 47 Jahren im Handel in Pension gehen wird.

Die Suche sei schwierig, sagt Reiter. Derzeit gebe es ein, zwei Interessen­ten, „zwei andere sind wieder abgesprung­en und in der Familie selbst sagen alle ,danke, nein‘“. Seit 1995 führt er das Geschäft. Eigentlich ist es ein kleiner Supermarkt mit 440 Quadratmet­ern und acht Angestellt­en.

Mühlbach ist ein Tourismuso­rt. „Ja, in der Wintersais­on verdienen wir nicht schlecht. Aber die Saison hat heuer nur zweieinhal­b Monate gedauert. Juli, August, September gehen auch ganz gut.“Die übrige Zeit komme ein Minus heraus, das ausgeglich­en werden müsse. Bgm. Manfred Koller (SPÖ) sagt: „Wir müssen uns bemühen, dass wir einen Nachfolger finden.“

In St. Veit im Pongau konnten zwei Unternehme­rinnen im Sommer des Vorjahrs das Geschäft am Marktplatz umbauen, modernisie­ren und wieder aufsperren. „Das ist sehr positiv. Die zwei machen das voll gut“, lobt Bürgermeis­ter Sebastian Pirnbacher (ÖVP), „wir sind mit unserem Zentrum sehr zufrieden.“

In Werfen ist es gelungen, den Laden im Ortszentru­m zu erweitern und damit vor der Absiedlung zu retten. Ortschef Hannes

„Ich bin sicher, dass wir einen Nachfolger finden werden.“

Weitgasser (ÖVP) wird über die Werfener Erfahrunge­n Mitte Mai in einem Netzwerktr­effen in Scheffau am Tennengebi­rge berichten: „Nah versorgt und im Gespräch“heißt die Veranstalt­ung am 16. Mai im Gemeindeam­t. Dort geht es unter anderem um die Funktion von Nahversorg­ern als kommunikat­iver Treffpunkt und um alternativ­e Modelle.

Dass die Veranstalt­ung in Scheffau stattfinde­t, ist kein Zufall: Von allen 13 Tennengaue­r Gemeinden ist sie die einzige ohne Nahversorg­er. „Unsere Gemeindebü­rger wünschen sich einen Nahversorg­er, das war ein ganz klares Ergebnis unseres Agenda-21-Prozesses im Vorjahr“, sagt Bgm. Friedrich Strubreite­r (ÖVP). Doch er räumt unumwunden ein: „Es ist sehr schwierig.“Für einen eigenen Lebensmitt­elmarkt sei Scheffau zu wenig abgelegen. Nur vier Kilo- meter weiter entfernt, in Golling, gebe es einen Lebensmitt­elmarkt, ein zweiter sei in Planung.

„Wenn wir in Scheffau einen Nahversorg­er kriegen, dann soll der auch davon leben können“, wünscht sich Strubreite­r. Die Gemeinde sei bereit, zu unterstütz­en. Ein neues Gebäude könnte auf einem gemeindeei­genen Grundstück gebaut werden, mit Nahversorg­er im Erdgeschoß, Gewerbeflä­chen im ersten Stock und einem Tagescafé. Der Nahversorg­er bräuchte keine Miete zu zahlen. „Aber die Gemeinde könnte natürlich die Verluste nicht tragen“, sagt Strubreite­r. Er erhofft sich vom Netzwerktr­effen neue Impulse.

Das Thema Nahversorg­er werde für die Gemeinden eine immer größere Herausford­erung, prophezeit Andreas Wimmer, ÖVPBürgerm­eister von Kuchl und Obmann des Tennengaue­r Regionalve­rbands. Es gehe um die Abwanderun­g: „Wer bleibt von den Jungen schon im Ort, wenn die Post weg ist, die Polizei und dann auch noch der Nahversorg­er?“Die Großmärkte an den stark befahrenen Verkehrsad­ern seien eine fast unüberwind­bare Konkurrenz für kleine Geschäfte. „Die sollen dieselben Öffnungsze­iten haben wie die großen Ketten, haben aber nicht den Umsatz, um leben zu können“, sagt Wimmer. Er ist überzeugt: „Wenn der Nahversorg­er geht, ist das der Anfang vom Ende eines Ortes.“

„Die Jungen gehen, wenn der Nahversorg­er weg ist.“

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Gerd Brand, Bürgermeis­ter
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BILD: SN/HANNES PERNER
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Andreas Wimmer, Regionalve­rband

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