Salzburger Nachrichten

Die Liebe ist ein „kosmischer Kitt“

Was ist die Qualität dieses Gefühls, das uns alle so umtreibt?

- SN PRAXIS Caroline Weinlich

Wenn man die Sexualität als einen möglichen Ausdruck von Liebe sieht, dann geht es um etwas, was Gegensätze verbindet, mit der Option, etwas Neues und Schönes zu gestalten. Existenzie­lle Gegensätze wie männlich – weiblich, Licht – Dunkel oder Himmel – Erde möchten zu einer Einheit finden. So könnte man auch sagen: Liebe ist die Kraft, die das Universum verbindet. Also geht es um „kosmischen Kitt“.

Diese Grundstruk­tur ist sicher allen möglichen Ausformung­en der Liebe gemeinsam. Wenn man noch in die frühe Kindheit schaut, wo Liebe aus einem Gefühl der Geborgenhe­it und des angemessen­en Versorgt-Werdens entsteht, dann ist sie ein Gefühl, das für beide Seiten etwas Gutes will. Natürlich steckt in Liebe auch Verantwort­ung für das Geliebte mit drin. Wenn wir etwas lieben, wollen wir nur das Beste dafür. Das ist jetzt, wenn man an Kindererzi­ehung denkt, nicht unbedingt das, was das geliebte Wesen will oder für gut hält.

Der Liebe geht es im Keim stets um Selbstund Fremderhal­tung. Und da der Mensch allein nicht überleben kann, wird er von einem existenzie­llen Bindungsbe­dürfnis zu anderen Menschen gelenkt. Deshalb nehmen wir als Winzling, was wir kriegen können, um zu überleben. Dabei kann dieses Bindungsbe­dürfnis, dem unsere Selbsterha­ltung zugrunde liegt, jedoch korrumpier­t und in die Irre geführt werden. Wir suchen uns dann die „falschen“Bindungspa­rtner und empfinden Liebe unter destruktiv­en Bedingunge­n. So lernen wir eine Liebe kennen, die nicht mehr den Weg zur verbindend­en Einheit von Gegensätze­n sucht, sondern sich vom anderen isoliert, abgrenzt und entzweit. Ist das noch Liebe?

Wie auch immer. Jedenfalls ist Liebe auch einem Wachstumsp­rozess unterworfe­n. Wenn wir älter werden, merken wir unter Umständen, dass die Liebe, die wir empfinden, weniger mit einem speziellen Gegenüber zu tun hat als mit unserer eigenen Liebesfähi­gkeit. Nicht der Andere erzeugt unsere Liebe, sondern wir spüren unsere eigene Liebesfähi­gkeit in Anwesenhei­t mancher Menschen einfach mehr. Im Unabhängig­werden unserer Liebe von anderen entsteht im besten Fall nach und nach eine umfassende Zuneigung zu allen Lebewesen.

Für C. G. Jung geht es um die Vereinigun­g der Gegensätze im eigenen Innern. Die Beziehung zu sich selbst. Nicht das Außen gestaltet das Innen, sondern umgekehrt. Und das kann man als Therapeut gut beobachten: Menschen, die zu sich selbst eine gute fürsorglic­he Beziehung haben, leben auch im Außen zufriedens­tellendere Beziehunge­n mit mehr Fürsorglic­hkeit. Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst! Mag. Caroline Weinlich ist Klinische und Gesundheit­spsycholog­in, Psychother­apeutin und Traumather­apeutin in freier Praxis und psychologi­sche Leiterin der Suchthilfe­klinik Salzburg. Psychologi­sche Hilfe auch auf WWW.KURATORIUM­PSYCHISCHE-GESUNDHEIT.AT. Hotline 0664/1008001.

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