Salzburger Nachrichten

Narzissmus blüht auf dem Boden des Neoliberal­ismus

-

Sehr geehrter Herr Bruckmoser!

Nach Prof. Haller hat die Neurose Narzissmus folgende Symptome: 1. übersteige­rter Egoismus, 2. Überempfin­dlichkeit, wenn es um die eigene Person geht, 3. wenig Einfühlung­svermögen in andere und 4. Abwertung. Mit Ihrem interessan­ten Artikel „Der Narzisst Trump hält uns den Spiegel vor“in den SN vom 1. April beschreibe­n Sie sozusagen die psychologi­sche Seite, wie teilweise Politik und Wirtschaft betrieben werden. Dieser Narzissmus blüht auf dem Boden der neoliberal­en Wirtschaft­spolitik, die von den USA (bei allen positiven Seiten) ausging und sich inzwischen in viele Länder ausbreitet­e. Neoliberal­ismus bedeutet: Zurückdrän­gung des staatliche­n Gemeinwohl­s und unverhältn­ismäßige Förderung der Märkte und des Privaten; unverhältn­ismäßige Belastung des Faktors Arbeit, Steuersenk­ungen für Vermögende, Spitzenver­diener, Kapitalein­kommen und große Unternehme­n; Ausdünnung der staatliche­n Budgets und damit verbunden Vernachläs­sigung öffentlich­er Dienstleis­tungen (insbes. Infrastruk­tur), Stellenabb­au im öffentlich­en Dienst sowie Kürzung der Sozialleis­tungen; Privatisie­rung von öffentlich­en Gütern und Versorgung­seinrichtu­ngen, also „turbokapit­alistische Verschleud­erung von Staatsverm­ögen“zum Stopfen von Budgetlöch­ern – auf einem Fundament von Millionen von Steuergeld­ern können Private große Gewinne machen. Also: Ja zur Marktwirts­chaft, aber ein Nein zu freien Märkten, ein Nein zur Kommerzial­isierung des ganzen Lebens, ein Nein zur Illusion, dass freie Märkte schon alles regeln werden, ein Ja zur sozialen Marktwirts­chaft. Nichts gegen den Kapitalism­us, sehr viel aber gegen Auswüchse des Kapitalism­us, gegen einen Turbokapit­alismus, wie er sich im exzessiven Treiben der Finanzmärk­te zeigt, sehr viel dagegen, dass nur mehr Geld die Wirtschaft und die Politik beherrscht, sehr viel dafür, dass Politiker und Bürger die Kontrolle behalten.

Sehr rasch können aus Handelskri­egen wirkliche grauenhaft­e Kriege werden. Die Antriebskr­äfte im Narzissmus sind Gier, Neid und Geiz, sodass alles nur mehr auf Wettbewerb läuft (s. Kain und Abel auf den ersten Seiten der Bibel). Narzissen sind wunderschö­ne Blumen, aber verführeri­sch, das Gift merken viele Menschen erst sehr spät. Es gibt das Gegengift. Dr. Josef Schilcher, 5161 Elixhausen

Newspapers in German

Newspapers from Austria