Atompoker zerrt an Nerven
Die Drohkulisse ist aufgebaut: Sollte Nordkorea erneut Nukleartests durchführen wollen, könnte US-Präsident Donald Trump dies militärisch verhindern.
Die Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel haben einen kritischen Punkt erreicht: Heute, Samstag, feiert Nordkorea mit dem „Tag der Sonne“, dem höchsten Feiertag des Landes, den 105. Geburtstag von Staatsgründer und Präsident Kim Il Sung – und die Augen der Welt sind auf das Land gerichtet.
Entscheidend wird vorerst sein, ob das Regime an diesem Feiertag einen Raketentest oder gar den Test einer Nuklearbombe vorbereitet. In diesem Fall könnte sich US-Präsident Donald Trump laut amerikanischen Medienberichten veranlasst sehen, einen Präventivschlag zu führen. Zwei US-Zerstörer mit Marschflugkörpern halten sich angeblich bereits in der Nähe der Koreanischen Halbinsel auf. Einer davon sei nur etwa 480 Kilometer vom Atomtestgelände entfernt. Der Bericht wurde offiziell nicht bestätigt, von Beobachtern aber als „Angstmacherei“beschrieben.
Ein derartiger Präventivschlag dürfte jedoch vom Einverständnis der Regierung in Südkorea abhängen. Zumindest hat dies Washington zuletzt zugesichert. Am Sonntag wird US-Vizepräsident Mike Pence in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul erwartet.
Peking warnte eindringlich vor einer Eskalation auf der Koreanischen Halbinsel. „Die USA und Nordkorea wollen Gleiches mit Gleichem vergelten, mit gezückten Schwertern und gespannten Bogen, und Sturmwolken ziehen auf“, sagte Chinas Außenminister Wang Yi. Er forderte beide Seiten dazu auf, sich „nicht länger gegenseitig zu provozieren, weder durch Worte noch Taten“, und die Spannungen nicht an einen Punkt zu bringen, wo es „keine Umkehr mehr gibt“.
Auch Russland äußerte sich besorgt über eine Kriegsgefahr und mahnte zur Zurückhaltung.
China Air stellte am Freitag den Großteil der Flüge von Peking nach Pjöngjang ein.
Peking hat angeblich seinen ranghöchsten Atomverhandler nach Pjöngjang geschickt, um dem Regime von Kim Jong Un den Ernst der Lage klarzumachen. Der deutsche Nordkorea-Kenner Hartmut Koschyk sieht immer noch den Versuch des Weißen Hauses, gemeinsam mit China eine diplomatische Lösung zu finden. Er vermutet eine Absprache zwischen Donald Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, „jetzt bis an die Grenzen des Möglichen zu gehen, um Nordkorea zum Einlenken zu bewegen, womit die USA im Gegenzug auf einen militärischen Alleingang verzichten“, wie der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe meinte.
Satellitenaufnahmen lassen darauf schließen, dass Nordkorea in den Untergrundstollen seines Atomtestgeländes eine neuerliche Explosion vorbereiten könnte.
Pjöngjang testete bislang fünf Mal einen Atomsprengkörper. Der erste unterirdische Test fand im Oktober 2006 statt, der jüngste Test im September 2016. Südkoreas Militär sprach von der bisher stärksten Explosion.
Eine Atombombe muss allerdings auch in ihr Ziel transportiert werden. Nordkoreas Raketenprogramm macht zwar deutliche und rasche Fortschritte, Langstreckengeschosse besitzt das Regime jedoch nicht. 2016 testete Nordkoreas Regime insgesamt 24 Raketen, die stetig über mehr Reichweite, mehr Tragkraft und wichtige technische Fortschritte verfügen, wie zum Beispiel die Verkleinerung von Sprengköpfen und Schutz beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.
Die USA rechnen jedenfalls mit weiteren Tests. Es stelle sich nicht die Frage, „ob“Nordkorea erneut eine Rakete testen werde, sondern „wann“, sagte ein außenpolitischer Berater des Weißen Hauses am Freitag.
US-Präsident Donald Trump hatte am Donnerstag erklärt, Nordkorea sei ein „Problem, um das wir uns kümmern werden“. Zuvor hatte er mehrfach gedroht, das Atomprogramm Nordkoreas notfalls im Alleingang zu stoppen.