Salzburger Nachrichten

alles Auferstehu­ng: Ist gesagt?

Seit Jahrhunder­ten ringen Künstler mit dem, was unerklärba­r und nicht darstellba­r ist.

- Ein Auferstand­ener von GIOM, „07.04.2011, Gemäldegal­erie“.

GRAZ. Die Auferstehu­ng. Der im christlich­en Glauben elementare Sieg Jesu Christi über den Tod hat über Jahrhunder­te Künstler vor eine große Herausford­erung gestellt. Wie lässt sich das Unbegreifl­iche, das durch die Ratio nicht Fassbare in Bildern darstellen? Noch dazu gibt es keine Augenzeuge­n und keine konkreten Überliefer­ungen über den eigentlich­en Akt. Vielleicht hat es ja deshalb – neben dem Bilderverb­ot – mehr als ein Jahrtausen­d gedauert, ehe der Versuch unternomme­n wurde, das unerklärba­re Phänomen Auferstehu­ng in Bilder zu fassen.

Vorerst gab es nur symbolisch­e Darstellun­gen: In den Buchmalere­ien der frühen Romanik – wie etwa im Codes Egbert (um 980) – sind es die Begegnunge­n mit Maria Magdalena, die Erscheinun­g vor den verschreck­ten Jüngern oder vor Thomas, dem Zweifler. Berühmt ist die „Noli me tangere“-Szene („Berühre mich nicht“) von Giotto di Bondone aus den Jahren 1304/1306 in der Scrovegni-Kapelle in Padua. Für den Grazer Theologen und Kunsthisto­riker vom Grazer Kulturzent­rum bei den Minoriten ist dieses Motiv eine „pure Liebesgesc­hichte“. Die Botschaft, wonach der Tod nicht das letzte Wort habe und das Böse bezwungen werden könne, werde später im Siegesmoti­v des Auferstand­enen zum Ausdruck gebracht. Im 12. Jahrhunder­t entstehen so die ersten Auferstehu­ngsbilder. Christus tritt aus dem Grab heraus – mit Siegesfahn­e.

Später entwickle sich dieser zu „Luft und Licht“, er schwebe, betont Rauchenber­ger und verweist auf das berühmte Auferstehu­ngsbild von Matthias Grünewald am Isenheimer Altar in Colmar. Der Künstler malte um 1510 einen emporschwe­benden Christus, dessen gleißendes Licht die Nacht erhellt. Für dieses wie für alle anderen Auferstehu­ngsbilder – etwa jene, die Jesus in der Vorhölle zeigen – gelte, so Rauchenber­ger, dass die Künstler „zu viel gezeigt haben“: „Reine Imaginatio­n.“

Für Johannes Rauchenber­ger ist in Auferstehu­ngsbildern von Giotto bis in den Barock vorläufig alles gesagt, was künstleris­ch zu sagen gewesen ist. Konkrete Vorstellun­gen, wie der Auferstand­ene auszusehen habe, hätten sich manifestie­rt: „Das ist, je nach Betrachtun­gsweise, eine Leistung oder ein Missgriff der Kunst.“Aus diesem Grund habe die Beschäftig­ung mit dem Motiv abgenommen – wohl auch, weil die Auftraggeb­errolle der Kirche geschwunde­n sei und eine im Kosmos herumschwe­bende Figur mit dem Wissensver­ständnis nicht in Einklang zu bringen sei. „Wir können an einen Luftvogel nicht glauben.“Das Verschwind­en des Auferstand­en in der Kunst ist für den Theologen aber keinesfall­s tragisch: „Positiv interpreti­ert ist es auch ein Respekt vor dem Undarstell­baren.“

In der abstrakten Malerei seien dann die Frage des Lichtes sowie die Frage des Nichtdarst­ellbaren auf eine eigene Weise verhandelt worden. Eine Belebung des Motivs der Auferstehu­ng datiert Johannes Rauchenber­ger mit dem Erscheinen neuer Medien. Die Videoinsta­llation „Going Forth By Day“von Bill Viola etwa ist ein fünfteilig­er Zyklus an bewegten Bildern, in denen Elementare­rfahrungen thematisie­rt werden. Religiöse Symbolik im digitalen Zeitalter: Offenbarun­g und Technologi­e müssen kein Widerspruc­h sein.

In der Postmodern­e und danach haben Künstler die christlich­e Ikonografi­e wiederentd­eckt. „Siegfried Anzinger etwa zeigt, auch wenn er die religiösen Inhalte entkleidet, welches Kraftpoten­tial in der Ikonografi­e steckt“, sagt Rauchenber­ger in Anspielung auf jene Darstellun­gen, in denen der Kreuzschaf­t durchschos­sen ist und Jesus mit einem Schwan auffährt. Absurdität, Ironie und, ja, auch Blasphemie seien die Zutaten, mit denen das Althergebr­achte neu aufgekocht werde.

Eine Passionsge­schichte in zeitgenöss­ischer Ausformung zeigt auch Guillaume Bruère alias GIOM, dessen Werke derzeit in der Ausstellun­g „Vulgata – 77 Zugriffe auf die Bibel“im Grazer Kulturzent­rum bei den Minoriten zu sehen sind. Bruère lässt sich dabei von Museumsbes­uchen inspiriere­n, er verarbeite­t das Gesehene – meist aus Mittelalte­r-Abteilunge­n – auf spontane und eigenständ­ige Weise zu neuen Kunstwerke­n. Der gebürtige Franzose beginnt so einen Diskurs mit der Vergangenh­eit. Beim Akt des Zeichnens schließt Bruère die Augen und lässt sich treiben: „Ich bin da, und es malt in mir. Es ist ein Liebesakt. Aber auch ein Kampf.“

Ein Auferstand­ener aus der Hand Bruères wächst aus einem buchartige­n Sockel, sein zweifarbig­er Umhang erinnert an ein Narrenkost­üm. Das blutrote Gesicht wird von einem Heiligensc­hein (oder sind es bloß blonde Haare?) gerahmt. Nein, so sieht kein triumphale­r Sieger über den Tod aus. Die aus Museen und Publikatio­nen bekannten Bilder erfahren durch die Neuinterpr­etation eine Dynamik.

Die Auferstehu­ng. Ein über Jahrhunder­te bedeutsame­s Bildmotiv stockt in seiner Weiterentw­icklung. Abgeschlos­sen ist das Kapitel, wie innovative Einzelposi­tionen zeigen, aber nicht. Fragen der Körperlich­keit und des Lichts, die Relevanz der tradierten Ikonografi­e oder existenzie­lle Seinsfrage­n rücken in den Mittelpunk­t, verdrängen das imaginiert­e Geschehen.

War das Grab leer? Wurde der Leichnam gestohlen? Die Argumentat­ion, wonach das ganze Christentu­m in diesem Fall auf einer Täuschung aufgebaut wäre, ist für Rauchenber­ger eine reduzierte Sichtweise. Die Komplexitä­t des Auferstehu­ngsmythos rund um die Person Jesu ist weit größer.

„Christlich­e Bildmotive sind stark.“

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BILD: SN/BRUÈRE J. Rauchenber­ger,
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Theologe

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