alles Auferstehung: Ist gesagt?
Seit Jahrhunderten ringen Künstler mit dem, was unerklärbar und nicht darstellbar ist.
GRAZ. Die Auferstehung. Der im christlichen Glauben elementare Sieg Jesu Christi über den Tod hat über Jahrhunderte Künstler vor eine große Herausforderung gestellt. Wie lässt sich das Unbegreifliche, das durch die Ratio nicht Fassbare in Bildern darstellen? Noch dazu gibt es keine Augenzeugen und keine konkreten Überlieferungen über den eigentlichen Akt. Vielleicht hat es ja deshalb – neben dem Bilderverbot – mehr als ein Jahrtausend gedauert, ehe der Versuch unternommen wurde, das unerklärbare Phänomen Auferstehung in Bilder zu fassen.
Vorerst gab es nur symbolische Darstellungen: In den Buchmalereien der frühen Romanik – wie etwa im Codes Egbert (um 980) – sind es die Begegnungen mit Maria Magdalena, die Erscheinung vor den verschreckten Jüngern oder vor Thomas, dem Zweifler. Berühmt ist die „Noli me tangere“-Szene („Berühre mich nicht“) von Giotto di Bondone aus den Jahren 1304/1306 in der Scrovegni-Kapelle in Padua. Für den Grazer Theologen und Kunsthistoriker vom Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten ist dieses Motiv eine „pure Liebesgeschichte“. Die Botschaft, wonach der Tod nicht das letzte Wort habe und das Böse bezwungen werden könne, werde später im Siegesmotiv des Auferstandenen zum Ausdruck gebracht. Im 12. Jahrhundert entstehen so die ersten Auferstehungsbilder. Christus tritt aus dem Grab heraus – mit Siegesfahne.
Später entwickle sich dieser zu „Luft und Licht“, er schwebe, betont Rauchenberger und verweist auf das berühmte Auferstehungsbild von Matthias Grünewald am Isenheimer Altar in Colmar. Der Künstler malte um 1510 einen emporschwebenden Christus, dessen gleißendes Licht die Nacht erhellt. Für dieses wie für alle anderen Auferstehungsbilder – etwa jene, die Jesus in der Vorhölle zeigen – gelte, so Rauchenberger, dass die Künstler „zu viel gezeigt haben“: „Reine Imagination.“
Für Johannes Rauchenberger ist in Auferstehungsbildern von Giotto bis in den Barock vorläufig alles gesagt, was künstlerisch zu sagen gewesen ist. Konkrete Vorstellungen, wie der Auferstandene auszusehen habe, hätten sich manifestiert: „Das ist, je nach Betrachtungsweise, eine Leistung oder ein Missgriff der Kunst.“Aus diesem Grund habe die Beschäftigung mit dem Motiv abgenommen – wohl auch, weil die Auftraggeberrolle der Kirche geschwunden sei und eine im Kosmos herumschwebende Figur mit dem Wissensverständnis nicht in Einklang zu bringen sei. „Wir können an einen Luftvogel nicht glauben.“Das Verschwinden des Auferstanden in der Kunst ist für den Theologen aber keinesfalls tragisch: „Positiv interpretiert ist es auch ein Respekt vor dem Undarstellbaren.“
In der abstrakten Malerei seien dann die Frage des Lichtes sowie die Frage des Nichtdarstellbaren auf eine eigene Weise verhandelt worden. Eine Belebung des Motivs der Auferstehung datiert Johannes Rauchenberger mit dem Erscheinen neuer Medien. Die Videoinstallation „Going Forth By Day“von Bill Viola etwa ist ein fünfteiliger Zyklus an bewegten Bildern, in denen Elementarerfahrungen thematisiert werden. Religiöse Symbolik im digitalen Zeitalter: Offenbarung und Technologie müssen kein Widerspruch sein.
In der Postmoderne und danach haben Künstler die christliche Ikonografie wiederentdeckt. „Siegfried Anzinger etwa zeigt, auch wenn er die religiösen Inhalte entkleidet, welches Kraftpotential in der Ikonografie steckt“, sagt Rauchenberger in Anspielung auf jene Darstellungen, in denen der Kreuzschaft durchschossen ist und Jesus mit einem Schwan auffährt. Absurdität, Ironie und, ja, auch Blasphemie seien die Zutaten, mit denen das Althergebrachte neu aufgekocht werde.
Eine Passionsgeschichte in zeitgenössischer Ausformung zeigt auch Guillaume Bruère alias GIOM, dessen Werke derzeit in der Ausstellung „Vulgata – 77 Zugriffe auf die Bibel“im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten zu sehen sind. Bruère lässt sich dabei von Museumsbesuchen inspirieren, er verarbeitet das Gesehene – meist aus Mittelalter-Abteilungen – auf spontane und eigenständige Weise zu neuen Kunstwerken. Der gebürtige Franzose beginnt so einen Diskurs mit der Vergangenheit. Beim Akt des Zeichnens schließt Bruère die Augen und lässt sich treiben: „Ich bin da, und es malt in mir. Es ist ein Liebesakt. Aber auch ein Kampf.“
Ein Auferstandener aus der Hand Bruères wächst aus einem buchartigen Sockel, sein zweifarbiger Umhang erinnert an ein Narrenkostüm. Das blutrote Gesicht wird von einem Heiligenschein (oder sind es bloß blonde Haare?) gerahmt. Nein, so sieht kein triumphaler Sieger über den Tod aus. Die aus Museen und Publikationen bekannten Bilder erfahren durch die Neuinterpretation eine Dynamik.
Die Auferstehung. Ein über Jahrhunderte bedeutsames Bildmotiv stockt in seiner Weiterentwicklung. Abgeschlossen ist das Kapitel, wie innovative Einzelpositionen zeigen, aber nicht. Fragen der Körperlichkeit und des Lichts, die Relevanz der tradierten Ikonografie oder existenzielle Seinsfragen rücken in den Mittelpunkt, verdrängen das imaginierte Geschehen.
War das Grab leer? Wurde der Leichnam gestohlen? Die Argumentation, wonach das ganze Christentum in diesem Fall auf einer Täuschung aufgebaut wäre, ist für Rauchenberger eine reduzierte Sichtweise. Die Komplexität des Auferstehungsmythos rund um die Person Jesu ist weit größer.
„Christliche Bildmotive sind stark.“