Die Liebe ist ein „kosmischer Kitt“
Was ist die Qualität dieses Gefühls, das uns alle so umtreibt?
Wenn man die Sexualität als einen möglichen Ausdruck von Liebe sieht, dann geht es um etwas, was Gegensätze verbindet, mit der Option, etwas Neues und Schönes zu gestalten. Existenzielle Gegensätze wie männlich – weiblich, Licht – Dunkel oder Himmel – Erde möchten zu einer Einheit finden. So könnte man auch sagen: Liebe ist die Kraft, die das Universum verbindet. Also geht es um „kosmischen Kitt“.
Diese Grundstruktur ist sicher allen möglichen Ausformungen der Liebe gemeinsam. Wenn man noch in die frühe Kindheit schaut, wo Liebe aus einem Gefühl der Geborgenheit und des angemessenen Versorgt-Werdens entsteht, dann ist sie ein Gefühl, das für beide Seiten etwas Gutes will. Natürlich steckt in Liebe auch Verantwortung für das Geliebte mit drin. Wenn wir etwas lieben, wollen wir nur das Beste dafür. Das ist jetzt, wenn man an Kindererziehung denkt, nicht unbedingt das, was das geliebte Wesen will oder für gut hält.
Der Liebe geht es im Keim stets um Selbstund Fremderhaltung. Und da der Mensch allein nicht überleben kann, wird er von einem existenziellen Bindungsbedürfnis zu anderen Menschen gelenkt. Deshalb nehmen wir als Winzling, was wir kriegen können, um zu überleben. Dabei kann dieses Bindungsbedürfnis, dem unsere Selbsterhaltung zugrunde liegt, jedoch korrumpiert und in die Irre geführt werden. Wir suchen uns dann die „falschen“Bindungspartner und empfinden Liebe unter destruktiven Bedingungen. So lernen wir eine Liebe kennen, die nicht mehr den Weg zur verbindenden Einheit von Gegensätzen sucht, sondern sich vom anderen isoliert, abgrenzt und entzweit. Ist das noch Liebe?
Wie auch immer. Jedenfalls ist Liebe auch einem Wachstumsprozess unterworfen. Wenn wir älter werden, merken wir unter Umständen, dass die Liebe, die wir empfinden, weniger mit einem speziellen Gegenüber zu tun hat als mit unserer eigenen Liebesfähigkeit. Nicht der Andere erzeugt unsere Liebe, sondern wir spüren unsere eigene Liebesfähigkeit in Anwesenheit mancher Menschen einfach mehr. Im Unabhängigwerden unserer Liebe von anderen entsteht im besten Fall nach und nach eine umfassende Zuneigung zu allen Lebewesen.
Für C. G. Jung geht es um die Vereinigung der Gegensätze im eigenen Innern. Die Beziehung zu sich selbst. Nicht das Außen gestaltet das Innen, sondern umgekehrt. Und das kann man als Therapeut gut beobachten: Menschen, die zu sich selbst eine gute fürsorgliche Beziehung haben, leben auch im Außen zufriedenstellendere Beziehungen mit mehr Fürsorglichkeit. Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst! Mag. Caroline Weinlich ist Klinische und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin und Traumatherapeutin in freier Praxis und psychologische Leiterin der Suchthilfeklinik Salzburg. Psychologische Hilfe auch auf WWW.KURATORIUMPSYCHISCHE-GESUNDHEIT.AT. Hotline 0664/1008001.