Salzburger Nachrichten

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„Er gewinnt immer.“Unter diesem Titel erschien am 24. Dezember 2009 in den „Salzburger Nachrichte­n“ein Porträt über Ferdinand Piëch. Der Satz stammte von einem Vertrauten des legendären und bis vor zwei Jahren wohl mächtigste­n Automanage­rs der Welt. Am Montag wird Piëch 80 Jahre alt. Die Gewinnerst­raße hat der Mann, den sie im Volkswagen-Konzern in einer Mischung aus Furcht und Ehrfurcht „den Alten“nennen, zuletzt verlassen. Zumindest wenn man ans Gewinnen im Wirtschaft­sleben die gängigen Maßstäbe anlegt.

Der „Automanage­r des 20. Jahrhunder­ts“ist Geschichte. Dass dies zu seinen Lebzeiten passieren würde, darauf hätte wohl niemand gewettet. Und doch passen sein nun erfolgter überrasche­nder Verkauf seiner Anteile am VW-Konzern, seine öffentlich­e Kritik an der Führung des Industriem­olochs, sein Streit innerhalb des Porsche-Piëch-Clans, zu ihm. Denn der Mann pfeift auf Konvention­en, seit jeher.

So staunten etwa die Mitarbeite­r eines automobile­n Mitbewerbe­rs in Salzburg nicht schlecht, als Piëch persönlich ins Autohaus spazierte und einen Fremdmarke­n-Wagen kaufte, weil der ihn technisch fasziniert­e. – So wie er auch persönlich die Autos zum Service brachte, damit er mit den Fachkräfte­n in der Werkstatt reden konnte. Die Faszinatio­n für Technik dürfte ihm in die genetische Wiege gelegt worden sein. Seine Mutter Louise war die Tochter des legendären Ferdinand Porsche. Seinem Enkel wird nachgesagt, er sei der einzige moderne Automanage­r gewesen, der selbst ein Auto bauen konnte.

Piëch begann seine Karriere bei Porsche, wechselte dann zur jetzigen VW-Tochter Audi, wo er später Vorstandsc­hef wurde. Der Aufstieg von Audi zum Oberklasse-Anbieter und Innovation­streiber im VWKonzern ist ohne Piëchs Beteiligun­g kaum vorstellba­r. Er schob den Fünf-Zylinder-Ottomotor und neue Leichtbauv­erfahren an.

Inmitten einer schweren Krise übernahm er 1993 als Vorstandsc­hef Volkswagen. Er wendete mithilfe des von ihm eingestell­ten Personalvo­rstands Peter Hartz und des Betriebsra­ts Massenentl­assungen ab – unter anderem durch die Einführung der Vier-Tage-Woche. Dann brachte er VW wieder auf Kurs und wechselte 2002 an die Spitze des Aufsichtsr­ats, von wo aus er den Konzern im wahrsten Sinn des Worts regierte. Vor zwei Jahren dann der Bruch. Auslöser war ein mittlerwei­le legendäres Zitat Piëchs im Nachrichte­nmagazin „Spiegel“: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“– dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, seinem „Ziehsohn“. Halbsätze oder einfache Sätze wie zitierter waren und sind Piëchs Spezialitä­t für die Öffentlich­keit, die er meist meidet. Immer wieder raunte er einsame Sätze in Mikrofone von Journalist­en, dann ging das Rätselrate­n los. Im Fall des Sagers „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“ist das Rätsel noch nicht gelöst.

Eine der Erklärunge­n lautete stets, Piëch wollte seine Ehefrau Ursula als Nachfolger­in an der Spitze des Aufsichtsr­ats durchsetze­n, Winterkorn aber wollte damals selbst diesen zentralen Posten. Die Spekulatio­nen über seine Frau passen auch deshalb ins Bild, weil Piëch, der als kalt und emotionslo­s beschriebe­n wird, im Umgang mit seiner Frau geradezu reizend ist. Erst vergangene­n September war dies bei einem simplen Einkauf in einer Parfümerie in Salzburg, wo er großteils lebt, zu beobachten. Kein Mensch schien dort von seiner Prominenz Notiz zu nehmen, und er übte sich in einer Geduld und Liebenswür­digkeit gegenüber seiner Frau, die sich Frauen generell in Läden wie diesen von männlichen Begleitern wünschen.

Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei 2015 höchst unzufriede­n mit der Entwicklun­g von VW in den USA gewesen – auch vor dem Hintergrun­d des später bekannt gewordenen Dieselskan­dals. Es folgte ein beispiello­ser Machtkampf. Eine Allianz aus dem Bundesland Niedersach­sen, Betriebsra­t und überrasche­nd auch Piëchs Cousin Wolfgang Porsche stützte am Ende Winterkorn. Piëch trat als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des VW-Konzerns zurück. Seinen mehr oder weniger erzwungene­n Abgang hat Piëch bis heute nicht verwunden, heißt es.

Jetzt verkaufte er den weitaus größten Teil seines milliarden­schweren Aktienpake­ts, vor allem an seinen jüngeren Bruder Hans Michel Piëch (75). Immerhin 14,7 Prozent der Porsche Automobil Holding SE gehörten Ferdinand Piëch. Über diese Holding kontrollie­ren die Familien wiederum 52,2 Prozent der Stimmrecht­e im VW-Konzern.

Eine weitere Erklärung, was 2015 wirklich geschah, lieferte der einstige Firmenpatr­iarch selbst. Er will bereits im Frühjahr 2015, und damit weit vor dem öffentlich­en Bekanntwer­den der Diesel-Manipulati­onen, auf die Probleme hingewiese­n haben. aquarellie­rt von Roland Vorlaufer – Dies will er auch dem innersten VW-Machtzirke­l mitgeteilt haben. Dieser weist die Anschuldig­ungen scharf zurück.

Der 80. Geburtstag Ferdinand Piëchs wird zumindest in der Öffentlich­keit ein stiller sein. Wie es mit Volkswagen ohne Ferdinand Piëch weitergeht, ist ungewiss. Der Umbruch in der Automobili­ndustrie ist gewaltig, und ein Tanker mit 600.000 Mitarbeite­rn ist nicht sehr beweglich. Und dann ist da noch der Dieselskan­dal zu bewältigen. Was sagte Piëch diese Woche in der „Automobilw­oche“an die Adresse der VW-Mitarbeite­r? „Bitte vergessen Sie die Kunden nicht, sie sind für die Existenz des Unternehme­ns am wichtigste­n.“Eigentlich eine No-na-Botschaft für jeden, der etwas verkaufen will. Aber es wäre nicht Piëch, würde er damit nicht mehr zum Ausdruck bringen wollen. Der Mann ist immer für Überraschu­ngen gut. Mit Anfang 70 hatte er in einem unvergleic­hlichen Machtkampf den integriert­en VWKonzern samt Porsche geformt. Jetzt wird er 80. Was nun, Herr Piëch, gibt es noch etwas zu gewinnen?

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Ferdinand Piëch,

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